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Raub und Verfolgung

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Von: red Redaktion

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Manfred de Vries © Hanna von Prosch

Bad Nauheim (pm). Neben dem Vortrag von Armin Flesch über »Erben der Arisierung« (die WZ berichtete) hat es am Mittwochabend im Gemeindezentrum Wilhelmskirche einen weiteren Vortrag gegeben. Dort wurde der Opfer der Reichspogromnacht von 1938 gedacht. Auch Manfred de Vries, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim, hielt einen Vortrag. Darin befasste er sich mit seiner eigenen Familiengeschichte.

Heimat bedeute Geborgenheit, Wärme, sich an diesem Ort wohlzufühlen, sagte de Vries. »Und in Sicherheit sein Leben gestalten zu können in der Gewissheit, an diesem Ort die Früchte seiner Anstrengungen einfahren zu können. Man darf alles unternehmen, solange Gesetze eingehalten werden. In den 30er Jahren haben die Nazis dafür gesorgt, dass diese Freiheit nur den Nazis zukam - Juden wurden alle Menschenrechte aberkannt.« Dem sei - auch durch die Umkehr der Justiz auf Diktatorenniveau - der legalisierte Raub gefolgt. De Vries: »Auch meine Familie wurde beraubt und deren Menschenrechte aberkannt. Meine Großeltern hatten für das deutsche Volk im Ersten Weltkrieg gekämpft und waren absolut der Meinung, dass dieses Land ihnen nichts antun würde. Wie man sich täuschen kann.«

In Recklinghausen blieben nur seine Mutter und wenige KZ-Überlebende übrig. »Mein Vater Ludwig de Vries und sein Bruder Josef de Vries waren Viehhändler in Lathen/Emsland und Auschwitz-Überlebende. Sie benötigten einen Platz auf dem Recklinghäuser Schlachthof für ihr Vieh.« Seine Mutter habe von zwei Brüdern, beide KZ-Überlebende, gehört, denen ein Platz auf dem Schlachthof verwehrt worden sei. »Die Viehhändler dort waren Nazis. Meine Mutter fuhr mit einigen Polizisten zum Schlachthof und löste diesen vollständig auf. Sie bestand darauf, dass diese zwei jüdischen Brüder nun die erste Wahl auf den Schlachthof bekamen. Auch dies war ein Beispiel von legalisiertem Raub, denn sie hatten vor dem Holocaust Plätze auf diesem Schlachthof«, machte de Vries deutlich.

Der Raub sei nur möglich gewesen durch Juristen, »die unglaubliches Unrecht in Recht verwandelten. Diese Unmenschen durften nach dem Krieg Kanzleien weiterführen und konnten den Nazi-Virus an die nächste Generation von Rechtsanwälten weitergeben«. ARCHIVFOTO: HMS

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