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Spannender Blick in die Geschichte

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wpa_Unbenannt_261023_1_4c_1 © Christine Fauerbach

Werner Groß hat sich intensiv mit der Entwicklung der Stadt Bad Vilbel nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Dabei ist so manche bauliche Besonderheit ans Licht gekommen.

A nlässlich des Jubiläumsjahrs »75 Jahre Heilsberg« kam Werner Groß bei Veranstaltungen mit vielen Bürgern ins Gespräch. Dabei stellte er oft verwundert fest, dass nicht nur Neubürger, sondern auch viele seit Jahren in der Festspiel- und Quellenstadt lebende Bewohner keine Vorstellung mehr davon haben wie rasant die Stadt nach Ende des Zweiten Weltkrieges gewachsen ist. »Bad Vilbel hatte 1945 gerade mal 6200 Einwohner. Bis 1959 stieg die Einwohnerzahl auf 14 000 an.«

Dabei spielt nach 1945 der hohe Druck auf dem Wohnungsmarkt und die Entwicklung des neuen Stadtteils auf der Vilbeler Höhe durch das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland eine große Rolle, die eine »einzigartige Besonderheit ist«, sagt Groß.

Erste Entwürfe für den Heilsberg

Bereits im Frühjahr 1946 erstellte im Auftrag des Hilfswerkes der Architekt und Städteplaner Herbert Boehm, späterer Planungsamtsleiter von Frankfurt am Main, einen ersten Bebauungsplanentwurf für den Heilsberg. Dieser nahm auf Stadtgrenzen keine Rücksicht. Der Entwurf sah auf Vilbeler und Frankfurter Gelände den Bau einer »eigenen Stadt« vor. Damit sollte das Ziel der Kirche, die »Sesshaftmachung der Ostflüchtlinge« ermöglicht werden. »Geplant war auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz zwischen Bad Vilbel und Frankfurt ein eigenständiges Gemeinwesen für 5000 bis 6000 Einwohner mit einem größeren Gewerbegebiet und 45 Erwerbsgärtnereien«, hat Werner Groß recherchiert.

Unter anderem hat er alle Magistratsprotokolle von 1952 bis 1960 durchgesehen. Eine weitere wichtige Quelle zum Bebauungsplan ist ein Beitrag von Professor Edmund Gassner (1908 bis 2004) in der Schriftenreihe der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung, Band XIII, 1963, mit dem Titel »Städtebauliche Probleme bei der Entwicklung eines neuen Ortsteils«. Die ursprüngliche Planung wurde mehrfach geändert, die Fläche schließlich auf Bad Vilbel beschränkt und zunächst stark verkleinert. Die Erschließungskosten übernahm der Siedlungsträger, da die Stadt diese direkt nach dem Krieg nicht stemmen konnte. Da auch die Kapazität der Kläranlage nicht für eine quasi Verdoppelung der Einwohner ausreichte, war der Neubau einer größeren Kläranlage erforderlich. »Das führte von 1955 bis 1960 zu einem Baustopp auf dem Heilsberg.«

Die ersten Häuser auf dem Heilsberg hatten Sickergruben. Offene Kanäle verliefen entlang der Grundstücke. Die Nachkriegsentwicklung beschränkte sich jedoch nicht auf den Heilsberg. Vorangetrieben wurden die großen Baugebiete im Süden der Stadt. So gab es bereits 1930 die ersten Erweiterungspläne für das Gebiet rechts und links des Schöllbergs. »Für die kleine Stadt Bad Vilbel war es ein finanzieller Kraftakt, die Baugebiete ›Auf dem Niederberg‹ und ›An den hohen Erlen‹ (rechts des Schöllbergs) sowie die Sudetenlandsiedlung in so kurzer Zeit mit Straßen, Abwasserkanälen, Strom-, Gas- und Wasserleitungen zu erschließen. Von 1960 bis 1970 kamen die Erweiterung der Siedlung Heilsberg (›Heilsberg-West‹) und die Baugebiete ›Am Erzweg links‹, ›Auf dem Landgraben‹, ›Auf dem Lattigkopf‹ und weitere Arrondierungen auf dem Niederberg hinzu.«

