Verlangen nach einem idealen Ort

Bad Nauheim (cf). In eine Orangerie mit Palmen und Bildern hat sich die Rotunde in der Trinkkuranlage verwandelt. Grund dafür ist die aktuelle Ausstellung »Soul Garden« mit Werken von Dénesh Ghyczy. Dieser zeigt seine Bilder auf Einladung des Kunstvereins Bad Nauheim.
Die Gemälde des in 1970 in Diepholz geborenen und heute im niederösterreichischen Rohrau lebenden Künstlers gewähren den Betrachtern Ein-, Aus- und Durchblicke. »Im Fokus der Gemälde von Ghyczy stehen lichtdurchflutete Innenräume, deren oft gläserne Wände sich nahezu aufzulösen scheinen. Fast wirkt es, als würden das Innen und Außen hier miteinander verschmelzen«, informierte Kunstpädagogin Helga Eiffler-Tillmann vom erweiterten Vorstand des Kunstvereins Bad Nauheim. Sie hat die Ausstellung in der städtischen Galerie in der Trinkkuranlage kuratiert und führte das Publikum bei der Vernissage ins Werk des Künstlers ein.
Gezeigt werden in der Rotunde, im Saal und im Wintergarten der Trinkkuranlage 21 Werke des Malers. Er studierte an der Kunstakademie in Amsterdam sowie in Budapest und Brüssel. Gemalt hat er sie überwiegend in Öl und Acryl, auf Leinwand oder auf Karton. Zu sehen sind aber auch Bilder gemalt in Kohle und Acryl auf Karton oder Acryl auf Karton. Alle in Bad Nauheim zu sehenden Werke hat der Künstler von 2021 bis 2023 gemalt. Aufgrund der großen Nachfrage nach seinen Bildern hat Ghyczy einige sogar mit »heißem Pinsel« noch kurz vor der Ausstellungseröffnung fertiggestellt.
Mit seiner atmosphärischen Malweise stehe der Maler in der Tradition des Impressionismus, »wenngleich auch ein expressiver Pinselduktus in seinen Bildern zu erkennen ist«, sagte Eiffler-Tillmann. Die botanischen Gärten, Wintergärten und lichtdurchfluteten Räume seien für den Künstler »Sinnbilder des Verlangens nach einem idealen Ort, den man durchaus als zeitlosen Raum bezeichnen könnte«.
Auf vielen Bildern wirken die Menschen einsam, sind in sich versunken. Sind mehrere Personen abgebildet, dann findet zwischen ihnen kein Sicht-kontakt, keine Berührung oder Kommunikation statt. Obwohl sie von intimen Momenten erzählen und von Augenblicken der Selbstvergessenheit in unserer schnelllebigen Gesellschaft. »Trennt man die Personen durch eine vertikale Kompositionslinie, so entstehen zwei oder mehrere voneinander getrennte Bildebenen.« Der Betrachter muss sich selbst ein Bild davon machen, in welcher Beziehung die bewegungslos dargestellten Personen und diese zu den sie umgebenden Pflanzen und Räumen stehen. »Wiederkehrende Motive in den Bildwelten von Ghyczy sind Menschen, die ins Ich versunken, sich sozusagen einen spirituellen Rückzugsort suchen. Sie fristen in diesen Räumen, abgeschirmt von der Außenwelt, durch die lichtdurchfluteten Glaswände ein scheinbar zeitloses Dasein. Fensterscheiben als Lichtquelle, transparent und trennend in einem.
Hier erkenne man erneut die für diesen Künstler typische Dialektik, sagt die Kunstpädagogin. Durch den Blick des Malers auf die Personen und in seine Seele, versuche er ihre Gedanken und Gefühle zu erspüren, um diese dann im Bild zu visualisieren. »Der Betrachter soll sich selbst beim Betrachten der Bilder spiegeln und über sich selbst reflektieren.« Aus diesem Grund habe der Künstler in seinen Gemälden eine unpräzise Bildwelt entwickelt. »Bei der sich die Darstellung aufzulösen scheint, wie das Abblättern von alten Farbschichten an einer Wand. Alles ist ständig im Wandel, unsere Gegenwart im besonderen Maße von Unsicherheit und Gefahr gekennzeichnet.«
Alleinsein wird zum Luxus
Eine Reaktion könne der Rückzug ins Private sein und dort das Alleinsein als Luxus empfunden werden. In seinen Bildwelten beschäftigt sich der Künstler wiederholend mit der Gegenüberstellung von Mensch und Raum, orientiert sich hierbei am Privaten und einer zeitgenössischen Architektur als idyllischem Rückzugsort.
»Ich habe eine Bildsprache entwickelt, bei der sich die Darstellung aufzulösen scheint«, beschreibt Ghyczy seine Arbeiten selbst.
Inspiration schöpft er dabei sowohl aus realen Eindrücken und Erlebnissen als auch aus der Welt der sozialen Medien, die »eine fiktive Wirklichkeit kreieren«. Der Dualismus von Innen und Außen zieht sich durch die bildlichen Darstellungen und wird über die Wiedergabe von großen Glasfronten verstärkt. Den Arbeiten wohnt ein Spiel von Licht und Farbe inne.
Die Mitglieder des Kunstvereins Bad Nauheim laden Kunstfreunde ein zur Finissage in die Galerie der Trinkkuranlage mit Künstlergespräch für Sonntag, 29. Oktober, um 11 Uhr.


