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Schockverliebt in Bad Nauheim

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Anja Kircher-Kannemann hat ihr Herz an Bad Nauheim verloren. © pv

Das Bild von ihrem Wohnort Duisburg sei einseitig, betont Dr. Anja Kircher-Kannemann und verteidigt auch das Rheinland. Und dennoch will sie so schnell wie möglich in die Kurstadt ziehen.

Dr. Anja Kircher-Kannemann studierte Geschichte, Germanistik, Anglistik und Erziehungswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Während ihres Magisterstudiums arbeitete sie am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an einer Papsturkundenedition mit. Seit vielen Jahren ist sie als freiberufliche Historikerin aktiv, betreut Publikationen, ist verantwortlich für die Erstellung und Betreuung von Webseiten verschiedener Firmen und Institutionen sowie deren Social Media-Auftritte. Ihr ganzes Know-How bringt sie in den Jugendstilverein ein und erzählt im WZ-Gespräch, warum sie die Kurstadt so fasziniert.

Anja Kircher-Kannemann, wo haben Sie ihre familiären Wurzelnl?

Geboren und aufgewachsen bin ich im Süden von Duisburg, direkt an der Stadtgrenze zu Düsseldorf, wo ich dann später auch studiert habe. Ich entstamme einer multikulturellen Familie mit französischen, besser gesagt lothringischen und polnischen Vorfahren. Seit 1997 bin ich verheiratet und lebe mit meinem Mann und zwei Katzen wieder im Duisburger Süden, nachdem es mich zwischenzeitlich nach Düsseldorf und Coesfeld verschlagen hatte.

Wie ist dann diese emotionale Bindung zu Bad Nauheim entstanden? Warum gerade diese Stadt?

Ja, es hätte mich auch nach Metz verschlagen können, in die alte Heimat meiner Großmutter, wo ich auch immer sehr gerne bin. Bad Nauheim kam durch einen Zufall: Mein Mann brauchte eine Reha, und bei der Durchsicht der möglichen Kliniken fiel mir Bad Nauheim ins Auge. Da ich seit meinem zehnten Lebensjahr großer Elvis-Fan bin, es aber irgendwie nie hierher geschafft hatte, habe ich also darauf bestanden, dass mein Mann nach Bad Nauheim in die Reha geht. Das hat dann auch zum Glück geklappt.

Und dann hat sich eine Beziehung entwickelt?

Ich bin dann für ein paar Tage zu ihm gefahren, kam in den Sprudelhof und war sozusagen schockverliebt. Dann lernte ich einige Mitglieder des Jugendstilvereins kennen und fing an, mich für die Jugendstilanlagen zu interessieren und Informationen darüber zu sammeln. Das passte auch ziemlich gut, denn schon seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit der Geschichte europäischer Kurstädte, habe dazu auch einen Blog angefangen.

Aktuell sind Sie schon ins Stadtleben und die Kultur-Arbeit eingebunden. Wie sind diese Kontakte entstanden?

Als der Jugendstilverein für das neu entstehende Jugendstilforum einen Blog beziehungsweise eine Website aufsetzen wollte, bekam ich den Auftrag, denn mit Blogs und Websites habe ich lange mein Geld verdient, und das wusste man dort bereits aufgrund des bestehenden Kontakts.

Wer hat Sie kontaktiert?

Einige Zeit später lernte ich Jochen Mörler kennen, der eine Historikerin für das Zeitfenster-Projekt suchte. So kam dann eins zum anderen, und durch die zahlreichen Kontakte und die traumhafte Architektur und spannende Geschichte der Stadt bin ich ihr dann mehr und mehr verfallen.

Doch was verteidigen Sie eigentlich noch an einer Stadt wie Duisburg gegen die vermeintlich idyllische Wetterau?

Fangen wir damit an, dass Duisburg eigentlich gar nicht zum Ruhrpott gehört und schon gar nicht der Duisburger Süden. Duisburg ist eigentlich Niederrhein oder besser das Rheinland, das sieht man beispielsweise an der IHK und am WDR-Studio. Außerdem sind wir eigentlich Angerländer, ein altes Amt, das erst Ende der 1920er Jahre und dann endgültig in den 1970er Jahren aufgelöst und auf insgesamt fünf Städte beziehungsweise Kreise aufgeteilt wurde. Wer die Region nur aus den Schimanski-Tatorten kennt, der hat einen sehr einseitigen Blick auf diese Stadt. Ein Beispiel: Wenn ich eine Straße weiter gehe, dann stehe ich vor dem Hotel, in dem 2006 die italienische Fußball-Nationalmannschaft wohnte und in dem auch regelmäßig die monegassische Fürstenfamilie absteigt.

