Ein Crashkurs fürs Leben

Rund 130 Schülerinnen und Schüler des Bad Vilbeler Georg-Büchner-Gymnasiums haben beim Zukunftstag die Möglichkeit, sich in den Bereichen Steuern, Finanzen, Krankenkassen und Wohnen mit Experten auszutauschen. Mit dabei war auch der hessische Kultusminister und Schirmherr des Zukunftstags, Alexander Lorz.
M it einem Twitter-Zitat fing alles an. Lorenzo Wienecke und Juri Galkin sind gemeinsam auf einer Party unterwegs. »Es war nicht einmal eine gute«, erinnert sich Galkin und lacht. Die beiden - damals noch Schüler - unterhalten sich über einen Post in den sozialen Netzwerken. »Ich bin fast 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen.« Mit diesem Post geht eine junge Schülerin vor einigen Jahren viral. »Wir haben uns angeguckt und gemerkt, dass das stimmt«, berichtet Wienecke. Die beiden nehmen sich vor, das zu ändern. »Machen statt meckern«, sagt Wienecke. Sie gründen die Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung und riefen 2019 den Zukunftstag ins Leben.
Ökonomische Bildung
Was an einer Schule in Kassel beginnt, ist eine echte Erfolgsgeschichte. Inzwischen wird der Projekttag jedes Jahr an Hunderten Schulen in ganz Deutschland veranstaltet. 2022 fanden zudem erste Projekttage in Österreich statt, in diesem Jahr folgt die Schweiz. »Dieses Jahr sind mehr als 400 geplant«, berichten die Gründer. Am gestrigen Donnerstag waren sie und ihr Team in Bad Vilbel zu Gast. Weil die Aula am Georg-Büchner-Gymnasium allerdings erst in der kommenden Woche eingeweiht wird, wichen die etwa 130 Schülerinnen und Schüler der elften Klasse ins benachbarte Berufsförderungswerk aus. Jeder Zukunftstag besteht aus vier Workshops: Steuern, Finanzen, Krankenkassen und Wohnen. Schulleiter Carsten Treber sagt: »Es ist wichtig, die Schüler auf diese Themen vorzubereiten.«
Und so geben an diesem Morgen zahlreiche Referenten einen »Crashkurs fürs Leben«, wie die beiden Gründer den Zukunftstag auch bezeichnen. Michele Ridente von der Deutschen Bank nimmt die Schüler mit in die Themen Geldanlage, Inflationsrate und Leitzins. Gemeinsam erarbeitet die Gruppe, was der Deutsche Aktienindex ist und warum »Aktien nichts abstraktes« sind.
In Städten Thema Wohnen wichtig
Nur einen Raum weiter nimmt Immobilien-Expertin Mara Lynn Langebartels ihre Gruppe mit in die Welt des Wohnens. Was steht in einem Mietvertrag? Was darf eine Vermieterin oder Vermieter überhaupt fragen bei der Besichtigung?
Lorenzo Wienecke und Juri Galkin haben festgestellt, dass Finanzen und Wohnen die beiden Themen sind, die die Schüler am meisten interessieren. »Gerade in Großstädten wie Frankfurt, Berlin und München und der unmittelbaren Umgebung der Städte geht es oft darum, wie man denn eine Wohnung findet und vor allem, wie man diese auch bezahlen kann.«
Die beiden Gründer des Projekttages wollen an dieser fehlenden ökonomischen Bildung arbeiten. Besonders gravierend finden es die beiden, dass dieses Wissen maßgeblich von der sozialen Herkunft abhängt. »Wir sind deshalb der Überzeugung, dass jeder Jugendliche mit seinem Schulabschluss auch Grundlagenwissen in den vier Themenbereichen des Zukunftstages - Finanzen, Steuern, Miete und Krankenkassen - erhalten haben soll«, sagt Wienecke. Galkin ergänzt: »Unabhängig davon, ob er auf einem Gymnasium oder der Hauptschule ist.«
Mit dabei ist an diesem Morgen auch der hessische Kultusminister und Schirmherr des Zukunftstags, Alexander Lorz. »Erfahrungen aus der Praxis sind sehr wichtig«, führte er aus. »Die Schule kann Euch leider kein Handbuch in die Hand drücken.« Einen speziellen Tipp hatte der Kultusminister dann aber mit einem Augenzwinkern doch noch parat: »Auch wenn es in dieser Phase des Lebens schönere Dinge gibt, fragt ruhig mal Eure Eltern. Die haben sich mit all diesen Dingen schon auseinandergesetzt.«