Neben der technischen Infrastruktur mussten auch Schulen und Kindergärten gebaut werden. Der Bedarf wurde mit dem Bau der Ernst-Reuter-Schule 1960, der Mittelpunktschule (John-F.-Kennedy-Schule) 1965 sowie dem Georg-Büchner-Gymnasium 1968 gedeckt. »Zum Erfolg dieser Siedlungsprojekte trug der renommierte Städteplaner Professor Gassner maßgeblich bei.«

INFO: Zur Person

Der gebürtige Frankfurter Werner Groß lebt seit 1968 in Bad Vilbel. Nach dem Studium von 1969 bis 1973 an der der Technischen Universität Darmstadt und anschließendem Referendariat begann er 1976 seine berufliche Laufbahn im Landesvermessungsamt in Wiesbaden. Vor dem Wechsel zum AfB Büdingen infolge der Umstrukturierung der Katasterämter und Flurbereinigungsbehörden leitete er 17 Jahre lang das Katasteramt in Frankfurt am Main. Er war stellvertretender Amtsleiter und Leiter der Abteilung »Vermessung« des Amtes für Bodenmanagement Büdingen. Seit Ende Juli 2009 ist er im Ruhestand. Groß war SPD-Stadtverordneter in Bad Vilbel und langjähriger Abgeordneter im Umlandverband Frankfurt, davon zehn Jahre Vorsitzender des Planungsausschusses. cf

Er sorgte von 1951 bis 1965 mit seiner städtebaulichen Expertise für die rechtlichen Grundlagen in Form von Generalbebauungsplanung, Baugebietsplan und Fluchtlinienplan nach dem damaligen hessischen Recht, ab 1960 Bebauungspläne nach dem Bundesbaugesetz.

Der Experte plante zudem die städtebauliche Infrastruktur, beriet die Bürgermeister Kurt Moosdorf und Georg Muth (beide SPD) bei der Realisierung und achtete auf Wirtschaftlichkeit bei allen Maßnahmen.

Verhandlungen mit dem Bund

Zu den Herausforderungen der Planung gehörten die schwierige Topografie und der zersplitterte Grundbesitz und das der gesamte Hang unterhalb des Heilsbergs als Teil des ehemaligen Truppenübungsplatzes noch im Eigentum des Bundes war. »Für die Weiterführung der Berliner Straße musste die Stadt zumindest einen Teil kaufen. Erst 1960 gelang es der Stadt für knapp 400 000 DM nach langjährigen und zähen Verhandlungen das gesamte 40 Hektar große Gelände zu erwerben und die Berliner Straße weiterzubauen«, informiert Groß.

Wichtig für die Nachkriegsentwicklung waren die Stadtwerke und die seit 1908 bestehende Gemeinnützige Baugenossenschaft (GBG), die bis 1970 insgesamt 441 Wohneinheiten baute.

Auch die Entlastung Bad Vilbels vom Durchgangsverkehr war seit den 1930er Jahren ein dringendes Anliegen. Mit der 1954 eingeweihten Kasseler Straße als Entlastungsstraße war für die engere Innenstadt eine Lösung gefunden. Zudem war mit der »Heilsbergspange« eine Hochstraße zwischen der Straße Am Hang und der Berliner Straße geplant. »Die Planung für diese weiträumige Umfahrung wurde erst in den 1990er Jahren offiziell aufgegeben.

Die 1989 fertiggestellte neue Bundesstraße 3 (vormals Autobahn A49) sollte ursprünglich über die Heilsbergspange direkt verbunden werden.

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wpa_1Unbenannt_261023_4c_1 © Christine Fauerbach
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wpa_Unbenannt_261023_2_4c_1 © Christine Fauerbach

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