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Wenn Puppen von Generation zu Generation wandern

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keh_boecher9_140223_4c_6 © Nicole Merz

Karin Böcher aus Bad Nauheim hat vor knapp 60 Jahren mit Puppenmöbeln gespielt, die von Onkel und Tante selbst gebaut worden sind. Mittlerweile spielt die vierte Generation ihrer Familie damit.

Karin Böcher zeigt ein Bett aus dunkelbraunem Holz mit helleren Einlegearbeiten. Es gibt dazu passende Nachtschränkchen, die mit grünem Stoff bezogen sind, darüber liegt eine Glasplatte. Der Kleiderschrank ist mit Innentür, Schubladen und Stangen ausgestattet. An ihnen hängen hölzerne Kleiderbügel - im Miniaturformat. Und statt in ihrem Schlafzimmer in Bad Nauheim, hat die 68-Jährige die Möbel auf ihrem Wohnzimmertisch aufgestellt. Es handelt sich nämlich um Puppenmöbel, mit denen Böcher vor etwa 60 Jahren gespielt hat.

»Da hat sich jemand so richtig Mühe gegeben«, sagt Böcher und zeigt auf die Bettwäsche, die mit Hohlsaumstickerei aufwendig verziert ist. Jemand, damit meint sie ihren Onkel Karl und ihre Tante Emma. Die beiden hatten selber keine Kinder und haben die Puppenmöbel und ein dazugehöriges Puppenhaus ursprünglich für die 1926 geborene Adeline - die Schwester von Böchers Vater - handgefertigt.

Zwar waren Onkel und Tante sehr alt, als Böcher ein Kind war, dennoch kann sie sich gut an beide erinnern: »Das waren ganz liebe Menschen.« Böchers Familie stammt aus Frankfurt, erst vor zwölf Jahren ist sie nach Bad Nauheim gekommen. Onkel Karl und Tante Emma wohnten in Sachsenhausen. Dort fertigten sie auch das Puppenhaus und die dazugehörigen Möbel im Stil der Gründerzeit. In ihrer Wohnung und im Gartenhaus im Hinterhof.

Elektrische Beleuchtung

»Das ganze Jahr über haben sie daran getischlert, gesägt, genäht und sie dann zu Weihnachten verschenkt«, sagt Böcher. So zumindest erzählte es ihr Vater, für den es damals einen Pferdestall gab. Das Besondere an Adelines Puppenhaus: In der Wand waren kleine Kabel eingezogen, die Anfang der 30er Jahre schon für eine volle elektrische Beleuchtung sorgten.

»Leider sind Pferdestall und Puppenhaus bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg verbrannt«, sagt Karin Böcher. Die Puppenmöbel allerdings konnten gerettet werden und gingen so, als Böcher etwa zehn Jahre alt war, an sie. Neben den Möbeln für das Schlafzimmer gehörte auch eine Küche mit Herd, Küchenschrank, Tisch, Stühlen und Geschirr dazu. »Dort habe ich immer Haferflockensuppe für meine Puppen gekocht und sie dann selbst gegessen«, sagt Böcher und lacht. »Die esse ich heute noch gerne.«

Kleine Puppen für ihre Möbel hat Böcher von ihren Eltern bekommen. Zu Weihnachten gab es mal ein neues Kleidchen oder eine gestrickte Jacke für die Puppen. Nach Böchers Geburtstag, der kurz nach Weihnachten ist, wurden die Möbel wieder weggeräumt. »Es sollte etwas besonderes bleiben«. Etwa drei Jahre lang hat Böcher mit den selbstgebauten Möbeln gespielt. Mit 13 Jahren hatte sie dann andere Interessen. Mittlerweile, sagt Böcher, spielt nach den Enkeln ihres Cousin ein kleines Mädchen der nächsten Familiengeneration in der Nähe von Stuttgart mit den Puppenmöbeln. »Eine Vier-Generationen-Geschichte sozusagen.«

Böcher ist immer wieder begeistert über die vielen kleinen Details der Arbeit von Onkel Karl und Tante Emma: In den Nachtschränkchen sollen nach den Erzählungen des Vaters Nachttöpfe und Zahnbürsten gewesen sein. Doch: »In fast 100 Jahren geht schon mal etwas verloren.« Zu den Türgriffen hat es einmal Schlüssel gegeben, Bett und Ottomane sind sogar mit kleinen Sprungfedern ausgestattet. »Wahnsinn, was die beiden sich für eine Arbeit gemacht haben!«, sagt Böcher.

Und das, obwohl Karl von Beruf kein Handwerker war. »Das war sein Hobby, und die Tante konnte gut nähen.« Da sie selbst keine eigenen Kinder hatten, sei es ihnen eine Freude gewesen zu sehen, wie sich die Kinder über das Spielzeug freuten. Karin Böcher wiederum freut sich jetzt, dass Onkel Karl und Tante Emma posthum gewürdigt werden.

Gestatten: Georg Bär!

Weitere viele gute Kindheitserinnerungen hat Karin Böcher aus Bad Nauheim an ihren Teddybären: Georg Bär. »Er war wie der kleine Bruder, den ich nie hatte.« Unter der Bettdecke hat sie oft Schiffsreise nach Amerika mit ihm gespielt und ihm ihre Sorgen erzählt. Auch zu Georg gibt es eine besondere Geschichte: Weihnachten 1955 war Böcher noch nicht ganz ein Jahr alt. Ihr Vater habe zu den anderen Gästen gesagt, sie sei noch viel zu klein für Geschenke. »Dann kam er als Einziger mit einem Geschenk, eben jenem Bären, der fast genauso groß war wie ich.« Früher habe er auch gebrummt, doch die Funktion sei mittlerweile kaputt. Er hat arg gelitten, aber wird nach wie vor geliebt, sagt sie. »Wenn das Haus brennt, wäre er das Erste, was ich retten würde. Damals wie heute.«

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keh_boecher1_140223_4c_2 © Nicole Merz

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