In die närrische Zeit gestartet

Die Rufe »Bad Vilbel Helau« vor dem Alten Rathaus verkünden es lautstark: Für die Karnevalisten ist landauf, landab die sogenannte fünfte Jahreszeit angebrochen. Das gilt natürlich auch für die Bad Vilbeler Narren vom 1. Bad Vilbeler Karnevalsverein »Fidele Sandhasen«.
K urz vor 11 Uhr am Samstag, 11. November, bewegte sich ein Umzug vom Vereinslokal »Hasenstall« in der Frankfurter Straße zum historischen Rathaus auf dem Marktplatz und hisste dort mit einem dreifach donnernden »Helau« die Fahne der Fidelen Sandhasen in den Farben Weiß, Rot, Gelb und Blau. Pünktlich um 11 Uhr 11 gaben anschließend Bürgermeister Sebastian Wysocki gemeinsam mit seinem Stellvertreter, Erstem Stadtrat Bastian Zander, und Stadträtin Ricarda Müller-Grimm sowie der Sandhasen-Ehrenpräsidentin Margot Hilling und dem Sandhasen-Präsidenten Jürgen Liehr das Startzeichen für das närrische Treiben in den kommenden Wochen vor dem historischen Rathaus.
Zum Bedauern der Vereinsspitze fehlte auch in diesem Jahr das Kinderprinzenpaar. »Und das trotz intensivster Suche. Wir haben inzwischen zwar schon wieder viel Jugend im Verein. Aber auch von ihnen will sich keiner zum Prinzen oder zur Prinzessin küren lassen«, verrät Vereinspressesprecher Horst Hilling. Rund 130 Mitglieder zählt der Verein heute. Vor etwa 50 Jahren waren es schon einmal 400 Mitglieder.
Vereinsname mit historischem Bezug
Doch wie kam der Verein überhaupt zu seinem Vereinsnamen »Fidele Sandhasen«. Da muss Hilling sehr weit ausholen. Vor 150, 200 Jahren hatten einige Vilbeler Bürger die gute Idee, feinkörnigen Sand aus ihrer Sandgrube nach Frankfurt zu bringen und diesen dann dort als Scheuersand zu verkaufen. Weil dies immer nur an bestimmten Tagen erfolgte und die Vilbeler dann auch immer in einer Gruppe erschienen, hatte sich schnell bei den Frankfurtern der Ruf breitgemacht: »Seht, da kommen die Vilbeler Sandhasen wieder.« Das haben die Vereinsgründer der Fidelen Sandhasen dann aufgegriffen und daraus ihren Vereinsnamen geformt.
Doch zurück zum 11.11., warum wurde gerade dieses Datum zur Eröffnung der fünften Jahreszeit gewählt? »Ganz einfach«, lacht Hilling und muss nicht lange nach einer passenden Antwort suchen: »Weil es eine Schnapszahl ist und die Narren deshalb außer Rand und Band sind.« Nach mittelalterlicher Vorstellung ist die Elf die Zahl der Maßlosigkeit, eine teuflische Zahl. Während die Zehn für das mit den Händen noch Fassbare und die zehn Gebote Gottes steht, übersteigt die Elf das Normale.
Bei der Wiederbelebung des Kölner Karnevals Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Elf als Zahl interpretiert, welche die Gleichheit aller Menschen unter der Narrenkappe symbolisiert. Alle Menschen seien gleichberechtigt und selbstständig, sozusagen eins neben eins. Unter dem Einfluss der Französischen Revolution von 1789 wurde die Elf auch als eine Zusammenfassung der Forderungen des französischen Bürgertums verstanden: E wie Égalité, L wie Liberté und F wie Fraternité (Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit). Sicher ist, dass der Elfte im Elften seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Art Vorstufe des Karnevals ist und die Eröffnung der neuen Session darstellt.
Tag, an dem Lohn ausgezahlt wurde
Nach einer anderen Deutung ist der 11. November der Tag, an dem in früheren Zeiten die landwirtschaftlichen Betriebe bis zum nächsten Frühjahr ihre Feldarbeit einstellten. Die Knechte und Mägde auf den Höfen bekamen an diesem Tag den Lohn für ihre Arbeit ausgezahlt und feierten mit dem Geld ein großes Fest. Die einfachste Erklärung für die Vorliebe der Narren zur Zahl Elf ist, dass die Elf eine »Schnapszahl« sei und ihr häufiges Vorkommen am Elften im Elften gebührend gefeiert werden müsse.
Für den echten Karnevals-Jecken ist der Ursprung jedoch egal. Er will am 11.11. die Ordnung in der Verwaltung gegen stürmisches Feiern austauschen. Und so nahm es auch die Rathausspitze auf. »Die Elf, das ist die Narrenzahl, da bleibt dem Bürgermeister keine Wahl. Ab 11.11. gnadenlos, schreibt man den Frohsinn wieder groß«, räumte Wysocki in seiner Ansprache vor dem Alten Rathaus ein. Für diese Erkenntnis und die Bereitschaft, mitsingen und mitschunkeln zu wollen und sich dabei an den fliegenden Beinen der Gardeschar erfreuen zu wollen, bekamen er und seine beiden Beigeordneten auch die ersten Karnevalsorden in dieser nun beginnenden Session. Verbunden allerdings mit dem Hinweis, dass man in Bad Vilbel überall nur Baustellen sehe und dass die Sandhasen sich etwas mehr Tempo bei der Fertigstellung des Kurhauses wünschten
Anschließend zog die muntere Schar fröhlich singend gemeinsam in das Alte Rathaus. Schließlich musste der Beginn der fünften Jahreszeit ja auch gebührend gefeiert werden.
