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Den Glauben neu entdecken

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In der evangelischen Christuskirche in Bad Vilbel ging es beim zweiten Themen-Abend Islam in die nächste Runde: Mit dabei war dieses Mal auch ein muslimischer Theologe, dem die Besucher Löcher in den Bauch fragen durften. Auch Mitglieder der Bad Vilbeler Ditib-Gemeinde sind gekommen.

Ähnlich viele Besucher und Interessierte wie beim ersten Themen-Abend zum Islam vergangene Woche haben sich erneut im Gemeindesaal der Christuskirche eingefunden. Das ist kaum verwunderlich, schließlich soll dieses Mal, nach der inhaltlichen Einführung der Woche zuvor, diskutiert werden, wie der Islam in Deutschland und der Welt wahrgenommen wird: als Bedrohung, Bereicherung oder einfach als Herausforderung?

Referent des Abends ist der islamische Religionswissenschaftler Selçuk Dogruer, der unter anderem in Damaskus (Syrien) islamische Theologie studiert hat und die Muslime im Frankfurter Rat der Religionen vertritt. Auch Pfarrer Andreas Herrmann, Referent des ersten Abends, ist wieder mit dabei.

In der Opferrolle

Gemeindepfarrer und Moderator Klaus Neumeier eröffnet die Gesprächsrunde mit einer Bitte an die Referenten: Jeder soll eine seiner Lieblingsstellen aus der Bibel oder dem Koran nennen. So können die Anwesenden gleich zu Beginn einer Rezitation von Dogruer aus dem Koran lauschen, der die Sure 49, Vers 13 gewählt hat: „O, ihr Menschen, wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt.“ Respektvolle Stille herrscht, während Dogruer die Zeilen auf Arabisch vorträgt.

Im weiteren Verlauf des Abends wird Dogruer noch häufig aus dem Koran zitieren – meistens, um weit verbreitete Irrtümer aufzuklären und Fragen der Anwesenden zu beantworten. Diese beziehen sich nicht selten auf das Thema Gewalt und Kampf. Dazu betont der Theologe: „Die Texte, die einen defensiven Krieg oder Kampf erlauben, sind immer situativ und nicht universell, außerdem muss man sie im historischen Kontext sehen.“ Die entsprechenden Stellen würden von Extremisten beispielsweise in Syrien missbraucht, um einen Kampf zu legitimieren – weil sie sich selbst in der Opferrolle sehen wollten. „Die Mehrheit der Muslime teilt das nicht“, erklärt Dogruer.

Auch auf den Anschlag auf das Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ kommt er zu sprechen. Sicherlich hätten er und viele andere Muslime manche Karikaturen als geschmacklos empfunden, dennoch: „Man darf nicht das Böse mit etwas noch Böserem bekämpfen!“

Religion am Tiefpunkt

Deshalb habe man auch zu einer bundesweiten Mahnwache aufgerufen. „Muslime haben natürlich Sinn für Humor, dennoch gibt es gefühlt dort Grenzen, wo es ins Intime geht“, sagt er, angesprochen auf die Empfindlichkeit der Muslime in Sachen Religion. „Die weitgehende Stimmung war aber, dass die Anschläge absolut ungerechtfertigt waren.“

Eine Aussage lässt die Besucher aufhorchen. „Die islamische Welt erlebt zurzeit ihren Tiefpunkt“, sagt er. Der Islam müsse eine Antwort auf die Moderne finden und das aufholen, was er verpasst habe – vor allem müssten die Muslime ihre eigene Religionen neu entdecken.

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