Der Arbeitsmarkt in Vilbel boomt

Die Arbeitslosigkeit in Bad Vilbel und der Wetterau nimmt weiter ab. Einen ihrer Schwerpunkte richtet die Arbeitsagentur in diesem Jahr auf Flüchtlinge. Aber nicht nur die sollen speziell gefördert werden.
Für den heimischen Arbeits-, Ausbildungs- und Stellenmarkt hat Eckart Schäfer, Leiter der Arbeitsagentur Gießen, jetzt eine Bilanz für 2016 veröffentlicht. „Im abgelaufenen Jahr hat sich der Arbeitsmarkt in Mittelhessen vorwiegend positiv entwickelt“, sagt Schäfer. „Trotz manch politischer und wirtschaftlicher Turbulenzen im Ausland ist die Zahl der Arbeitslosen weiter gesunken und die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gestiegen. Zudem bewegt sich die Zahl der unbesetzten, gemeldeten Stellen weiterhin auf einem sehr hohen Niveau.“
Bestes Beispiel dafür ist Bad Vilbel, die hiesige Arbeitsagentur weist mit Abstand den besten Wert im Vergleich der vergangenen beiden Jahre auf. Waren 2015 noch 1060 Menschen als arbeitslos gemeldet, so waren es im nun abgelaufenen Jahr nur noch 959. Das bedeutet einen Rückgang um 9,5 Prozent, mehr als doppelt soviel wie in Gießen und Friedberg (minus 3,9 Prozent) sowie Büdingen (-4,7 Prozent). In Lauterbach lag der Rückgang bei 5,1 Prozent.
Frauen profitieren stärker
Beim Ausblick auf 2017 ist Schäfer verhalten optimistisch: „Auch wenn wir mit einigen Herausforderungen rechnen müssen, blicke ich positiv nach vorn. Die konjunkturellen Aussichten sind gut, internationale Krisen werden voraussichtlich nur geringe Auswirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt mit sich bringen. Wir müssen uns aber auf mehr Menschen mit Fluchthintergrund auf dem Arbeitsmarkt einstellen. Dadurch wird auch die Anzahl der Arbeitslosen steigen. Gleichzeitig gehen wir von einer weiter steigenden Zahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus.“
Im Bezirk der Agentur für Arbeit Gießen waren 2016 im Jahresdurchschnitt 18 839 Menschen arbeitslos gemeldet. Dies sind 637 weniger als 2015. Die Arbeitslosenquote sank im Jahresmittel um 0,2 auf 5,3 Prozent.
Wie bereits ein Jahr zuvor konnte erneut ein nennenswerter Anstieg bei den Stellenzugängen verzeichnet werden. Der Arbeitsagentur Gießen sowie den Jobcentern in Gießen und der Wetterau meldeten Arbeitgeber im abgelaufenen Jahr 22 137 neue sozialversicherungspflichtige Stellen. Dies waren 2463 Arbeitsstellen oder 12,5 Prozent mehr als 2015. Der Bestand an offenen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsstellen lag im Jahresschnitt bei 6066 Stellen. Gegenüber dem Vorjahreswert ist dies ein Anstieg um 1010 Stellen oder satten 20 Prozent.
In den Landkreisen Gießen, Wetterau und Vogelsberg hat sich die Arbeitslosigkeit 2016 ungleich entwickelt. Während im Landkreis Gießen und der Wetterau die Arbeitslosigkeit weiter sank, ist die Zahl der Erwerbslosen im Vogelsbergkreis gestiegen. Im Wetteraukreis ist die Zahl der Arbeitslosen 2016 im Jahresdurchschnitt gesunken. 7485 Personen waren erwerbslos gemeldet. Dies entsprach einem Rückgang zum Vorjahr um 389 Menschen. In der Wetterau waren es vorwiegend Ältere und Langzeitarbeitslose, die von der Entwicklung profitierten. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote sank um 0,3 Prozent auf 4,6 Prozent.
Nach Geschlechtern betrachtet, hat sich die Situation gleichermaßen positiv entwickelt. „Dabei haben Frauen stärker profitiert“, schildert Schäfer. In der Region waren 2016 im Jahresschnitt 10 532 Männer arbeitslos gemeldet, 158 weniger als im Durchschnitt von 2015. Dies entspricht einer Quote von 5,6 Prozent bei den Männern. Im gleichen Zeitraum waren 8307 Frauen im Jahresschnitt erwerbslos gemeldet, 479 weniger als 2015. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Erwerbslosenquote von 4,9 Prozent.
