Bürger sollen Zahlenkolonnen verstehen
Wie kann der städtische Haushalt für die Bürger (be-)greifbar werden? Wie kann das, was eine Kommune an Geld der Bürger ausgibt, sinnvoll und leicht verständlich dargestellt werden? Diese und andere Fragen soll ein sogenannter interaktiver Haushalt beantworten. Doch darauf werden Bad Vilbeler wohl noch etwas länger warten müssen.
774 Seiten umfasst der aktuelle Doppelhaushalt der Stadt Bad Vilbel für die Jahre 2017 und 2018. Im aktuellen Nachtragshaushalt, der meist unvorhergesehene Ereignisse berücksichtigt, werden auf noch einmal 214 Seiten die Zahlen angepasst.
Was bei ehrenamtlichen Stadtverordneten schon ein hohes Maß an Engagement und Gehirnschmalz erfordert, ist für den Normalbürger meist ein Buch mit sieben Siegeln. Damit will die SPD jetzt Schluss machen. Sie stellte in der jüngsten politischen Runde den Antrag, sich dem interaktiven Haushalt zuzuwenden.
„Höchst deprimierend“
Ein solcher Haushalt bietet Grafiken und Tabellen für eine bessere Übersicht über den städtischen Haushalt an. Zudem besteht die Möglichkeit, zwischen dem Gesamthaushalt und den einzelnen Produktgruppen zu wechseln. So will die SPD verschiedene Plattformen prüfen lassen, die zur Darstellung des Haushaltsjahres 2019 für die Stadt Bad Vilbel geeignet wären. Sie führt dazu die Firmen „EOpinio“ und IKVS (Interkommunale Vergleichssysteme) an.
Co-Fraktionsvorsitzender Carsten Hauer fordert in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses, der Haushalt müsse für die Bürger greifbarer werden. Auch für die Stadtverordneten sei das Zahlenwerk nicht immer leicht zu verstehen. Hauer bezieht sich auf die Stadt Hofheim, die einen solchen interaktiven Haushalt über eines der beiden Systeme eingestellt habe. Bad Vilbel solle nun prüfen, mit welchen Systemen ein solches Programm zur Darstellung des städtischen Etats kompatibel wäre.
Jörg-Uwe Hahn (FDP) allerdings führt an, dass er sich in seiner Zeit als Hessischer Justizminister einmal einen solchen Haushalt zeigen lassen. Die Reaktionen der Bürger darauf seien „höchst deprimierend“ gewesen. „Die Bürger interessieren nur einige konkrete Dinge, aber nicht der Gesamthaushalt.“ Er selber müsse aber zugeben, auch keine Idee zu haben, wie man die Bürger für den städtischen Haushalt interessieren könne.
Damit könnte Hahn Recht haben. Denn ein Praxistest in einem der beiden Systeme zeigt, dass man zwar sehen kann, wie viel die jeweilige Stadt etwa für den Bereich Kinder, Jugend und Familie ausgibt. Es geht auch noch einige Klicks weiter in die Tiefe. Wie viel Geld die Kommune aber nun exakt etwa für den Betrieb eines Jugendhauses ausgibt, ist nicht zu erfahren. So bleibt es nur beim Überblick. Immerhin aber gibt es ein Lexikon, das Begriffe erläutert.
Neues System
Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) weist im Ausschuss auch darauf hin, dass die Kämmerei bereits damit befasst sei, ein neues Finanzprogramm auszuwählen. In den Jahren 2020/21 müsse die Stadt sowieso umstellen. Deshalb wäre es schwierig, „jetzt mit etwas Neuem zu starten“. Möglicherweise biete das neue Programm aber eine übersichtliche Darstellungsweise an.
CDU, Freie Wähler und FDP lehnen den Antrag ab, die Grünen enthalten sich. Deren Fraktionschef Jens Matthias attestiert der Stadt: „Sie machen das mit der Darstellung des Haushaltsplanes schon jetzt sehr ordentlich.“ Im Parlament sagt dann der SPD-Fraktionschef, dass er den Antrag noch immer als interessant erachtet: „Transparenz halte ich für eine gute Sache.“ Trotzdem stellt er nach Stöhrs Ankündigung den Antrag zurück, wartet nun auf das neue System.