Also gibt es auch viele schöne Orte dort?

Schön ist hier die typische flache und sehr grüne Landschaft. Wenn ich aus dem Fenster schaue, dann blicke ich auf der anderen Straßenseite in ein Naturschutzgebiet. Und hier in Huckingen bin ich genau in der Mitte zwischen Duisburg, Düsseldorf und Krefeld, drei Großstädte, die kulturell viel zu bieten haben.

Und umgekehrt. Was finden Sie hier schöner?

An Bad Nauheim mag ich die kurzen Wege, die Urbanität trotz Kleinstadtfeeling. Auch die Menschen hier, die ich immer als besonders freundlich empfinde, mag ich sehr. Es ist hier weniger hektisch als bei uns rheinischen Berufshektikern. Vor allem liebe ich diese große Menge an historischen Gebäuden, dieses Gefühl, durch ein riesiges Freilichtmuseum zu laufen und irgendwie immer zu einem Teil in einer längst vergangenen Welt unterwegs zu sein und dabei gleichzeitig zu sehen, wie die Menschen diese vergangene Welt mit ganz viel neuem Leben füllen.

Wie ist denn die private Planung konkret mit der Zukunft in Bad Nauheim?

Wenn es ginge, dann würde ich sofort nach Bad Nauheim umziehen. Zur Zeit ist aber mein Mann in Duisburg noch beruflich gebunden, und außerdem ist es schwierig, in Bad Nauheim eine Wohnung zu finden. Unser Plan ist es aber, in den nächsten ein bis zwei Jahren hierher zu ziehen.

Und wie stellen Sie sich Ihr Leben in Zukunft hier vor?

In vielerlei Hinsicht ruhiger und vielerlei Hinsicht umtriebiger. Ruhiger einfach deshalb, weil die Menschen - wie schon gesagt - hier ruhiger sind, außerdem bliebe mir die ständige Fahrerei erspart, es sind immerhin gut 230 Kilometer pro Strecke. Umtriebiger deshalb, weil ich mich dann sicher noch in vielen anderen Bereichen einbringen würde.

Wo würden Sie sich dann noch mehr ins Stadtleben einbringen, politisch oder kulturell?

Ob ich für die Politik geschaffen bin, weiß ich nicht. Kulturell würde ich mich auf jeden Fall noch deutlich stärker ins Stadtleben einbringen.

Haben Sie schon Freunde fürs Leben hier?

Im Laufe der Jahre habe ich hier in Bad Nauheim viele Menschen kennengelernt, die ich sehr mag und die mein Leben bereichern. Ich hoffe, dass es Freunde fürs Leben sind oder sie in Zukunft dazu werden.

Welche Projekte liegen Ihnen aktuell am Herzen?

Aktuell liegt mir vor allem das Jugendstilforum sehr am Herzen. So wie viele andere ausgesprochen engagierte Mitglieder des Jugendstilvereins, der Vorsitzende Gerhard Bennemann und auch andere Menschen in Bad Nauheim, möchte ich, dass das Jugendstilforum sich zu einem wichtigen Teil des Kultur- und Stadtlebens in Bad Nauheim entwickelt, dass es ein Ort wird, an dem die Menschen sich treffen, die einzigartige Architektur und Stimmung des Ortes genießen und sich miteinander austauschen, sich treffen und hier ihre Zeit verbringen. Daran und daran den Bürgern Bad Nauheims ihre eigene Geschichte näherzubringen, arbeiten wir.

Was könnten Sie sich noch vorstellen?

Ein zweites Projekt, das mir am Herzen liegt ist das Zeitfenster-Projekt, in dem es ebenfalls darum geht, den Menschen die unglaublich interessante und facettenreiche Geschichte Bad Nauheims wieder ins Bewusstsein zu bringen.

Worauf sind Sie bei Ihrem Einsatz hier bisher stolz?

Stolz bin ich auf das, was wir in den wenigen Jahren trotz aller Hindernisse wie Corona, Staubwolken oder Baustelle im Sprudelhof schon alles hier erreicht haben. Die vergangene Ausstellung beim Jugenstilfest wurde von über 5500 Personen besucht, das ist eine sehr gute Zahl, verglichen mit anderen Museen. Auch auf die sehr positive Resonanz auf das Zeitfenster bin ich stolz und freue mich auf die vielen weiteren Geschichten.

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Moderatorin beim Jugendstilfest vor interessierten Zuhörern. © pv

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