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Psychokardiologie in Bad Nauheim: Angst nehmen, Perspektiven bieten

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Der heutige 3. Juni ist Tag der Organspende. Für Menschen, die ein neues Herz brauchen, ist eine gelungene Transplantation die Rettung. Doch vor und nach dem Eingriff kann die Psyche sehr belastet sein. SYMBOL © Red

Menschen, die ein neues Herz benötigen, befinden sich in einer Ausnahmesituation. Körperlich und psychisch. In allen Phasen ist die Psychokardiologie der Bad Nauheimer Kerkhoff-Klinik wichtig.

Der Patient, der transplantiert wird, durchläuft verschiedene Phasen. In diesen Phasen hat Psychokardiologie unterschiedliche Arbeitsaufträge«, erklärt Prof. Dr. Bettina Hamann, Leiterin der Abteilung Psychokardiologie an der Bad Nauheimer Kerckhoff-Klinik. In Phase eins muss geklärt werden, ob der Patient dafür geeignet ist, auf die Warteliste für eine Herztransplantation zu kommen. Dabei schauen die Mediziner nach Risikofaktoren. »Eine Depression ist kardiotoxisch«, sagt Hamann. Deshalb bemühen sich Psychokardiologen darum, sie zu behandeln. Sucht sei eine Kontraindikation, man müsse mindestens sechs Monate abstinent sein, um gelistet werden zu können.

Soziales Umfeld spendet dem Patienten den Sinn durchzuhalten

Der Patient verbringt die Zeit des Wartens auf ein neues Herz zunächst zu Hause, in dieser Phase werde die Psychokardiologie bei Bedarf in Anspruch genommen, sagt Hamann. Im Krankenhaus ist das anders. »Wir sind tagtäglich am Bett, wenn der Patient hoch dringlich gelistet ist und bei uns in der Klinik auf das Organ wartet.« Der Patient könne die Station nicht verlassen, die körperliche Leistungsfähigkeit sei gering, die Überlebensprognose betrage maximal ein Jahr.

»Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Patienten fragen dann: ›Schaffe ich das, bis ein Organ kommt?‹ Da ist Psychokardiologie dabei, motiviert, arbeitet mit dem Patienten«, erläutert die Expertin. Es gehe dabei insbesondere um die Frage, was er machen werde, wenn er ein neues Organ habe. »Er braucht ganz konkrete Lebensperspektiven und eine Idee, was er macht.«

Das soziale Umfeld werde einbezogen, das sei entscheidend für die Prognose. »Sie spenden dem Betroffenen den Sinn, das durchzuhalten, was von ihm abverlangt wird.« Wichtig sei zudem, mit dem Patienten über den Fall zu sprechen, dass er stirbt. Hat er sich verabschiedet, alles vorbereitet, was will er noch mit seinen Angehörigen besprechen?

Tiefe Dankbarkeit hilft dem Patienten

Nach der Transplantation kann es neben der Freude auch Angst geben. Davor, dass das neue Herz versagen könnte. Direkt nach der OP bekomme der Patient erstmals hochdosierte Immunsuppressiva verabreicht, informiert Hamann. Ein Bestandteil sei Cortison, und das könne Psychosen auslösen. Deshalb sei die Psychokardiologie im Boot. Später, während der Reha, finde ein Perspektivwechsel statt. Der Patient befasse sich intensiv damit, dass jemand gestorben sei, dessen Herz nun in ihm weiterschlage. Es sei sehr gut, wenn dann eine tiefe Dankbarkeit und Rührung kämen, sagt Hamann. Denn dann werde der Patient demütig dem Organ gegenüber und wolle alles tun, dass das Herz nicht abgestoßen werde.

Ein wichtiger Bereich der Psychokardiologie ist die Identität. Hamann: »Kann mit dem Organ auch Persönlichkeit übermittelt werden? Das ist natürlich nicht möglich. Mir sagte ein Patient: Ich habe ein Organ von einem Frühaufsteher. Seitdem ich dieses Organ habe, wache ich morgens um 5 auf.« Habe der Patient Humor, dann sei er auf einem guten Weg.

Die Kerckhoff-Klinik hat vor vielen Jahren als eines der ersten Zentren in Deutschland eine eigene Abteilung für Psychokardiologie eingerichtet, in der speziell die Zusammenhänge zwischen psychischen Komponenten und Herzerkrankungen der Patienten analysiert und therapiert werden können. Bei Fragen zu Herz und Psyche ist die Kerckhoff-Klinik eine Anlaufstelle.

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