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Bad Salzhausens Bücherzelle vor dem Aus?

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Vor wenigen Tagen mussten die Organisatoren der Bad Salzhäuser Bücherzelle erst wieder eine Wagenladung alter Bücher, Videokassetten und Schallplatten entsorgen. Das kann auf Dauer nicht so weitergehen. © Elfriede Maresch

Kostenlos Bücher ausleihen können und das zu jeder Uhrzeit - dafür stehen Bücherzellen, auch in Bad Salzhausen. Doch dort wird die Zelle zunehmend als Entsorgungsstation missbraucht.

E igentlich lacht in Bücherzellen jedem Lese-Fan das Herz. Hier gibt es niedrigschwelligen Zugang zum Kennenlernen von Büchern, die Entscheidung, ob man einen Band nur durchblättern will oder ihn interessant genug zum späteren Kauf findet, fällt leicht. Erfahrungen aus Bad Salzhausen zeigen aber, das Modell hat auch Schattenseiten - Bücherzellen sind keine Deponie.

»Über 120 sogenannte Bücherzellen gibt es in Hessen, deutschlandweit fast 1800. Auch an der ehemaligen Justus-Liebig-Therme in Bad Salzhausen entstand aus einer Telefon- eine Bücherzelle«, sagt Dr. Frank Leichthammer. Zusammen mit Wolfgang Pietsch ist er Initiator des Projekts. Im März 2017 richtete man sie ein und los ging’s. Leichthammer und Pietsch fanden Zustimmung und Bücherspender, ein vielseitiger Bestand kam zusammen: Reisebeschreibungen, Krimis, literarische Texte, Science Fiction, Heiteres und Unterhaltsames.

Erst Diebstahl, dann Deponieersatz

Neben Leichthammer und Pietsch kümmern sich Angelika Tümmler und Dirk van Meerendonk um die Gestaltung und Pflege der Bücherzelle. Jeder kann ein Buch ausleihen, es in Ruhe lesen und dann wieder zurückbringen. Ohne Leseausweis, Gebühren oder Kontrolle. Das Projekt entwickelte sich gut. »Aber anscheinend verstand nicht jeder das Prinzip«, klagte Ortsvorsteher Hans-Joachim Schwarz schon nach einigen Monaten. Buchstützen und Bücher waren damals aus den Regalen verschwunden.

Um dem Diebstahl - denn darum handelt es sich - entgegenzuwirken, versahen die Initiatoren die Bücher mit dem Stempel »Bücher-Zelle Bad Salzhausen«. Diese »Gedächtnisstütze« sollte die Ausleiher an die Rückgabe erinnern. Aber die Probleme reißen nicht ab und sorgen für Verdruss bei Initiatoren und Unterstützern. Ein Hinweis an der Tür, dass sich der Raum »allmählich zur Müllhalde unbeliebter Schriftstücke« entwickelt, hält manche Zeitgenossen nicht davon ab, ihre »alten Schinken«, wie es Schwarz beschreibt, einfach stapelweise auf dem Boden der Zelle zu »entsorgen«. »Am 5. Januar stieß ich wieder auf eine solche Deponie in der Bücherzelle, VHS-Kassetten, alte Langspielplatten, mit alten Büchern vollgestopfte Kartons blockierten den Boden. Ich habe mein Auto mit dem Schrott vollgeladen und alles kostenpflichtig auf der Deponie entsorgt«, klagt Leichthammer. Das habe den wilden Einstellern aber wohl Mut gemacht. Vier Tage später haben sie weitere Stapel auf dem Boden oder in die Fächer hineingestopft - eigentlich ist wieder eine Deponiefahrt fällig.

»Diesen Zuständen sind wir allmählich nicht mehr gewachsen. Wenn sich das wiederholt, muss die Bücherzelle geschlossen werden«, teilt Leichthammer mit. Deshalb erneuert der Ortsbeirat ausdrücklich seine Bitte, zusätzliche Bücher nicht eigenmächtig in die Regale zu stellen oder auf den Boden zu legen, sondern Bücherspenden mit Frank Leichthammer und Wolfgang Pietsch abzusprechen.

Konsequentes Annahme-Prinzip

Bessere Erfahrungen hat Inga Stienen-Thurau mit ihrer »Buchhaltestelle« an der Ecke Parkstraße in Geiß-Nidda gemacht, ebenfalls 2017 entstanden. In eine Mauernische ist ein hohes Regal mit acht Fächern eingebaut, vollgepackt mit Büchern, nach Sachgebieten geordnet: Romane, Sach-, Kinder-, Jugend- und Kochbücher sowie Reiseführer. Zwei massive Holztüren schützen diese kleine Bibliothek bei Nacht und schlechtem Wetter. Auf der Innenseite ist das Prinzip der Buchhaltestelle beschrieben: »Ausleihen - Zurückbringen - Tauschen«. Wahlloses Deponieren von Entsorgungsbüchern gab es hier nicht. Vielleicht, weil man die Kartons dann sichtbar auf den Gehweg stellen müsste, vielleicht aber auch wegen Stienen-Thuraus konsequentem Prinzip: »Ich nehme nur Bücher an, die nach 1980 erschienen sind. Andere werden schnell als ›veraltet‹ angesehen. Einzige Ausnahme sind Klassiker, wozu ich auch Werke wie Remarques ›Im Westen nichts Neues‹ oder Hemingways ›Wem die Stunde schlägt‹ zähle.« Ärger gab es allerdings, weil Unbekannte ganze Buchgruppen umstellten und so die klare Einteilung durcheinanderbrachten.

Spielen geänderte Lesegewohnheiten vielleicht eine Rolle? Ellen Lachnit, die Betreiberin des Cafés Zeitlos in Schotten, meint: »Wir habe unsere Buchregale im Café reduziert, die Lust an Lesepausen ließ bei unseren Gästen nach, obwohl manche das auch als ›Gemütlichkeitsfaktor‹ bezeichnen. Andere scheinen eher E-Book-Fans zu sein.« Wie auch immer: Bad Salzhausen hat schon vieles verloren und die Schließung der Bücherzelle wäre ein Minuspunkt mehr.

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