Rüstige Seniorin mit »Helfersyndrom«

Bad Nauheim (pm). Sie ist nicht mehr so gut zu Fuß, aber das hält sie nicht davon ab, für andere Menschen da zu sein: »Ich habe so ein Helfersyndrom und bin dankbar, dass ich das noch machen kann, denn das hält einen auch jung«, sagt Gertrud Kirk im Interview für HR 4 und diese Zeitung. Seit über 20 Jahren ist die engagierte Seniorin beim Verein »Bürgerinitiative Altenselbsthilfe Bad Nauheim« ehrenamtlich tätig.
Dafür wurde sie diese Woche im Rahmen der HR 4-Aktion »Hessens Helden« ausgezeichnet, auch hessenschau.de hat darüber berichtet.
Ihr Einsatz bleibt unverzichtbar
Lange hatte Gertrud Kirk selbst Essen ausgefahren, das geht heute kräftemäßig nicht mehr. »Ich bin vom Kopf noch gut beieinander und fahre auch noch Auto - und dabei braucht keiner Angst vor mir zu haben«, sagt sie. Nur die Arthrose in den Beinen mache ihr zu schaffen, und schwere Thermoboxen zu den Empfängern in den zweiten oder dritten Stock hochzutragen, das würde ihr auch Josefa Schnorr nicht mehr zumuten. Trotzdem ist die Arbeit von Gertrud Kirk für sie und den Verein weiterhin unverzichtbar. Die Spenden seien zurückgegangen, junge Menschen könnten sich nur selten fürs Ehrenamt begeistern. So bleiben am Ende die Rentner übrig, sofern sie selbst noch körperlich dazu in der Lage sind.
»Altenselbsthilfe« steht auf einem Schild über dem Eingang zum Keller des Seniorenheims. »Ich habe mir schon oft gedacht, dass wir uns anders nennen sollten«, sagt Schnorr. Aber am Ende sei das wohl der passende Begriff: Alte helfen Alten. Für Gertrud Kirk, die noch lange nicht ans Aufhören denkt, bedeutet das: Sie hilft eben so, wie sie es körperlich noch kann: Sie hütet im Seniorenheim das Telefon, betreut die Hungrigen und befreit die zurückgelieferten Thermoboxen von Essensresten.
Ohne die Hilfe der Ehrenamtlichen wäre der Essensdienst in Bad Nauheim nicht möglich. Bezahltes Personal würde einen Aufschlag bei den Preisen bedeuten, und das in Zeiten, in denen ohnehin vieles teurer wird. Hier zählt oft jeder Cent: 6,80 Euro koste das preiswerteste Essen, sagt Josefa Schnorr, die Leiterin des Vereins »Bürgerinitiative Altenselbsthilfe Bad Nauheim«, der das Essen auf Rädern in der Kurstadt größtenteils ehrenamtlich organisiert. »Wir haben den Anspruch, dass jeder in Bad Nauheim und Umgebung ein warmes Essen bekommt, der es braucht. Da können wir nicht einfach sagen, jetzt kostet es 7,80 Euro.«
Das Thema Ehrenamt ist auch ein Politikum: Mit Angeboten wie der Ehrenamts-Card, einer Möglichkeit, vergünstigt in Museen, Schwimmbäder oder Kinos zu gehen, versucht die Politik, das Ehrenamt attraktiver zu machen. Etwa zweieinhalb Millionen Menschen in Hessen engagieren sich in ihrer Freizeit in einem Ehrenamt. Das sind immerhin 41 Prozent, wie aus dem Freiwilligensurvey 2019 hervorgeht, einer repräsentativen Befragung, die vom Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben wurde. Im Vergleich der Bundesländer liegt Hessen in dieser Auswertung auf Rang vier. Aktuellere Daten liegen derzeit nicht vor.
Gertrud Kirk ist es eher unangenehm, für ihr Ehrenamt besonders gelobt zu werden. »Da gibt es andere, die viel mehr leisten als ich«, sagt sie. Auch dass sie sich nun zu »Hessens Helden« zählen darf, eine Auszeichnung, die sie im Rahmen der gleichnamigen HR 4-Aktion verliehen bekommen hat, ist ihr fast ein bisschen peinlich, doch stimmte sie einem Interview zu, weil sie damit auch ihre Mitmenschen für ehrenamtliches Engagement motivieren will. Immer nur auf der Couch zu sitzen, davon habe niemand etwas. Sie selbst kann einfach nicht anders, wie sie sagt: »Ich bin so erzogen worden, und wenn ich zum Dienst eingeteilt bin, dann komme ich auch.«