Der Gesellschaft etwas zurückgeben

Ilka Jörger, alleinerziehende Mutter von Zwillingen, verlor während Corona ihre Stelle und musste für einige Zeit von Hartz IV leben. Inzwischen hat sie hat sie sich selbstständig gemacht.
Bisher hat Ilka Jörger alle Herausforderungen in ihrem Leben gemeistert - und auch in dunklen Stunden immer wieder an sich selbst geglaubt. Mit ihrer Geschichte will sie anderen Mut machen.
Beruflich hatte die gebürtige Dortelweilerin Ilka Steul ein klares Ziel vor Augen. Nach dem Abitur in Frankfurt-Sachsenhausen verließ sie die Wetterau Richtung Norden zum Studium nach Hamburg. Dort schrieb sich die 19-Jährige im Fachbereich Kulturwissenschaften ein, um Kulturanthropologie und Romanistik zu studieren. »Nach der Zwischenprüfung habe ich mein Studium geschmissen und eine Ausbildung zur Floristin gemacht. Beim Jobben in einem Blumenladen hatte ich gemerkt, dass das Studium mich nicht ausfüllt und ich lieber etwas mit meinen Händen arbeiten möchte.«
Floristik statt Studium
Nach der erfolgreich abgeschlossenen Lehre stieg sie bei einer Freundin in deren Laden in der Hansestadt mit ein. Nach vier Jahren packte sie das Fernweh und sie flog nach Kanada, um auf Vancouver Island gegen Kost und Logis für Worldwide Opportunities on Organic Farms (WWOOF) in einem Biobetrieb als Floristin zu arbeiten. Nach neun Monaten flog sie für einen Urlaub zurück nach Deutschland und kehrte nicht mehr zurück. »Ich habe eine Stelle in einer Maintaler Event-Agentur als Floristin angeboten bekommen. Das hat mir gut gefallen, war sehr abwechslungsreich.« Nach sieben Jahren entschied sie sich, eine Yoga-Ausbildung in Darmstadt zu machen. »Ich habe mich immer wieder gefragt, wie ich eigentlich leben will.« Nach der Yoga-Ausbildung fand sie wieder eine Stelle als Floristin in der Event-Branche und wurde Mutter von Zwillingsmädchen. »Coronabedingt wurde meine Stelle gestrichen. Ich war für einige Zeit gezwungen von Hartz IV zu leben.«
In dieser schwierigen finanziellen wie emotionalen Situation suchte sie erneut Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und wie sie künftig arbeiten möchte. »Ich bin seit 22 Jahren Floristin und habe viele Erfahrungen in Blumenläden, im Event-Bereich, im Botanischen Garten und in einer Wildstauden-Gärtnerei gesammelt«, berichtet die 43-Jährige. Zudem wollte sie ihr Können in Gruppenarbeit und ihr Wissen aus dem Yoga in ihre Arbeit einfließen lassen.
Um für ihre Töchter da zu sein, nahm sie allen Mut zusammen und entschied sich dafür, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Sie fand in Dortelweil Gewerberäume, die Platz für einen schönen Werkstatt-Raum im Keller und einen kleinen Laden im Erdgeschoss boten. Es vergingen einige Monaten mit Planung und Umbau. »Ich habe aus dem ehemaligen Büro einen kleinen Laden gemacht und ein Schaufenster zur Straße hin einbauen lassen. Jetzt bin ich seit Oktober 2022 mit meinem Projekt und Blumenladen »Blühen & Sein« selbstständig.«
Ein Ort für Begegnungen
Draußen vorm Laden hat die Jungunternehmerin einen Ort für Begegnungen und Gespräche geschaffen. Der von Donnerstag bis Samstag geöffnete Laden und ihr Workshop-Angebot an den ersten drei Tagen in einer Woche wurde sehr gut angenommen. Neben Blumen und Pflanzen, Vasen, Körben und Töpfen finden auf der kleinen Verkaufsfläche auch Kunstwerke jünger Künstler sowie Geschenkartikel einen Platz. Ilka Jörger ist Partnerin von Plastikfrei e. V., da sie keine Steckmasse mit Mikroplastik verwendet, sondern auf Pflanzenfaserbasis. »Bei mir gibt es auch Fairtrade-, Bioprodukte und ein regionales Angebot von Bauernhöfen und Betrieben aus Oberrad, Kaichen und Bad Vilbel. Ich habe mit dem Dottenfelderhof eine Kooperation im Bereich Bioblumen abgeschlossen.«
Neben ihrem Geschäft hat sie auch ihren Wunsch, sich sozial zu engagieren, weiterverfolgt. »Ich gebe im Laden Workshops und Kreativkurse mit Naturmaterialien und Blumen. Wer mit diesen arbeitet, findet Ruhen und seine Mitte.« In Kitas und auch in Frankfurter Altersheimen bietet sie Bastelnachmittage an.
»Inzwischen stehe ich so glücklich im Leben und in dem Bewusstsein, dass ich der Gesellschaft für ihre Hilfe in meiner schwierigen Zeit etwas zurückgeben möchte. Mir geht das Herz auf, wenn Kunden kommen und ihren Einkauf mit einem Gespräch verbinden. Kürzlich konnte ich den Kontakt zwischen einer ratlosen Mutter und einer Nachhilfelehrerin vermitteln. Meine Arbeitslosigkeit hat sich im Nachhinein zu etwas Gutem entwickelt.«