1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis
  4. Bad Nauheim

Pragmatische Schlitzohrigkeit

Erstellt:

Von: Hedwig Rohde

Kommentare

jw_WernerFlach_4c_040323_4c
Dr. Werner Flach † © Hedwig Rohde

Bad Nauheim . Als Erster Stadtrat Dr. Werner Flach am 31. August 2000 in den Ruhestand verabschiedet wurde, lobten selbst Sprecher der Opposition die Integrität, das Pflichtbewusstsein und die Kompromissfähigkeit des damals 64-jährigen Ingenieurs.

Zu diesem Zeitpunkt stand der gebürtige Nieder-Weiseler, der 1956 an der Ernst-Ludwig-Schule Abitur machte, am Ende seiner vierten Wahlperiode. Eine Amtszeit von 24 Jahren (1976 - 2000) und drei Wiederwahlen - ein beeindruckendes Zeugnis für fachliche Kompetenz, große Wertschätzung und Durchhaltevermögen, aber auch für unverbrüchliche Loyalität und die selten gewordene Fähigkeit, persönliche Interessen dem großen Ganzen unterzuordnen.

Unter anderem schied Flach während seiner ersten Amtszeit als Mitinhaber aus der Bad Nauheimer Firma Imhof aus, deren Geschäftsführer er 1968 bis 1976 gewesen war, um jeden Verdacht einer Vermengung dienstlicher und privater Interessen zu vermeiden. Legendär war seine Fähigkeit als Kämmerer, städtische Haushalte mit einem Plus abzuschließen, dies vorab aber so gekonnt zu verschleiern, dass Begehrlichkeiten im Parlament nicht geweckt wurden - oder eben für wichtige Projekte spontan doch Geld vorhanden war. Auch sein trockener Humor beeindruckte.

Seine Partei, die CDU, hat es dem persönlich stets bescheiden auftretenden Politiker nicht immer leicht gemacht. Nach der Kommunalwahl 1981 kippte die neu zusammengesetzte Fraktion die zuvor gegebene Zusage, Flach für die anstehende Bürgermeisterwahl zu nominieren, und entschied sich für einen externen Bewerber, den gebürtigen Hamburger Bernd Rohde. Zwölf Jahre später hatte Rohde seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur erklärt, woraufhin die CDU für die erste Bürgermeister-Direktwahl 1993 nun doch Werner Flach nominierte. Rohde entschied sich um, kandidierte als unabhängiger Kandidat gegen Flach, als »lachender Dritter« gewann der Sozialdemokrat Peter Keller die Wahl.

Nach Kellers Tod 1999 trug Flach für mehrere Monate die Doppelbelastung zweier Ämter, bevor Rohde für eine dritte Amtszeit gewählt wurde. In seiner Ansprache zu Flachs Verabschiedung würdigte Rohde ausdrücklich, es sei nur dessen Verdienst gewesen, »dass sich unsere gute Beziehung trotz dieser Angelegenheit nicht verändert hat«.

Als Landtagsabgeordneter (1972 - 1974) kämpfte Flach gegen den geplanten autobahnartigen Ausbau der B3a, die diagonal durch die Talaue zwischen Friedberg und Bad Nauheim führen sollte. Dass er für die später realisierte »kleine Lösung« mit den Friedberger Jungsozialisten konspirierte, ist ein Beleg für die Mischung aus Pragmatismus, Toleranz, Weitsicht und Schlitzohrigkeit, die ihn auszeichnete.

Mit einem »Bad-Nauheim-Komplott« über die Parteigrenzen hinweg gelang ihm der Erhalt der Kaufmännischen Schule in Bad Nauheim. Mit der Kreistagsmehrheit - diesem Parlament gehörte Flach von 1968 bis 1997 an - überzeugte er die Landesregierung von der Notwendigkeit eines Neubaus der Ernst-Ludwig-Schule, der 1986 erfolgte.

Im Januar noch Geburtstag gefeiert

Nach seiner Pensionierung zog es Flach mit seiner Frau Claudia in südliche Gefilde, nach Freiburg, von wo er es nicht weit hatte ins geliebte Elsass und wo sich ihm hervorragende Möglichkeiten boten für seine große Passion, das Radwandern. Seinen Bad Nauheimer Freunden blieb er treu verbunden. An seinem 87. Geburtstag am 21. Januar 2023 nahm er telefonische Glückwünsche in gewohnter geistiger Frische entgegen; vier Wochen später, am 19. Februar, starb er in seiner Wahlheimat Freiburg. Hedwig Rohde

Auch interessant

Kommentare