Rechtsstreit um Landesgartenschau: Stadt Bad Nauheim billigt Vergleich

Finanziell ist die Stadt Bad Nauheim nicht auf Rosen gebettet. 7,3 Millionen Euro weist das Etatdefizit für 2022 auf. Jetzt könnten Zusatzausgaben von 200 000 Euro hinzukommen.
Bad Nauheim als Ausrichter der Landesgartenschau (LGS) 2010 - das war ein Höhepunkt in der Geschichte der Kurstadt. Im Vorfeld der Großveranstaltung wurde reichlich investiert - mit Unterstützung des Landes Hessen. Nicht kleckern, sondern klotzen, lautete damals die Devise. Richtlinien für die Vergabe von Aufträgen wurden dabei offenbar nicht so genau genommen.
Zu diesem Ergebnis kam zumindest der Landesrechnungshof bei einer Prüfung, die 2018 vollzogen und ein Jahr später veröffentlicht wurde. Drei Landesgartenschauen hatten die Finanzexperten unter die Lupe genommen, Bad Nauheim schnitt am schlechtesten ab (siehe Zusatzartikel). Das hessische Umweltministerium nahm die Untersuchung zum Anlass, von der Stadt 2021 eine Rückzahlung von 600 000 Euro zu fordern. Das Rathaus gab daraufhin ein Gutachten in Auftrag. Wenig überraschendes Resultat: Zu den monierten Vergabeverstößen sei es nicht gekommen. Der Magistrat entschloss sich, auf dieser Grundlage Klage gegen den Bescheid aus Wiesbaden einzureichen.
Land soll 200 000 Euro erhalten
Inzwischen hat sich das Verwaltungsgericht Gießen mit der Angelegenheit befasst. Zunächst kam es nach Angaben von Pressesprecher Rainer Lambeck am 1. Dezember zu einer mündlichen Verhandlung, dann - auch das erwartungsgemäß - zu einem Vergleichsvorschlag. Die Richter empfehlen eine Zahlung von 200 000 Euro ans Land, damit sollen alle wechselseitigen Ansprüche der Beteiligten, die mit der LGS 2010 zu tun haben, für alle Zeiten erledigt sein.
Auf die Frage, ob sich die Landersgartenschau 2010 GmbH - Aufsichtsratsvorsitzender war der damalige Bürgermeister Bernd Witzel - tatsächlich schwere Vergabeverstöße hat zuschulden kommen lassen, geht das Verwaltungsgericht in seiner Begründung nicht ein. Nach Ansicht des Landesrechnungshofs ist es offensichtlich zu Unregelmäßigkeiten gekommen, und zwar vor allem beim 2006 erfolgten Bau des Kastanienrondells samt »Brunnen der Erkenntnis«. Deshalb nahm das Umweltministerium eine Kürzung des förderfähigen Betrags um 1 Million Euro vor. Da der Landeszuschuss 60 Prozent betrug, steht unter dem Strich eine Rückforderung in Höhe von fast 600 000 Euro.
Die Gießener Richter bemühen ein anderes Argument, um das Land zum Einlenken zu bewegen. »Das Gericht sieht es als fraglich an, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rückforderung der gewährten Subvention vollständig erfüllt sind«, betont Pressesprecher Lambeck. Bei der Rücknahme eines Verwaltungsakts seien Fristen einzuhalten. Spätestens ein Jahr, nachdem die Gründe für eine Rücknahme bekannt seien, müsse die Behörde - in diesem Fall das Ministerium - handeln.
Ministerium hält sich bedeckt
Lambeck: »Es spricht einiges dafür, dass das Land Hessen bereits im Jahre 2011 Kenntnis von allen für eine etwaige Rücknahme erforderlichen entscheidungserheblichen Umständen gehabt hat.« Der Ausgang des Rechtsstreits sei deshalb als offen einzustufen. Somit biete sich ein Vergleich an.
Die Stadt hat schnell reagiert. Nachdem das Gericht seinen Vorschlag verschickt hatte, wurde das Thema sofort auf die Tagesordnung der Magistratssitzung am Dienstag dieser Woche gesetzt. Das Gremium stimmte dafür, die 200 000 Euro ans Land zu zahlen, um den Rechtsstreit zügig zu beenden. Davon, dass es gar nicht zu Vergabeverstößen gekommen sein soll, ist nicht mehr die Rede.
Die Pressestelle des Umweltministeriums will keine Stellung zu dem Fall nehmen. Laut Behördensprecher Amrei Pfeiffer handelt es sich um ein laufendes Verfahren, zu dem man sich nicht äußern könne. Nach Angaben des Magistrats hatten sich beide Seiten allerdings bereits in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember auf den Vergleich geeinigt. Dieses Ergebnis muss jetzt noch von den politischen Gremien abgesegnet werden, was von städtischer Seite am Dienstag geschehen ist.
»Vorschriften missachtet«
Von Zeit zu Zeit nimmt der hessische Landesrechnungshof neben seinen üblichen Aufgaben Sonderprüfungen vor. 2018 widmete sich die Behörden den Landesgartenschauen in Bad Nauheim (2010), Gießen (2014) und Bad Schwalbach (2018). Während die beiden letztgenannten Städte unbeschadet davonkamen, empfahlen die Prüfer der Landesregierung, von Bad Nauheim eine 600 000-Euro-Rückzahlung zu fordern. Dort sei es zu einer erheblichen Missachtung gültiger Vorschriften gekommen.
Vor allem bei der Auftragsvergabe für den Bau des Kastanienrondells samt »Brunnen der Erkenntnis« im Kurpark habe es vonseiten der LGS 2010 GmbH unzulässige Preisverhandlungen im Vergabeverfahren, nicht vergaberechtskonforme Leistungsverzeichnisse und freihändige Vergaben oberhalb der zulässigen Wertgrenzen gegeben. Weiterer Vorwurf: Bei zwei Gewerken seien nach Eröffnung der Angebote Bietergespräche geführt und nachträgliche Änderungen vorgenommen worden. Beim letzten Punkt handelt es sich um eine besonders gravierende Anschuldigung. »Schwere Vergabeverstöße«, lautet das Gesamturteil der Finanzexperten aus Wiesbaden.