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Wenn Schulden krank machen

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Schulden machen krank und Krankheit macht Schuldner: Derzeit findet bundesweit die Aktionswoche der Schuldner- und Insolvenzberatungen statt. Dem Thema der Woche kann sich die Awo Bad Vilbel nur anschließen.

Selbst nimmt Rainer Fich, der erste Vorsitzende der Awo Bad Vilbel, keine Schuldnerberatungen mehr vor. Doch er tauscht sich intensiv mit Ursula Bergmann und Jacques Indemans, den Teamleitern der Schuldnerberatung, aus. „Hier höre ich von den immer wieder gleichen Geschichten“, sagt er.

Denn oft, so Fichs Erfahrung, habe Krankheit etwas mit Verschuldung zu tun: „Entweder verschuldet man sich durch Krankheit, oder man wird durch Schulden krank.“

Mit dem etwas komplizierten Satzkonstrukt „Schulden machen Krank- heit macht Schuldner“ bieten viele Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen Veranstaltungen und Aktionen an, um vor Ort auf die Thematik aufmerksam zu machen und Öffentlichkeit, Gesellschaft und Politik zu sensibilisieren. „Wir werden in Bad Vilbel keine besonderen Aktionen anbieten, fordern aber Betroffene nach dem Grundsatz ,Nur Mut‘ auf, rechtzeitig unsere offenen Sprechstunden zu besuchen“, schildert Fich.

Das Angebot der Awo wird angenommen: Die Zahl der Schuldner, die sich 2015 an die Awo-Schuldnerberatung mit acht Beratern aus Bad Vilbel und zwei aus Karben gewandt hat, ist leicht angestiegen. In etwa 80 persönlichen Beratungen und etwa 95 Telefonanrufen im vergangenen Jahr zeigte sich für die Bad Vilbeler Schuldenberater immer wieder: „Der Trend zum Schuldenmachen ist nach wie vor groß.“

Hilfe zur Selbsthilfe

So sind statistisch zehn Prozent aller Hessen verschuldet. Erkrankung, Sucht oder ein Unfall sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mittlerweile Hauptauslöser für mehr als jede zehnte Überschuldung in Deutschland. Daraus folgen weitere Probleme.

Bei jungen Leuten schlagen vorwiegend die Handykosten und überzogenes Konsumverhalten zu Buche. Doch auch Arbeitslosigkeit, Scheidungen, Trennungen und Neuanfänge sind neben der Krankheit viele Gründe. Bei Geschäftsleuten werden die Steuern fürs Finanzamt oft völlig unterschätzt.

Um erst gar nicht in die Schuldenfalle zu geraten, bietet die Awo-Schuldnerberatung kostenlose offene Beratungssprechstunden in Bad Vilbel und Karben an, zu denen jeder ohne Terminabsprache kommen kann. In vertraulichen Gesprächen werden die Situationen individuell analysiert und Empfehlungen zur Problemlösung gegeben, um wieder heraus aus den roten Zahlen zu kommen. Immer zwei Berater sind anwesend.

„Wir verfolgen hier den Ansatz der Hilfe zur Selbsthilfe“, erläutert Fich. Meist setzen wir bei der Haushalts- und Budgetberatung an, um die Katastrophe zu verhindern. In Ausnahmefällen übernehmen wir aber auch den kompletten Fall“, schildert er.

Problematisch sei es aber, wenn es um Prozesse gehe, die einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Es gebe schon einige, die sich später wieder meldeten, um gemeinsam zu prüfen, wie die Zielvereinbarungen umgesetzt wurden, was finanziell erreicht wurde. „Doch über 50 Prozent kommen nur einmal, wir wissen nicht, ob aus dem Erstgespräch konkrete Handlungen erfolgt sind. Das ist leider Tagesgeschäft“, bedauert Fich.

Seit dem Jahr 2004 besteht die Awo-Schuldnerberatung in Bad Vilbel. Sie ist mit ihren ehrenamtlichen Beratern, alle Rentner mit fundiertem kaufmännischem Wissen, hervorragend aufgestellt.

Hemmschwelle ist hoch

Das Team der Awo-Schuldnerberatung wird bereits seit sechs Jahren von Bergmann und Indemans geleitet, es kommen Schuldner aus dem ganzen Wetteraukreis in die Sprechstunden. Fich lobt die Kooperation mit beiden Städten: Sowohl Bad Vilbel als auch Karben stelle kostenfrei Räume für die Beratung zur Verfügung.

Die Hemmschwelle, eine Schuldnerberatung aufzusuchen, sei nach wie vor für viele Menschen hoch. Viele Schuldner warteten zu lange, dann sei das Kind oft schon in den Brunnen gefallen.

Fich kann nur immer wieder ermutigen, falsche Scheu und Scham abzulegen, denn je früher man den Schuldenkreislauf stoppen könne, umso besser sei es. Selbst mittellose Schuldner können mit Hilfe eines Beratungsscheins, der beim Amtsgericht erhältlich ist, eine Rechtsberatung bekommen.

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