Vom Bösewicht zum Barden

Gunnar Bolsinger ist Vereinsvorsitzender des Theaters Alte Feuerwache. Wie er den Weg zum Theater gefunden hat und welche Tipps zum Auswendiglernen von Texten er auf Lager hat.
In andere Rollen schlüpfen, jemand anderes sein. »Den Bösewicht oder den Barden überzeugend spielen - das hat einen riesigen Reiz für mich. Das macht mir Spaß«, sagt Gunnar Bolsinger. Er spielt seit über 25 Jahren bei Theaterstücken des Theaters Alte Feuerwache (TAF) mit und dort ist Vereinsvorsitzender.
Sein en Weg zum TAF hat er bereits früh gefunden. In der Schultheater AG an der Ernst-Ludwig-Schule Bad Nauheim war die Geburtsstunde des TAF. Bolsinger war nicht von Anfang an dabei. Ein Theaterstück der Nachwuchsschauspieler habe den 47-Jährigen aber damals überzeugt: »So etwas Interaktives habe ich noch nie erlebt. Die Umsetzung der TAF-ler hat mich gepackt und starkes Interesse geweckt.«
Drang, auf die Bühne zu gehen
Durch seinen Vater, der häufig mit der Gitarre unterwegs war, habe er gemerkt: »Da ist der Drang danach, auf die Bühne zu gehen und zu singen.« Auch wenn er durchaus sehr schüchtern gewesen sei, ergänzt er.
Bei einem Vorsingen an der Schule für das Musical »Oliver Twist« ergatterte Bolsinger die Rolle des Bösewichts Bill Sikes. »Das war keine riesige Rolle, aber sie war markant. Danach kannte mich jeder auf der Schule. Vorher war ich unsichtbar - dann nicht mehr.«
Von da an hatte das Schauspielern den 47-Jährigen fest im Griff. Umwege blieben dennoch nicht aus. So ging er zum TAF für eine Rolle, die Produktion war aber bereits am Laufen. Er hätte nur eine Rolle ohne Text bekommen. Das sei ihm aber »zu blöd gewesen«, und er sei einfach nicht mehr bei den Proben aufgetaucht. »Rückblickend war ich damals ganz schön grün hinter den Ohren«, räumt Bolsinger ein. Im Folgejahr ging er dann wieder zum TAF für einen neuen Versuch. »Ich konnte mir einiges anhören wegen der Aktion aus dem Vorjahr. Aber sie haben mir verziehen. Ich durfte mitmachen.«
MacBeth als erstes Theaterstück
Im Jahr 1999 war es soweit: Bolsinger durfte MacBeth im gleichnamigen Stück von Shakespeare spielen. »Es war meine erste Hauptrolle. Das hat mich damals unglaublich motiviert«, sagt er. Seine heutige Frau hat er durch das Stück noch ein wenig besser kennengelernt. »Sie kam zur Aufführung, dadurch wurde ich noch interessanter.«
MacBeth war 1999 das erste Stück, das das TAF im Badehaus 2 im Sprudelhof aufführte. Diese Spielstätte war 21 Jahre lang das Zuhause des Theaters. Seit 2020 befindet sich die Gruppe in der Trinkkuranlage.
Für sein Hobby geht in der Woche viel Zeit drauf. »Reine Vereinsarbeit nimmt etwa einen Tag pro Woche ein. Wenn wir für ein Stück proben, sind es aber schnell mal drei bis sechs Stunden pro Woche.«
Bolsingers Kindheits-Traumberuf
Tagsüber ist der Vereinsvorsitzende vom TAF in einem ganz anderen Métier unterwegs. Denn Bolsinger arbeitet bei der Sparkasse Oberhessen. Für seinen Job brauche er viel Kreativität. »Das lässt dann diese große Diskrepanz zwischen Bank und Theater wieder schrumpfen.« Denn für seinen Beruf sei es vorteilhaft, ein kulturelles Verständnis zu haben, sagt er. Bolsinger arbeitet in der internen Unternehmenskommunikation. Zu seinen Aufgaben gehört die Pflege des Intranets, das Schreiben von Texten und die Organisation von Events.
Was er als Kind werden wollte, hat weder etwas mit der Sparkasse noch mit dem Schauspielern zu tun. »Ich wollte Bauarbeiter werden. Meine Eltern bauten damals ein Haus. Das war so wie Lego, nur in groß«, erzählt er. Letztlich hat er dann aber doch einen anderen Weg eingeschlagen. Und seine Tochter hat an diesem Weg ebenfalls früh Gefallen gefunden. Sie hat auch schon bei Stücken im TAF mitgespielt.
Texte auswendig lernen
Dieser Weg beinhaltet aber auch, viele Texte für Theaterstücke auswendig zu lernen. »Mir hilft es, zu ergründen, was der Text aussagt. Wo ich mich befinde und was geschieht. Danach folgen die Emotionen«, sagt er. Derzeit proben sie das Stück »Wunderland«, das sehr abstrakt sei. Da sei es bei komplizierten Passagen gut, den Text laut auszusprechen. »Am allerbesten hilft am Ende nach wie vor, drüber zu schlafen.«
Was ihn besonders glücklich macht, ist, wenn Projekte wie die Schultheatertage gut klappen und alle zufrieden sind. Und so wie ihm selbst damals die TAF- Schauspieler eine Chance gegeben haben, sagt der Vorsitzende heute: »Jeder kann gern bei uns im Theater vorbeikommen. Die Tür steht immer offen.«
INFO: Teil 6 der Serie »(Mit-)Menschen«
Jeden Tag begegnen wir Menschen, die uns zwar vertraut sind, die wir aber gar nicht kennen. Ihre Geschichten, Berufe oder Hobbys bleiben uns verborgen. Wir haben uns vorgenommen, das zu ändern. In unserer Serie »(Mit-)Menschen« wollen wir einige dieser Wetterauer vorstellen.