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Die Straßen freibekommen

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Von: Thomas Kopp

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Das Bild in Bad Vilbel gleicht wohl jenem in vielen Städten der Republik: Fährt man durch Wohngebiete, findet man vor allem morgens und abends kaum freie Parkplätze. Dagegen will die Stadt nun vorgehen. Mit einer neuen Stellplatzordnung. Die soll sich den aktuellen Begebenheiten anpassen. Für Häuslebauer bedeutet das, dass sie mehr Parkflächen auf ihren Grundstücken einrechnen müssen.

Beim Rundgang durch Dortelweil-West ist schnell festzustellen, dass die Straßen oft zugeparkt sind, meist durch Anwohner. „Es gibt zu viele private Autos und zu wenig private Stellplätze – dieses Missverhältnis ist seit Jahren bekannt“, stellt dazu SPD-Chef und Ortsbeiratsmitglied in Dortelweil Rainer Fich fest.

„Die Zahl der Familien mit zwei bis drei Autos dürfte immer mehr zunehmen, weil dort nun viele junge Menschen den Führerschein erwerben und durch ein Auto noch selbständiger werden wollen“, befürchtet sein Ortsbeiratskollege Michael Wolf. Im Ortsbeirat angestoßen hatten das Thema die Grünen. Doch eine neue Regelung soll nun für die ganze Stadt gelten.

Denn die Stadtregierung – der Magistrat – hatte das Thema einer neuen Stellplatzsatzung in seiner jüngsten Sitzung auf der Tagesordnung. Die alte Satzung ist gültig seit 1998 und wurde zuletzt 2010 in Teilen geändert. „Die Novellierung stand also weit oben auf der Agenda“, sagt Erster Stadtrat Sebastian Wysocki (CDU), der die Novelle vorgelegt hatte, um Druck aus dem öffentlichen Parkraum zu nehmen.

„Die Änderungen waren nötig, um sich den veränderten Bedingungen im Straßenverkehr sowie beim Wohnungsbau anzupassen. Das erklärte Ziel ist es, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, die aus einem überhöhten Fahrzeugaufkommen auf öffentlichen Verkehrsflächen, hier dem Parkraum, resultieren können“, erklärt Wysocki.

Die neue Satzung regelt, dass künftig bei Mehrfamilienhäusern pro Wohneinheit zwei Stellplätze nachzuweisen sind. Bislang musste man beim Bau eines Mehrfamilienhauses nur 1,5 Stellplätze nachweisen. Diese Regelung gilt für alle Gebiete, in denen es keine abweichenden Festsetzungen in einem Bebauungsplan oder der Anlage zur Satzung gibt.

Wenige Ausnahmen

„Die Faustregel ist denkbar einfach: Je mehr Stellplätze auf den Baugrundstücken vorhanden sind, desto weniger Autos parken im öffentlichen Raum. Wir müssen hierbei die gesellschaftliche Entwicklung bedenken, wonach viele Familien deutlich mehr als ein Auto besitzen“, beschreibt Wysocki.

Ebenfalls neu geordnet wird die Zufahrt von einer öffentlichen Verkehrsfläche auf ein Grundstück, das mehr als drei Stellplätze vorhält. Hier muss laut neuer Satzung eine zentrale Auffahrt angelegt werden. Generell gilt, dass jeder Stellplatz einzeln anfahrbar sein muss. Bei Einfamilienhäusern gibt es jedoch generell die Möglichkeit, Stellplätze hintereinander anzuordnen.

Neu definiert ist auch die Stellplatzbreite, die auf 2,50 Meter ausgeweitet wird. „Diese Änderungen orientieren sich an den veränderten Gegebenheiten beim Bauen, aber auch beim Verkehr und den größeren Breiten der Fahrzeuge. Gerade die zentrale Zufahrt bei mehr als drei Stellplätzen und die neu festgelegte Stellplatzbreite sind Reaktionen auf diese Entwicklungen“, schildert Wysocki.

Sollten Bauherren die nötige Anzahl von Stellplätzen nicht vorhalten oder errichten, so ist es nach wie vor möglich, diese Stellplätze gegen Geld abzulösen. Doch das soll deutlich schwerer werden als bisher. Dazu erklärt Stadtsprecher Yannick Schwander: „Wir befinden uns in einer Zeit, in der viele schon lange bebaute Grundstücke neu bebaut werden sollen.“ Dort soll nun die Ablöse verhindert werden, indem der Investor oder Architekt von vornherein die neue Stellplatzordnung berücksichtigt.

Trotzdem soll die Ablöse möglich sein, etwa für gewerbliche Einrichtungen wie eine Gastronomie. Diese Befreiungen sollen allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen möglich sein. „Schwander: Das wird je nach Einzelfall beurteilt.“

Die Berechnung der Ablösesummen orientiert sich an den Grundstückskosten plus Herstellungskosten und einem festgelegten Faktor, der sich an unterschiedlichen Gebieten orientiert, erklärt Wysocki. Die Grundstückskosten ergeben sich aus einem angenommenen Bedarf von 25 Quadratmetern pro Stellplatz, der mit dem jeweiligen Bodenrichtwert pro Quadratmeter vervielfältigt wird. Die Herstellungskosten für einen Stellplatz setzt die neue Satzung auf durchschnittlich 2500 Euro fest. Bei einem Bodenrichtwert von 500 Euro werden so für einen wegfallenden Stellplatz 15 000 Euro fällig.

Ebenfalls neu in der Satzung ist eine Regelung für Seniorenwohnanlagen in der Form des betreuten Wohnens. Weil auch hier immer mehr ältere Menschen noch über ein Auto verfügten, sollen pro Wohneinheit 0,5 Stellplätze – und diese barrierefrei – vorgesehen sein.

Parkhaus möglich

Aus Sicht der SPD ist der öffentliche Personennahverkehr in Dortelweil attraktiv genug, um auf weitere Autos in der Familie zu verzichten. Auch die Nutzung des Fahrrades sei eine gute Alternative zum Kraftfahrzeug, wenngleich der Radwegebau in und um Dortelweil zu langsam vorangehe, meint die SPD.

Sie bringt weitere Anregungen ein: So sollen größere Wohnhäuser über eine Tiefgarage verfügen. Außerdem könne man mit Eigentümern von Großparkplätzen wie Firmen und der Europäischen Schule über private Nutzungen nachdenken. Hier könne die Stadt vermittelnd tätig werden, zumal die Eigentümer so noch Geld verdienen könnten. Auch für einen Hessentag sei ein derartiges Konzept sinnvoll.

Doch das bezeichnet Schwander als schwierig. Die Firmenparkplätze seien entweder direkt an Büros angebunden, so bei First Data, oder von den meisten Wohnhäusern weiter entfernt, so bei der Europäischen Schule. Ausschließen wolle die Stadt hier nichts. Doch zunächst soll sich zeigen, ob die neue Stellplatzordnung Erfolg zeigt.

Was Tiefgaragen bei größeren Neubauprojekten angeht, so könnte diese Idee bei dem Stadtwerkebau in Dortelweil-West in Frage kommen, wo bald 75 Wohnungen entstehen sollen, davon 25 Sozialwohnungen. „Eine Tiefgarage wäre möglich, aber dazu gibt es mehrere Ideen“, sagt Schwander.

Das gilt auch für eine weitere Alternative, die die SPD ins Spiel bringt: Ein Parkhaus. „Dazu gab es schon Überlegungen in der Stadtverwaltung, ein ausgereiftes Konzept können wir aber noch nicht vorlegen“, sagt Schwander.

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