»Wir wollen keine Almosen«

Bad Nauheim (pm). Mehr Balance zwischen Versorgungsqualität und adäquater Finanzierung medizinischer Leistungen, zeitnahe Ausgleichszahlungen und ein erforderliches Vorschaltgesetz, damit Krankenhäuser wirtschaftlich nicht in Not geraten. Das sind die Inhalte, die laut den Verantwortlichen von Kerckhoff-Klinik und Gesundheitszentrum Wetterau (GZW) vor der geplanten Krankenhausreform umgesetzt werden sollten.
Seit Dezember wird an den Vorschlägen einer Expertenkommission für eine umfassende Krankenhausreform gearbeitet, die 2024 in Kraft treten soll. Kern der Reform ist die Entwicklung von Leistungsgruppen, die den Krankenhäusern nach Kompetenz, qualifiziertem Personal und medizinischer Ausstattung über die für Krankenhausplanung zuständigen Behörden zugewiesen werden. Diese können entweder aus einzelnen Eingriffen (minimalinvasive Herz-Operationen) oder aus einem kompletten Fachgebiet (Rheumatologie) bestehen.
Der kaufmännische Geschäftsführer der Kerckhoff-Klinik, Matthias Müller, fordert: »Leistungsgruppen sollten bundesweit identisch definiert werden.« Neben den Behandlungsergebnissen solle auch die medizinisch-technische Ausstattung berücksichtigt werden. Die Zuweisung der Leistungsgruppen solle dabei in Hand der Bundesländer verbleiben, um die unterschiedlichen regionalen Versorgungsstrukturen im Sinne der Patienten zu berücksichtigen. »Patienten sollten in die Lage versetzt werden, das qualitative Leistungsniveau der Kliniken zu erkennen.« Aktuell litten die Krankenhäuser unter der fehlenden Refinanzierung steigender Kosten. Denn Inflation und die Nachwirkungen der Pandemie setzten den Kliniken weiterhin zu.
Hinzu kämen die jüngsten Tarifabschlüsse, die für eine nötige Annäherung der Vergütung an andere Branchen sorgten. Das Problem laut Müller: Die Refinanzierung dieser Steigerungen erfolgt im Finanzierungssystem erst mit Verzug von zwei Jahren und dann auch nur anteilig. Der zeitliche Verzug ist einer der wesentlichen Kritikpunkte an der bestehenden Finanzierungssystematik in Krankenhäusern. Das sollte mit der Reform abgeschafft werden. Aus diesem Grund sei es unverständlich, dass die Struktur- und Systemdiskussionen unabhängig von der Klärung einer angemessenen Finanzierung geführt würden. Laut Müller ist kurzfristiges politisches Handeln zwingend erforderlich. Die Krankenhäuser benötigten die finanziellen Mittel, um die Zeit bis zur Umsetzung einer Krankenhausreform wirtschaftlich zu überbrücken.
Am Aktionstag »#AlarmstufeRot - Krankenhäuser in Not«, der am heutigen Dienstag bundesweit stattfindet, beteiligt sich auch die Kerckhoff-Klinik. »Unsere Mitarbeitenden, die die Versorgung der Patienten sichern, fordern klare Signale aus der Politik, dass die Sicherung der Patientenversorgung höchste Priorität hat«, sagt Müller.
Fellermann warnt vor Insolvenzen
Für GZW-Geschäftsführer Dr. Dirk M. Fellermann ist die heute in Berlin geplante Demonstration der bisherige Gipfelpunkt einer ernsten wirtschaftlichen Lage, »die offenbar von vielen in der Politik noch nicht richtig verstanden wurde«. Die Situation der Gesundheitsversorgung in Deutschland sei so schlecht dran wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht, sagt Fellermann. Wie neueste Untersuchungen zeigten, habe sich die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser 2021 dramatisch verschlechtert. Auch 2022 und 2023 bleibe die Entwicklung negativ. Noch dramatischer sei die Prognose für 2024. »In diesem Jahr werden vermutlich 80 Prozent der Kliniken ein negatives Jahresergebnis verzeichnen.«
Entscheidend dabei seien die hohen Personalkostensteigerungen, die nur teilweise refinanziert würden. Schnelle Entscheidungen der Politik seien nötig, um den laufenden »kalten Strukturwandel« zu beenden. »Wir wollen keine Hilfspakete und keine Almosen, sondern die uns gesetzlich zustehende Refinanzierung der durch die Inflation gestiegenen Kosten. 2,3 Prozent Erlössteigerung im Jahr 2022 und 4,3 Prozent 2023 bei gleichzeitig rund 17 Prozent Preissteigerung in diesen beiden Jahren sind völlig unzureichend. Aktuell häufen die Krankenhäuser jeden Monat rund 600 Millionen Euro neue Schulden an, um die Patientenversorgung aufrechtzuerhalten. Das wird nicht mehr lange gut gehen«, warnt Fellermann. Er befürchtet insolvente Kliniken.
Die Investitionsquote sei noch immer viel zu gering, die Situation werde nun verschärft durch die geplante Reform. Diese sehe Strukturanpassungen vor, die zusätzliche Investitionen nötig machten. »Bund und Länder müssen klar benennen, wie die mindestens 25 bis 50 Milliarden Euro aufgebracht werden, die für die Umsetzung der Reform notwendig sind«, so Fellermann.