Die Zahl der über 50-jährigen Erwerbslosen ist 2016 durchschnittlich um 134 gesunken. Danach waren 6490 Ältere im Jahresschnitt arbeitslos gemeldet. Dies entspricht einer Quote von 5,5 Prozent, 0,3 Prozent niedriger als noch ein Jahr zuvor.
Die Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen unter 25 Jahren aber ist 2016 gestiegen. „Dies ist mitunter auf den Zuzug junger Geflüchteter zurückzuführen“, erklärt Schäfer. Zum Jahresabschluss lag die Quote bei 5,1 Prozent, 0,1 Prozent höher als vor einem Jahr. Dies entspricht 1937 jungen arbeitslosen Menschen, 56 mehr als 2015.
Auch in den nächsten Jahren ist mit einem weiter steigenden Fachkräftebedarf zu rechnen. Für offene Stellen, für die gewisse Qualifikationen notwendig sind, sind bereits jetzt häufig nur schwer passende Arbeitnehmer zu finden. „Den Übergang von der Schule zur Ausbildung und in den Beruf zu gestalten, wird auch zukünftig eine der größten Herausforderung bleiben. Viele Jugendliche stehen dem Ausbildungsmarkt nicht zur Verfügung, da sie einen höheren Schulabschluss anstreben oder noch nicht die nötige Ausbildungsreife haben. Die demografische Entwicklung verschärft diese Situation zusätzlich“, skizziert Schäfer.
Anlaufstellen geschaffen
Und er ergänzt: „Langfristige und abschlussorientierte Qualifizierung von Erwerbslosen, Arbeitssuchenden und Beschäftigten wird durch die Arbeitsagentur weiter vorangetrieben und unterstützt. Das lebenslange Lernen soll zum Standard werden.“
Der Zuzug geflüchteter Menschen nach Deutschland und ihre Integration stellt die Arbeitsagentur vor Herausforderungen. Unverändert bleibt die wichtigste Hürde für die Geflüchteten der Spracherwerb. Anfang Januar haben deswegen die Arbeitsmarktbüros in Gießen, Friedberg und Lauterbach ihre Arbeit aufgenommen. Sie wurden für Flüchtlinge und ehrenamtliche Begleiter als erste Anlaufstelle eingerichtet, um Asylbewerber zu beraten und zu orientieren. „Diese Dienstleistung wurde sehr gut angenommen“, schildert Schäfer.
Arbeitsmarktbüros sind Anlaufstellen, in denen praktisch und schnell koordinierte Hilfen und Entscheidungen aus unterschiedlichen und sehr komplexen Rechtsgebieten geboten werden können. Menschen mit entsprechenden Qualifikationen sollen hier entdeckt und koordiniert in eine Beschäftigung gebracht werden. Geringqualifizierte werden über Chancen informiert und schrittweise an den Arbeitsmarkt herangeführt.
„Angesichts der vielen offenen Stellen am Arbeitsmarkt fragen sich viele, ob Flüchtlinge, die jetzt nach Deutschland zugezogen sind, diese Lücke schließen können. Bei den Zuwanderern, die sich bei den Agenturen und Jobcentern arbeitslos melden, scheint die große Mehrheit keine formale Qualifikation entsprechend unseres Bildungssystems zu haben. Wichtig ist es jedoch, den Blick auf die Kompetenzen, Erfahrungen und Potentiale zu richten, die diese Menschen mitbringen. Viele Menschen, die heute als Flüchtlinge zu uns kommen, sind also oft nicht die Fachkräfte von morgen, sondern eher von übermorgen“, bilanziert Schäfer die aktuelle Situation.
Auf dem Ausbildungsmarkt sieht die Arbeitsagentur positive Entwicklungen, aber auch einige Herausforderungen. Im Bezirk der Arbeitsagentur Gießen wurden von September 2015 bis Oktober 2016 insgesamt 4979 Bewerber aufgenommen und beraten. Dies ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 170 Jugendliche. Bis zum Ende des Berechnungszeitraums waren 281 junge Menschen noch unversorgt. Diese Zahl wurde durch eine Nachvermittlungsaktion nochmals reduziert.