Im Lager des Büdinger 50er-Jahre-Museums gibt’s nichts, was es nicht gibt

Wer durch das urige Museum in der Büdinger Altstadt streift, ahnt kaum, welche Schätze noch in einem riesigen Lager nur darauf warten, auch einmal einer breiten Öffentlichkeit gezeigt zu werden.
Was bitte ist ein Wickelkreuz? Und um was handelt es sich bei einem Wäschepuff? Die Männer, die sich um die Inventarisierung des Bestands der Sammlung Arbeiter des Vereins 50er-Jahre-Museum kümmern, die 2020 als Schenkung an die Stadt Büdingen ging, wissen es: Ums Wickelkreuz sind einst die meterlangen Wäscheleinen gewickelt worden. Der Wäschepuff ist eine gepolsterte Kiste, die früher in fast jedem Schlafzimmer stand und meistens die Bettwäsche beherbergte. Wickelkreuze und Wäschepuffs gehören zu den bereits erfassten 123 728 Teilen des Lagerbestands der Sammlung in einer Halle in Stockheim. Doch sie ist weitaus umfangreicher und vieles harrt noch der Registrierung - in dieser Halle und in einem Lager in Altwiedermus, dessen Exponate noch nach Stockheim überführt werden müssen.
Seit den 1970er Jahren trug das Ehepaar Arbeiter seine Sammlung zusammen, nachdem durch eine Blecheisenbahn, die Walter Arbeiter auf einem Flohmarkt erspähte, die Leidenschaft geweckt worden war. Im Juni 1999 führte sie zur Gründung des Vereins 50er-Jahre-Museum und im November desselben Jahres zur Eröffnung des bundesweit bekannten und beliebten Museums in der Büdinger Altstadt. Walter Arbeiter, dessen Ehefrau Else vor einigen Jahren starb, ist mittlerweile Ehrenvorsitzender des Vereins und Ehrenbürger der Stadt Büdingen. Sein Nachfolger ist seit zwei Jahren Bernd Petri. Er und sein Stellvertreter Helge Arendt engagieren sich mit ihrem Vorstandsteam und weiteren Helfern mit genauso viel Leidenschaft fürs Museum und den Bestand.
Täglich acht Stunden
Die beiden Männer sind auch seit zwei Jahren für die Koordination der Inventarisierung des riesigen Bestands und für die Beschaffung des Verpackungsmaterials zuständig. Peter Sauer, EDV-Spezialist und Musiker, hat für das Ordnungssystem ein spezielles Programm entwickelt und pflegt die Datenbank, denn dauernd kommen neue Inventarisierungen hinzu. Seit Januar 2022 sind die Lagermitarbeiter Lothar Rockel, Adolf Lutz und Siegfried Kühn täglich acht Stunden dabei, sämtliche Teile der Sammlung, die vorher mehr oder weniger lose auf Regalen und im Raum verteilt waren, zu reinigen, zu Themen zu sortieren, mit der Inventarisierungsnummer zu fotografieren und sorgfältig in Noppen- beziehungsweise Wickelfolie zu verpacken.
Spezielle Datenbank
Peter Sauer gibt die Fotos in die Datenbank ein. Kleinere Teile kommen als Themengruppe in eine nummerierte Kiste auf einer Palette, größere wie Röhrenradios, Fernsehgeräte oder Bodenvasen einzeln verpackt in Gitterboxen. Festgehalten wird in der Datenbank auch der Inhalt einer Kiste und wo sie steht, zum Beispiel Kiste 1589 auf Palette P096, sodass das Einzelteil nach Eingabe eines Suchwortes leicht auffindbar ist. Jede Palette ist zudem einzeln mit Folie umwickelt, zum Zusammenhalt und zum Schutz. Jede Kiste und jede Palette ist beschriftet mit einer Inhaltsangabe, in der Datenbank sind nähere Informationen aufgeführt. Alle Beteiligten sind mit Herzblut und großer Wertschätzung der Sammlung aus dem Wirtschaftswunderjahrzehnt bei der Sache.
»Unsere Männer haben bereits über 50 Kilometer Noppen- und Verpackungsfolie verarbeitet. Sie haben bis zum heutigen Tag 1 654 Kisten und 71 Gitterboxen nach Themen gepackt und jede Menge Einzelstücke wie Sessel, Tische, Lampen, Kinderwagen, Puppenwagen und Gießkannen verpackt«, lobt Vereinsvorsitzender Bernd Petri das Team.
Zum bereits erfassten Bestand gehören über 1 200 Vasen. Auch je 150 Rechenmaschinen und Reiseschreibmaschinen, 75 Röhrenradios und 75 TV-Geräte, Stoffe, Damenhüte, Unterwäsche, Partybedarf, Büroartikel, Stundenabrechnungszettel, Briefmarkenbefeuchter, Locher, Artikel aus dem täglichen Leben, Malerrollen, Mittel für die Schuhpflege, Nippes, Sammeltassen, Zeitschriften, 120 Sessel ...
Was kostet die Inventarisierung?
Die Paletten spendete ein Sponsor, wofür das Team dankbar ist. Die Kisten und das Verpackungsmaterial kaufte der Verein, die Mitarbeiter müssen bezahlt werden. »Das Inventarisierungsprojekt kostet pro Jahr etwa 50 000 Euro«, berichtet Bernd Petri. »Das Geld kann glücklicherweise vom Verein vorgelegt werden, weil noch was übrig ist vom Überbrückungsgeld und von den Sanierungsgeldern nach dem Hochwasser. Teile der Kosten für die Inventarisierung werden von der Stadt erstattet. Ihr gehört alles.«
Die Krux: Die Stockheimer Halle muss bis spätestens 31. Januar 2026 leer sein, ursprünglich sogar ein Jahr früher, aber der Vermieter hat eine Verlängerung signalisiert. »Das heißt, wir müssen im Januar 2026 hier raus sein. Die Stadt hat den Bau einer großen Lagerhalle zugesagt, in der von Stockheim aus auch dieser Riesenbestand untergebracht werden soll«, berichten Bernd Petri und Helge Arendt und geben zu bedenken: »Die Zeit rennt.«

