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Erinnerungen an jüdisches Leben in Vilbel

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Von: Niklas Mag

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Die Naturfreunde nehmen sich Zeit, um die Stolpersteine zu säubern. © Niklas Mag

Bad Vilbel (nma). In Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz hat der jüdische Weltkongress zur Kampagne »WeRemember« (wir erinnern) aufgerufen. Auch die Bad Vilbeler Naturfreunde beteiligen sich und luden am Donnerstag zu einer Führung durch die Quellenstadt, um mehr über das Leben der Vilbeler Juden vor der NS-Zeit zu erfahren.

Marlene Schröder-Greim ist prädestiniert für die Thematik, denn die erfahrene Stadtführerin leitet seit vielen Jahren historische Führungen durch die Quellenstadt. Sie begrüßt die Teilnehmer vor dem jüdischen Friedhof in Bad Vilbel. »Für mich als alte Vilbelerin ist das kaum nachvollziehbar, was vor rund 80 Jahren hier geschehen ist«, beginnt sie und spricht damit den Holocaust an, der auch viele Bad Vilbeler Juden Hab und Gut und auch das Leben gekostet hat.

Aus Religionsschule wurde Synagoge

Seit mindestens 1660 leben Juden in Vilbel, erzählt die Stadtführerin. Der heutige Wasserweg, die damalige Judengasse, war zu diesen Zeiten noch der Stadtrand Vilbels. »1793 baten die Juden darum, eine Religionsschule eröffnen zu dürfen, die 1813 in eine Synagoge verwandelt wurde. Es gab also zu dieser Zeit eine aktive jüdische Ortsgemeinschaft in Vilbel.« Hinzu kam der Wunsch einer Begräbnisstätte, für die die Juden eine Umzäungserlaubnis bekamen. 1901 waren hier etwa 110 Menschen begraben.

Jüdischer Friedhof ist Kulturdenkmal

»Der Platz wurde zu klein, weshalb die evangelische Gemeinde 1914 für rund 71 Mark einen anliegenden Streifen Land an die jüdische Gemeinde verkaufte«, fährt Schröder-Greim fort. Der Friedhof ist normalerweise abgeschlossen, doch die Führungsteilnehmer dürfen diesen ausnahmsweise erkunden. Der Friedhof wurde nach der NS-Zeit wieder hergerichtet. »Direkt nach dem Krieg wurden NSDAP-Aktivisten dazu verpflichtet, den von den Nazis geschändeten Friedhof wieder aufzuräumen.« Der Vilbeler Rafael Zur - vor einigen Jahren verstorben - hatte später viele Grabsteine ausfindig gemacht und mit viel Zeitaufwand und Überzeugungskraft erreicht, dass die Toten hier wieder angemessen ruhen können und der jüdische Friedhof mittlerweile ein Kulturdenkmal ist.

Weiter geht es zum Gerberbrunnen an der Nidda. Wenn dieser auch sehr modern anmutet, verweist er auf eine lange Gerber-Geschichte. »Die Vilbeler Juden waren lange Zeit Viehhändler. Hier an der Nidda hatten die Lohgerber ihre Trockenhallen«, erzählt Schröder-Greim. Aus historischen Dokumenten lässt sich ableiten, dass es den jüdischen Händlern in Bad Vilbel nicht einfach gemacht wurde, sesshaft zu werden. »1738 wurde festgelegt, dass Juden 200 Reichstaler einbringen müssen, um in der Stadt zu bleiben. Außerdem mussten Juden jährlich zehn Florin Schutzgeld bezahlen. Das war viel Geld«, weiß die Stadtführerin. An christlichen Festtagen mussten die Juden zudem in der Judengasse bleiben und durften am Sabbat niemanden zur Hilfe bitten, außer die sogenannten Sabbatfrauen.«

Wenn es um die Geschichte der Bad Vilbeler Juden geht, müssen auch die Stolpersteine in der Frankfurter Straße erwähnt werden. »Wenn die Namen immer wieder gelesen werden, werden die Menschen nicht vergessen. Das ist der Gedanke dabei«, beschreibt Schröder-Greim. Die Stolpersteine sind in ganz Europa als goldene Pflastersteine in den Boden vor den Häusern eingelassen, aus denen Juden in der NS-Zeit verschleppt wurden. Da die Steine durchgehend der Witterung ausgesetzt sind, verlieren diese im Laufe der Zeit Glanz. Deshalb nehmen die Naturfreunde sich am Ende der Führung die Zeit, die Steine wieder zum Vorschein zu bringen. Mit Stahlwolle und einer speziellen Putzpaste müssen die Naturfreunde teilweise stark schrubben, doch sind die Steine im Boden nun wieder deutlich auffälliger und die Namen besser lesbar.

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Marlene Schröder-Greim berichtet den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unter anderem von der Geschichte des Vilbeler Friedhofs. © Niklas Mag

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