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Arbeitnehmer werden kostbar

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Von: Dieter Deul

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Auf neue Herausforderungen bereitet sich das Berufsförde-rungswerk Frankfurt (BFW) in Bad Vilbel vor. Bei der Feier- stunde zum 40. Geburtstag ging es darum, wie man die Menschen bis ins hohe Alter beschäfti- gungsfähig halten kann. Gefragt sind Kompetenz, Gesundheit und Motivation. Mit den geburtenschwachen Jahrgängen fehlen bald Fachkräfte.

40 Jahre berufliche Rehabilitation – das ist für das BFW kein Anlass, um in Selbstlob zu versinken. Der Vorstandsvorsitzende Karlheinz Reichert sagte den geladenen Vertretern der Rententräger, Arbeitgeber, IHK, anderer BFW und Ministerien zwar, dass von Bad Vilbel aus die deutsche Reha-Landschaft maßgeblich geprägt worden sei. Er kam dann aber gleich auf die Zäsur zu sprechen.

Mit den Hartz-Gesetzen brachen ab 2005 „30 Prozent der Anmeldungen über Nacht weg“, weil die Arbeitsagenturen ausstiegen. Die Neuausrichtung förderte die individuelle Rückkehr in neue Berufe: mit Lernunternehmen im Haus und als Dienstleister für Rehabilitanden, Unternehmen und Rententräger zu fungieren. Aktuell finden 74 Prozent der BFW-Absolventen dauerhaft eine neue Stelle.

Potenziale heben

Doch der Wandel wird sich beschleunigen. Was das BFW heute schon macht, wird in der künftigen Arbeitswelt bald zur Voraussetzung für erfolgreiche Personalpolitik. Grund ist der demografische Wandel, erläuterte Professorin Jutta Rump. Sie leitet das Ludwigshafener Institut für Beschäftigung und Employability (Beschäftigungsfähigkeit), berät die Bundesregierung zur Familienpolitik und sitzt in der Innovationskommission des hessischen Kultusministeriums. Dass es immer mehr Ältere gebe, sei eine langfristige Entwicklung in den Familien. Bis 2040 sei die Entwicklung absehbar. Deutschland altere neben Japan weltweit am schnellsten, „alle zwei Jahre um ein Jahr“. Liege der Altersdurchschnitt heute bei 47, so steige er bis 2030 auf 54 Jahre an. Die Konsequenz: längere Lebensarbeitszeiten „oder Produktionsfortschritte von fünf bis zehn Prozent jährlich“, kalkuliert Rump.

Schon jetzt seien Lehrstellenbewerber ein knappes Gut, dieses Jahr gab es im Rhein-Main-Gebiet bis zu zehn Prozent weniger, auf dem Land bis zu 40 Prozent, so Rump. Sie leitet aus diesen Trends die Forderung ab, es gelte jetzt „Potenziale zu heben“ – sprich: Menschen dauerhaft fit für den Arbeitsmarkt zu machen: Mütter nach der Elternzeit, ältere Mitarbeiter, junge Berufsanfänger. „Personalmanagement wird zum strategischen Erfolgsfaktor.“ Dabei sei die jetzige, kleiner gewordene Generation Y schon anspruchsvoller, achte auf Sinnhaftigkeit und soziale Balance. „Aber sie sind künftig auch 50 Jahre auf dem Arbeitsmarkt unterwegs.“

Neuanfang mit 60

„Berufsförderung wird ein strategischer Baustein in der Arbeitswelt“, so Rump. Auch ältere Beschäftigte müssten gefördert werden. „Warum nicht mit 60 noch eine qualifizierte Berufsförderung?“, stimmte Thomas Hild-Füllenbach zu, Vorstand der Deutschen Rentenversicherung in Hessen.

Ältere lernten nicht weniger, aber anders. Statt des raschen Aneignens neuen Wissens, das bis 25, 30 Jahren greife, gebe es „kristallisierte Kompetenz“, Erfahrungswissen. In Frankfurt sei der Fachkräftemangel noch nicht so gravierend, sagte Ralf Geruschkat, Chefvolkswirt der IHK-Frankfurt, zumal die Stadt wöchentlich um 300 Einwohner wachse. Doch schon in Grävenwiesbach finde ein Betrieb, der Kurbelwellen für die Formel 1 herstelle, keinen Maschinenbauer mehr. Nachwuchssorgen machte sich auch Peter Weißler von der Geschäftsführung der Regionaldirektion Hessen der Arbeitsagentur.

Aktuell gebe es zehn Prozent weniger Haupt- und Realschulabgänger. Es sei eine Aufgabe, auch diese Jugendlichen beruflich zu begleiten. Ein weiteres Aufgabenfeld für berufliche Reha: Bei sehr vielen Erkrankungen spielten psychosomatische Beschwerden inzwischen eine Rolle, so Hild-Füllenbach. Das sei die Folge von Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung, Konkurrenz im Job und besserer Diagnostik.

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