Tränen für die, die im Himmel sind

In den Gruppenstunden des Projektes Lacrima kommen in Bad Nauheim Kinder zusammen, die um ein Elternteil trauern. Nun sucht Lacrima Menschen, die den Trauernden helfen möchten.
Viele Trauerfälle sind liegen geblieben«, sagt Melanie Hinze. Aufgestaut wegen der Pandemie. Jetzt, wo sich die Gesellschaft wieder locker gemacht hat, ist der Bedarf besonders groß, gemeinsam mit dem so gar nicht lockeren Thema Trauer klarzukommen. In einer Gruppe von Menschen, denen Ähnliches widerfahren ist und die eine ähnlich schwere Zeit durchleben. Möglich ist das bei Lacrima, was mit Träne zu übersetzen ist.
Es handelt sich um ein Kindertrauerprojekt der Johanniter mit Gruppen in Bad Nauheim und Frankfurt. Melanie Hinze ist Projektleiterin und Kindertrauerbegleiterin. Aktuell suchen sie und ihr Team weitere Menschen, die sich - ehrenamtlich - in Treffen der Gruppe um die trauernden Kinder und die Eltern beziehungsweise die verbliebenen Elternteile kümmern möchten.
Wenn sich ein Elternteil das Leben genommen hat
In Bad Nauheim gibt es derzeit eine Gruppe, in die Kinder kommen, von denen sich ein Elternteil oder auch ein Geschwisterkind das Leben genommen hat. 15 Kinder und Jugendliche und die verbliebenen Elternteile kommen derzeit zu den Treffen, die alle 14 Tage in der Wilhelmskirche stattfinden. Normalerweise wären sie in der Johanniter-Wache, die wird jedoch derzeit renoviert. »Wir haben da ganz, ganz tolle Räumlichkeiten, die sie uns zur Verfügung stellen«, lobt Hinze den Ersatz-Treffpunkt.
Jetzt im Februar möchte Lacrima eine weitere Trauergruppe starten. Dort wird es um Todesfälle durch Krankheit oder Unfall gehen. Grundsätzlich gilt: Wer erstmals an Lacrima-Treffen teilnehmen möchte, muss sich vorher anmelden, außerdem ist ein Vorgespräch notwendig.
Auch Mobbing ist ein Thema
»Es ist auffällig, dass wir momentan sehr viele Anmeldungen von Jugendlichen haben, in Frankfurt und in Bad Nauheim«, sagt Hinze. Da ist man wieder bei den »liegen gebliebenen« Trauerfällen. Die Pandemie hat mit der Gesellschaft etwas gemacht, und mit den einzelnen Menschen. Gerade auch mit trauernden Kindern. Ihre Angst davor, das verbliebene Elternteil könnte wegen Corona sterben oder sie, die Kinder selbst, könnten das Virus in die Familie tragen, war groß. Verlustängste spielen eine enorme Rolle. Wenn Papa nicht mehr da ist, dann sind die Sorgen um Mama umso größer.
Als wäre das Gewicht von Trauer und Angst nicht schon schwer genug, kann noch Mobbing dazukommen. Kinder werden gemobbt, weil sich ein Elternteil umgebracht hat, weiß Melanie Hinze.
Der Trauerimpuls ist immer dabei
Um die schweren Lasten besser tragen zu können, gibt es die Lacrima-Gruppen, die Mitarbeiter, die sich dort der Gefühle der Kinder und Elternteile annehmen. Und auch die Gemeinschaft der Trauernden gibt Halt. »Der Zusammenhalt geht über Lacrima hinaus, weil sie auf Verständnis stoßen, jemanden kennenlernen, der etwas Ähnliches erlebt hat«, erklärt die Leiterin.
Als die WZ vor einigen Jahren bei einem Lacrima-Gruppentreffen in Bad Nauheim dabei gewesen ist, haben die Kinder einen Friedhof aus Legosteinen gebaut. Und auch sonst geht es nicht nur ums Sprechen. Zum Beispiel wird gemeinsam gekocht, etwas, das der Verstorbene besonders gut gekocht hat. Oder es werden Drachen gebastelt, an denen eine Botschaft befestigt wird. Eine, die aufsteigt in den Himmel, zu dem Menschen, um den das Kind trauert. »Es gibt immer den Trauerimpuls - egal, was wir machen«, sagt Hinze. Es geht auch ums Reden, ums Vertrauen. »Das Schöne ist, dass die Kinder sich den Menschen aussuchen, mit dem sie am liebsten darüber reden.«
Großes Herz und gutes Bauchgefühl
Bei alledem, beim Kreativen, beim Zuhören, beim da sein für die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sind Menschen mit großem Herzen und gutem Bauchgefühl gefragt, wie es Hinze auf den Punkt bringt. Die Helfer müssen mit der schweren Last, die sie tragen helfen, auch selbst klarkommen. Dafür, sagt Hinze, gebe es Supervision und die Reflexionsrunde im Team direkt nach den Gruppentreffen.
Der Themenkomplex Tod und Trauer ist schwer, und doch kann es leichter werden. In der Gemeinschaft der Trauernden und mithilfe von Menschen, bei denen es mit dem von Melanie Hinze erwähnten großen Herzen und dem guten Bauchgefühl passt. »Trauerbegleitung ist, jemanden so zu behandeln wie einen Freund und wie du es von einem Freund erwarten würdest.«
Trauerbegleiter werden
Frauen und Männer, die ehrenamtlich in regelmäßigen Gruppenstunden Kinder, Jugendliche und Elternteile bei ihrer Trauerarbeit begleiten und unterstützen möchten, können sich an Melanie Hinze unter der Telefonnummer 0 69/3 66 00 67 00 oder per E-Mail an lacrima.rheinmain@johanniter.de wenden. Interessenten müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Alle Helfer werden als Trauerbegleiter geschult und vorbereitet und können vorab gerne bei Gruppenstunden hospitieren. Diese finden jeden Dienstagnachmittag in der Wilhelmkirche in Bad Nauheim statt. Im März beginnt die Ausbildung, die sich auf vier Wochenenden in einer Zeitspanne von mindestens zwei Monaten verteilt. Weitere Informationen zur Trauerbegleitung der Johanniter für Kinder und Familien gibt es online unter www.johanniter.de/rheinmain/lacrima.