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Von Köln-Südstadt nach Woodstock und weiter

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Hat viel zu erzählen: Der BAP-Sänger Wolfgang Niedecken berichtet von seiner »Pilgerfahrt« auf den Spuren von Bob Dylan und spielt in der Bad Nauheimer Trinkkuranlage zusammen mit Mike Herting (Piano) Lieder des US-Songwriters. © Jürgen Wagner

Auch mit 82 Jahren ist Bob Dylan noch auf seiner »Never Ending Tour« unterwegs. Wolfgang Niedecken ist ihm nachgereist und begeisterte 1200 Besucher in der Bad Nauheimer Trinkkuranlage.

And it’s a hard rain’s a-gonna fall - Und es wird ein schwerer Regen fallen«, sang Bob Dylan 1963. Als Wolfgang Niedecken am Donnerstagabend auf seiner »Dylanreise« in Bad Nauheim Halt machte, dauerte es keine halbe Stunde, bis sich der Himmel und die Regenschirme öffneten. Es war nur ein kurzes rhythmisches Trommeln. Am Ende eines unterhaltsamen Abends voller Erinnerungen funkelten die Sterne über der Trinkkuranlage und 1200 Besucherinnen und Besucher gingen beseelt nach Hause.

Niedecken, dem man seine 72 Jahre nicht unbedingt ansieht, geht es wie vielen anderen seiner Generation: Bob Dylans Lieder begleiten ihn ein Leben lang, sind wie Wegmarken, wie Kilometersteine, die regelmäßig am Straßenrand auftauchen und uns die Richtung weisen. Schon als Kneipenmusiker spielte Niedecken Dylan-Songs, war fasziniert davon, dass da jemand avantgardistische Poesie mit Folkmusik verschmelzt.

2017 bekam Niedecken die Chance, auf Dylans Spuren zu wandeln. Der Fernsehsender ARTE schickte ihn »im Auftrag des Herrn« für eine fünfteilige Doku quer durch die USA. Davon berichtet er auch in dem 2021 erschienenen Buch »Wolfgang Niedecken über Bob Dylan« aus der Musikbibliothek des Kiepenheuer & Witsch-Verlags. In der Corona-Pandemie, erzählte Niedecken, kam er endlich dazu, alles niederzuschreiben. Es ist weniger ein musikhistorisches als ein persönliches Buch geworden. Niedecken erzählt viel von sich und von seinen Begegnungen mit der Musik Dylans.

Dann kam das Angebot, zum 80. Geburtstag Dylans in der Hamburger Elbphilharmonie einen Abend zu Ehren des Geburtstagskindes zu gestalten, und Niedecken stellte sich die Frage, warum er für nur ein Konzert ein komplettes Programm mit Lesung, Erzählung und Live-Musik zusammenstellen sollte. Also ging er zusammen mit seinem alten Bandkollegen Mike Herting am Flügel auf »Dylanreise«.

Balladeskes Piano, würdiger Gesang

Niedecken begann den Abend mit einer chaotischen Reise in den Süden, die Dylan in »Just like Tom Thumb’s Blues« beschrieb und stellte danach mit »The Times they are a-changin« unter Beweis, dass man Lieder, die schon vor Jahrzehnten an unzähligen Lagerfeuern zersungen und zerschrammelt wurden, mit Würde und ohne falsches Pathos covern kann. Dies auch dank dem voluminösen, balladesken Piano-Spiel von Mike Herting, der noch einige Gelegenheiten hatte, seine Klasse unter Beweis zu stellen.

Mal auf Kölsch, mal im Ortiginal

»Like a Rolling Stone«, »With god on our side«, »One more cup of coffee« - diese und andere Klassiker waren in sparsamen, aber wirkungsvollen Arragements zu hören. Niedeckens rauchiger Timbre verpasst den Songs einen mal qecksilbrigen, mal romantischen Sound. Einige Lieder hat er eingekölscht, andere sang er im Original oder wechselte auch mal während der Strophe. Das ging bei fast allen Songs auf, nur dem »Man in the long black coat« fehlte die mystische Aura des Originals. Dafür durften alle beim gefällig »Mighty Quinn« mitklatschen und mitsingen, und als am Ende »Knockin on heavens door« erklang, bekam Niedecken Unterstützung von einem 1200-köpfigen Chor. Der Kölner Musiker hat viel zu erzählen, man hört ihm gerne zu. Im Buch geht das nicht ganz auf, hier stolpert man durchaus über Plattheiten wie die Zusammenfassung eines Dylan-Konzerts in der Frankfurter Festhalle: »Die Jungs waren in Topform.« Ach was!

Im Konzert stört das weniger, auch weil nach jeder neuen Anekdote, die Niedecken auf seiner USA-Reise erlebte, eine überraschende Coverversion des nächsten Lieds folgt und man froh ist, dass der Flügel die ziemlich wilde Kölsch-Version von »Leopard-Skin Pill-Box Hat« einigermaßen heil überstanden hat.

Eine »Pilgerfahrt zu den Sehnsuchtsorten meiner Jugend« nannte Niedecken seine Dylanreise. Dank der sehenswerten TV-Doku, einer Dreifach-CD-Box, dem Buch und der Tournee kann man diese Reise nachverfolgen und wird dabei auf viele Stationen treffen, die man selbst passiert hat, zumindest im Kopf. Die Sommer-Reihe der Stadt Bad Nauheim endet am 31. August mit dem Auftritt von Götz Alsmann und Band.

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Open Air: Nach einer halben Stunde trommelt es vom Himmel. Dann verziehen sich die dunklen Wolken wieder. © Jürgen Wagner

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