Mit Gespür für Formen und Farben

Bad Vilbel (cf). Zu den Zielen des »Tags der offenen Töpferei«, der inzwischen bereits zum 18. Mal stattfand, gehört es, Leute auf Keramik aufmerksam zu machen. Was mit 22 Keramikern in drei Bundesländern an einem Tag begann, ist inzwischen auf mehr als 500 Töpfer in allen Bundesländern angewachsen und auf zwei Tage ausgedehnt worden.
Hessen ist seit dem Jahr 2016 und die Vilbelerin Karin Ostendorf zum vierten Mal dabei. Sie stellt in verschiedenen Techniken Keramiken, keramische Wandgemälde in Raku-Technik und Ikebana-Arrangements für diverse Ikebana-Schulen her. Ihre Kunst- und Gebrauchskeramiken formt sie aus Erde, Feuer, Wasser und Luft in ihrer eigenen Werkstatt. Aus einem faustgroßen Klumpen Ton, den sie im Kannenbeckerland in Höhr-Grenzhausen kauft, formt sie Teeschalen und aus einer Stange Vasen, Schalen und andere Gefäße. »Es gibt verschiedene Techniken. Der Ton wird gedreht, geschlagen, ausgewalzt, in oder über Gipsformen geformt oder ausgerollt, um ihn dann über Platten rollen zu können.« Intensiv beschäftigt sich Karin Ostendorf seit 1980 mit Ton, seit 1989 hat sie in ihrer Wohnung eine eigene Werkstatt eingerichtet, die Arbeits- und Ausstellungsraum in einem ist. »Schwerpunktmäßig bin ich Gefäßkeramikerin. Am liebsten stelle ich Vasen in verschiedenen Formen und Techniken her.« Zu ihnen gehört das traditionell auf der Scheibe drehen, das mit Tonplatten oder -streifen arbeiten. Aus dicken Tonbatzen schlägt sie unter anderem Vasen. »Dadurch entstehen urige Formen.« Den Hohlkörper treibt sie mit einem Vierkant- oder Rundholz in die Vase ein. Auch von außen kann die Form mit Hölzern geschlagen werden. »Das Formen passiert ohne Einsatz der Finger.«
In ihrer Werkstatt hat sie auch Gefäße, die sie aus Papierbrand-Keramik, bei der Ton und Papier gemischt werden, hergestellt hat. »Diese Paperclay-Gefäße zeichnen sich durch eine zarte Farbigkeit aus. Ihre Tiefe und ihren Kontrast erhält die Farbe durch das Spiel der Flammen.«
Für sich entdeckt hat sie die alte japanische Brenntechnik Raku-Band, die im 16. Jahrhundert entwickelt wurde und Teil der Teezeremonie war. »Nacktes Raku ist eine Keramik, bei der die Glasur nach dem Räuchern abfällt.«
Töpfern sei nichts für Ungeduldige. Neben dem Gespür für Formen, Farben, Glasuren und handwerklichem Können ist auch das Wissen um den Brand wichtig, sonst drohe das Aus. »Ich arbeite mit Schrüh-Brand (zwischen 900 und 950 Grad Celsius), bei Steinzeug mit Glasur-Brand (1230 Grad Celsius, acht Stunden) oder mit Niedrigbrandglasur (1050 Grad Celsius, sechs Stunden) im Elektro-Ofen. Höherbrandglasuren sind durch die Länge der Brandzeit und die benötigten Glasuren teurer.« Nach dem Brennen bleiben die Gefäße zwei Tage im Ofen, um abzukühlen. Bei gemauerten Öfen aus Leichtbausteinen dauert es nur einen Tag. Beim Raku gibt sie die glühend heißen Gefäße zum Reduzieren in eine Tonne mit Sägespänen. Durch den Entzug von Sauerstoff und das Eindringen von Kohlenstoff in die Glasurrisse werden diese und nicht glasierten Flächen schwarz. Ostendorf hat eigene entwickelt, arbeitet aber auch mit Fertigglasuren. Diese färbt sie bunt ein oder mischt sie mit Weiß. Muster malt die Keramikerin in Wachsausspartechnik oder durch Weggratzen der Farbe. Ihre zweite große Leidenschaft neben der Keramik ist Ikebana. Gemeinsam mit Ehemann Gerald gibt sie jährlich einen Ikebana Kalender heraus.