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„Bin freier Mensch“

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Nach 14 Jahren verlässt Ulrich Rabl das Stadtparlament. Der Massenheimer Ex-Bankdirektor hat sich mit Expertenwissen in Sachen Kommunalfinanzen und beharrlichen Nachfragen nicht nur Freunde gemacht. Nun möchte er seinen Ruhestand genießen. Auch der Abschied von der Grünen-Fraktion fiel leicht, denn dort hat sich ein nicht ganz harmonischer Generationswechsel vollzogen.

Im Stadtparlament galt Ulrich Rabl mit seinen beharrlichen Nachfragen über Haushaltspositionen und Stadtwerke-Beteiligungen sowie der Forderung nach Akteneinsicht besonders für einige CDU-Stadtverordnete regelrecht als Störenfried. Immer wieder ist es im Parlament zu Wortgefechten gekommen. Besucht man Rabl heute, wirkt er entspannt. Fürs Foto möchte er keine Akten mit aufs Bild nehmen, sondern sich ausgeruht aufs Sofa setzen: „Ich bin ein freier Mensch!“

Das hätte er früher haben können. In die Politik verschlug es Rabl erst nach seinem Berufsleben – wie schon zuvor seine Frau Hannelore. Er war zuletzt Direktor der Berliner Bank in Frankfurt, habe früher mit der SPD sympathisiert, aber für Engagement habe die Zeit gefehlt.

Im Ruhestand suchte Rabl nach einer neuen Aufgabe, fand sie 2002 mit dem Eintritt in die Grünen und ins Stadtparlament mit seinem Faible für Zahlen in Ausschüssen wie dem Haushalts- und Finanzausschuss und der Betriebskommission der Stadtwerke. Eigenkapital, Bilanzentwicklung und Quartalsberichte sind für ihn spannende Dokumente.

Doch „ich wollte schon in der vorigen Legislaturperiode aufhören“, erinnert sich Rabl (71). Damals kandidierte er auf einem hinteren neunten Platz – „aber dann kam Fukushima“. Sein Interesse galt fortan Fragen wie „Wie funktioniert der Haushalt einer Kommune? Wer bestimmt über Firmenbeteiligungen? Wie transparent ist die Finanzpolitik der Stadt?“ Als Erfolg verbucht Rabl ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Parlamentarier jetzt schon nach Magistratsvorlagen Akteneinsicht verlangen könnten. Das gelte nun hessenweit als geltendes Recht, weil der Begriff „laufende Geschäfte“ präzisiert worden sei.

Millionen-Rechnereien

Anlass war ein Pachtvertrag für das damals geplante Stada-Hochregallager auf dem Gelände der heutigen Europäischen Schule, der für 99 Jahre laufen sollte – ohne dass das Parlament hätte Einsicht nehmen können. Auch die Entwicklung des Kombibads verfolgt er mit Sorge. Waren dafür zunächst 85 Millionen Euro kalkuliert, so rechnete Rabl schon im Juni 2014 mit 100 Millionen Euro, was im November 2015 offiziell bestätigt wurde. Am Ende, orakelt Rabl, könnten es auch 120 oder 150 Millionen werden. Auch die Kostensteigerung bei der Bibliotheksbrücke von sieben auf elf Millionen Euro habe er schon ein Jahr zuvor prognostiziert.

„Ich habe immer meine Meinung gehabt und sie vertreten“, betont Rabl. Die daraus folgenden heftigen Diskussionen sieht er heute gelassen: „Wer austeilt, muss auch einstecken können.“ Mehr noch als die CDU/FDP-Stadtregierung hadert er derzeit mit der neuen Grünen-Führung um Clemens Breest, den er nur „den Pastor“ nennt. Dort werde ein „Schmusekurs“ gegenüber der CDU-Mehrheitsfraktion gefahren, doch sei der groß angekündigte „Neustart“ angesichts von 15 Prozent weniger Stimmen „nicht so toll gelaufen“. Andererseits gebe es in Bad Vilbel keinen Nährboden für Parteien wie die AfD und die NPD, „das ist eine sehr demokratische Stadt.“

Doch um die Kommunalpolitik möchte sich Rabl künftig nicht mehr kümmern, einzige politische Verpflichtung ist noch sein Verwaltungsrat-Mandat in der Sparkasse Oberhessen. Und zwei Senioren, für die Rabl seit geraumer Zeit als ehrenamtlicher Betreuer zuständig ist – damals noch über die Friedberger Nachbarschaftshilfe.

Notruf aus USA

Künftig will sich Rabl vor allem mehr Zeit für die Familie und die bald fünf Enkel nehmen. Seien alle während der vergangenen Legislaturperiode geboren worden, erzählt er schmunzelnd. Weil eine der beiden Familien in Washington lebt, gab es schon den Notruf: „Unser Kindermädchen ist krank“ und die Rabls sind 24 Stunden später in den USA gelandet. Dafür haben sie künftig mehr Zeit.

Auch Hannelore Rabl verlässt nach 19 Jahren das Parlament, tritt auch im Massenheimer Ortsbeirat nicht mehr an. Allerdings behält sie ihr Grünen-Kreistagsmandat. Und Ulrich Rabl erspart sich Grübeleien über versteckte Finanzaktionen: „Ich schlaf’ jetzt nachts viel besser.“

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