Warum Backwaren teurer werden - nachgefragt in Bad Nauheim

Die Bäcker befinden sich auch in Bad Nauheim in einem Teufelskreis. Wenn Lohn- oder Getreidepreise steigen, spüren das auch die Kunden, wenn sie Stückchen, Brötchen oder Brot kaufen wollen.
Ein Morgenspaziergang auf der Bad Nauheimer Parkstraße. Weil auf der anderen Seite im Sonnenlicht noch eine Bank frei ist, geht es zunächst in die Bäckerei, um ein kleines Frühstück »to go« zu organisieren. Ein Schokocroissant und ein kleiner Milchkaffee sollen es sein. »Gerne«, antwortet die Bedienung hinter dem Tresen und fügt an: »4,80 Euro.« Okay, wir lassen die nostalgische Umrechnung, mit der viele heute noch ihre Zeitgenossen nerven. Nichtsdestotrotz wären das früher fast 10 DM gewesen. Aber es ist auch noch gar nicht so lang her, dass der Amerikaner oder das Puddingstücken 80 Cent gekostet haben. Dann wäre man bei dieser Bestellung vielleicht auf die Hälfte des Preises gekommen. Nun bewegt man sich bei den Stückchen oder Croissants schon meist Richtung zwei Euro, was die meisten Kunden anscheinend aber nicht abschreckt.
Getreidepreise und Löhne steigen
Auch im Herzen der Kurstadt gibt es nach wie vor eine blühende Bäckerei-Kultur. In der Friedrichstraße sieht man Kunden beim Hinnerbäcker ein- und ausgehen, in der Fußgängerzone beim Mack, am Aliceplatz beim Künkel und in der Kurstraße in der Hofbäckerei Mörler. In der unteren Hauptstraße sitzen indes viele im einstigen Cafe »Bienenkorb« - heute Bäckerei Löber - draußen geschützt beim Frühstück. Allerdings hat Monika Löber die Regie längst an ihre Tochter Christine Penow abgegeben, steht ihr aber nach wie vor zur Seite. Beide pilgern aus Echzell nach Bad Nauheim, wo sie ihren Stammsitz haben. Dort ist die Backstube eine denkmalgeschützte Scheune, in der dicke Mauern für ein angenehmes Klima sorgen. Das frühere Scheunentor ist jetzt ein großes Fenster. Und vielleicht spüren die Bad Nauheimer diese Nostalgie, wenn die Brötchen, Weißbrote oder Bisquitprodukte angeliefert werden.
Der Vorgänger musste hier aufgeben, doch Monika Löber zeigt sich nicht unzufrieden mit der Geschäftssituation. Dennoch sagt sie spontan: »Wir leiden einfach alle.« Gründe dafür seien die Getreidepreise, die sich permanent erhöhen, die steigenden Lohnkosten und teure Materialkosten. »Wir sind ja noch eine kleinere Bäckerei. Doch wir müssen auch angemessene Aushilfslöhne bezahlen, um überhaupt Personal zu finden«, erklärt die Echzellerin. Jede Woche, so schätzt sie, werden zehn bis 20 Artikel teurer, die für die Backstube benötigt werden. Extrem sei es bei Zucker und Nüssen, aber auch Butter, Eier oder Mehl kosten oft das Mehrfache. »Uns bleibt es aber wichtig, regional zu handeln und die Anbieter vor Ort zu unterstützen«, betont Monika Löber. »Unsere Erdbeeren kommen ausschließlich aus der Wetterau und unsere Kirschen und Zwetschgen speziell aus Ockstadt.« Derweil besorgt man sich das Mehl aus einer Büdesheimer Mühle.
Den Standort in der Stadt aufgegeben
Was kleine Bäckereien zudem sorgt, ist die Lage in der Welt. Durch die Waldbrände in Kanada seien die Cranberrys teurer geworden, durch den Krieg in der Ukraine das Getreide und durch die Brände in Griechenland die Rosinen. Zudem spüren Bäckereien den Anstieg der Energiekosten für Öl oder Gas extrem. »Dennoch versuchen wir, den Preisanstieg bei unseren Produkten in Grenzen zu halten. Wenn ein Tortenstück bei uns drei Euro kostet, bezahlt man in einer Großstadt oft das Doppelte dafür«, hat Löber festgestellt. Insgesamt bezeichnet sie die Gemütslage der Kunden denn auch als verständnisvoll. »Ob einige ihr Brot letztlich doch im Supermarkt kaufen, weiß ich aber natürlich nicht.«
Unerfreulich hat sich die Lage für Reschad Faqiri entwickelt, der in Bahnhofsnähe die Bäckerei Maar betrieben hat und in Steinfurth eine Filiale in der ehemaligen Metzgerei Michel. Den Standort Bad Nauheim musste er aufgeben und alle Mitarbeiter entlassen. »Die Erhöhung der Lieferantenpreise in den letzten Monaten ist eine Katastrophe«, klagt er, fühlt sich aber mittlerweile wohl in der kleineren Filiale im Rosendorf, wo er im Nebenraum auch einen »Tante-Emma-Laden« betreibt. »Eigentlich hatten tagtäglich auf. Doch weil wir keine Mitarbeiter gefunden haben, müssen wir jetzt montags schließen. Sonst wird es für mich und meine Frau mit zwei Kindern einfach zu viel«, erklärt Reschad Faqiri, der sich preislich in einem Teufelskreis wähnt. »Wenn wir die Stückchen noch teurer machen, kauft sie keiner mehr.« Wenn er die Preise stabil hält, plagen ihn die Rechnungs-Sorgen.