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Fahren ohne Fixkosten

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Wer ein Auto nur kurz leihen will, findet in Bad Vilbel gleich fünf Standorte für Carsharing von zwei Anbietern. Wie das mit Familie oder in der Firma funktioniert, erzählen zwei Nutzer.

Als Wulfhard Bäumlein bereits 1998 genauer auf den Tacho seines VW Polo schaute, kam er ins Grübeln. Weil er auch oft mit Bahn, Bus und Rad unterwegs war, kam er nur auf 2000 Kilometer im Jahr. Dafür war ihm das Auto zu teuer, und er warb beim Frankfurter Carsharing-Anbieter Stadtmobil um einen Vilbeler Stellplatz, der im Oktober 2011 schließlich am Südbahnhof entstand.

Damit erfüllte sich auch ein Antrag, den die Genossen im Juni jenen Jahres ins Parlament eingebracht hatten. Mit 15 Nutzern startete das Angebot. Im Januar 2016 kam an der Frankfurter Straße / Friedrich-Ebert-Straße ein zweiter Standort hinzu, nachdem derzeit 56 Nutzer angemeldet sind.

Bäumlein, der 1991 auch den Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) in Bad Vilbel mitbegründet hatte, ist mit der Mobilitäts-Alternative immer noch zufrieden. Seit es den zweiten Standort gebe, sei in Bad Vilbel immer ein Auto verfügbar, „vorher hat es manchmal geklemmt.“ Doch Carsharing ist etwas anderes als ein Leihwagen. Bezahlt wird stundenweise und nach Kilometern. „Jeden Tag zur Arbeit fahren lohnt sich nicht, man muss schon etwas bewusster mit dem Autofahren umgehen“, sagt Bäumlein.

Aber es lohne sich, wenn sperrige Sachen zu transportieren sind oder für den Ausflug zum Rodeln in Oberreifenberg, erzählt Bäumlein. Der Vorteil sei, dass man für jeden Zweck ein Fahrzeug buchen könne, etwa den Neunsitzer zum Kindergeburtstag. Seine elfjährige Tochter Sonja erinnert sich auch an die Sache mit den kranken Meerschweinchen, das sei zwar nicht planbar gewesen, aber es musste trotzdem schnell gehen. Oder die Fahrt zur Reitstunde, „da muss ich nicht mehr so zur Bahn hetzen.“

Außerdem sei Carsharing gut fürs Klima, weil weniger Autos unterwegs seien. Laut Studien ersetze ein Carsharing-Auto sieben bis neun private Fahrzeuge. Und Kinder, die mit dem Auto zur Schule gefahren würden – „das ist einfach uncool“, findet das Mädchen.

Einfache Anwendung

Für Vater Wulfhard Bäumlein zählt aber auch der finanzielle Aspekt. Nur 750 Euro gebe er im Jahr fürs Autofahren aus – und darin ist alles bis hin zur Tankkarte inklusive. Es gebe keine Fixkosten mehr. Er rechnet aus, eine dreistündige Fahrt nach Heldenbergen und zurück mit 34 Kilometern komme auf 17 Euro. Der Ausflug zur Oma nach Hünfeld schlage bei acht Stunden mit 85 Euro zu Buche.

Für sie ist das Auto jedoch nur eine Alternative, meist fahren sie auch Bus oder Bahn. Bis 10 000 Jahreskilometer lohne sich das, verweist Martin Franke, der Geschäftsführer von Stadtmobil, auf eine ADAC-Aussage. Außerdem können die Nutzer das Stadtmobil-Angebot in Frankfurt an über 60 weiteren Stationen und bundesweit mit circa 4000 Carsharing-Fahrzeugen nutzen. In Bad Nauheim waren es vor zwei Jahren 15 Nutzer, jetzt sind es 60, ein zweites Auto kam hinzu.

Ein Pluspunkt des Carsharings ist die einfache Nutzung. Hat man sich als Nutzer registriert, fallen bei Stadtmobil im günstigsten Tarifs nur 30 Euro für die Aktivierung und zwei Euro pro Fahrt, 17 Cent pro Kilometer und 2,60 Euro pro Stunde an. Das Buchen funktioniert übers Internet, auch mobil. Man sucht den nächsten Standort aus, bucht ein Fahrzeug. Eine Chipkarte, an das Lesegerät hinter der Windschutzscheibe gehalten, wird vom Bordcomputer registriert, er öffnet die Zentralverriegelung. Dann braucht man nur noch das Handschuhfach zu öffnen, mit einem Pin-Code den Autoschlüssel aus der Halterung zu nehmen – und schon kann man losfahren. Die Kosten werden monatlich abgebucht.

Nach Unfall interessant

Bäumlein ist mit dem Angebot zufrieden, er wünscht sich aber, dass die Stadt aktiv für Carsharing werben soll. Immerhin gibt es in Bad Vilbel keine Hürden wie in Frankfurt, wo Stadtmobil Stellplätze für 150 Euro im Monat mieten müsse, wie Franke klagt.

Zufrieden ist auch Daniel Müller, der das Carsharing-Angebot des Ford-Handlers Auto Jörg betreut. Der hat bereits 100 Nutzer und drei Standorte: am Nordbahnhof, dem Parkhaus Niddaplatz und in der Bahnhofsstraße 53 in Dortelweil. Einer seiner Firmenkunden ist Norbert Ott von der benachbarten Clientas-Unfallhilfe. Auch er schätzt die hohe Flexibilität und die überschaubaren Kosten. Das lohne sich etwa für Klienten, die bei unklarer Haftung nach einem Unfall noch auf den Leihwagen warten oder anreisten, um mehrere Ärzte vor Ort zu konsultieren. Aber auch bei einem neuen Mitarbeiter, dem man vor Ende der Probezeit noch keinen neuen Firmenwagen bestellen müsse, schildert Ott.

Und wenn man bei Carsharing von einem auf den anderen Tag buche, sei das billiger, weil nicht tageweise abgerechnet werde, sondern nach Stunden. Ein Ford Ka koste im günstigsten Tarif 19 Cent pro Kilometer und 2,30 Euro pro Stunde, die Registrierung 49 Euro, zählt Müller auf.

20 Nutzer hat Ford in Bad Vilbel schon – und 20 nutzbare Fahrzeuge. Allerdings sei Carsharing bei Auto-Jörg kein eigener Geschäftszweig, „wir wollen den Markt beobachten“, sagt Müller. Und damit auch ein bisschen für Autokäufe werben. Trotzdem nutzt der Händler auch Gelegenheiten wie die Nachbarschaft zu einem Baumarkt, wo man ebenfalls einen Stellplatz für einen weiteren Wagen plant.

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