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Tödliche Sekunde: Motorradfahrer stirbt bei Unfall - Geldbuße für Verursacherin

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Von: Oliver Potengowski

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Erinnerung an den tödlich verunglückten Motorradfahrer: Die 30-jährige Unfallverursacherin wird mit Zustimmung der Angehörgen des Unfallopfers zu einer Geldbuße über 3500 Euro verurteilt. © Oliver Potengowski

Nur eine Sekunde war die damals 29-jährige unaufmerksam. Beim Abbiegen übersah sie einen Motorradfahrer. Der starb bei dem Zusammenstoß. Jetzt musste sich die junge Frau vor Gericht verantworten.

Weil sie am 4. September vergangenen Jahres beim Abbiegen einen Motorradfahrer übersehen hatte, hat sich eine heute 30-jährige Büdingerin vor dem Amtsgericht verantworten müssen. Der 54-jährige Motorradfahrer hatte bei dem Unfall tödliche Verletzungen erlitten.

Es war ein sonniger Samstagnachmittag im September, der zu Entspannung und Freizeitvergnügen einlud. Als die damals 29-Jährige mit dem geliehenen BMW einer Freundin von zu Hause aufbrach, deutete nichts darauf hin, dass sich in wenigen Minuten ihr Leben und das einer Reihe weiterer Menschen dramatisch verändern würde.

Von anderem Pkw bedrängt gefühlt

Sie wollte von Büdingen ins Schwimmbad fahren. In dem Prozess vor dem Amtsgericht berichtete der Verteidiger der Angeklagten, dass, bevor sie auf den Parkplatz abbiegen wollte, ein Auto sehr dicht hinter ihr gefahren sei. Sie habe sich bedrängt gefühlt. Also bog sie, nachdem sie die Geschwindigkeit verringert, geblinkt und sich sogar noch einmal nach hinten umgeblickt hat, nach links Richtung Schwimmbadparkplatz ab.

»Die Angeklagte hat eine Sekunde in Ihrem Leben nicht aufgepasst - mit den dramatischen Folgen«, wendet sich ihr Verteidiger an die Angehörigen des getöteten Motorradfahrers.

Denn genau in dem Moment, als die 30-Jährige beim Abbiegen die Gegenfahrbahn überquert, kommt ihr der 54-jährige auf seiner Harley-Davidson aus Richtung Rinderbügen entgegen. Obwohl er noch eine Gefahrenbremsung macht, kann er den Zusammenstoß mit dem BMW, der ihm plötzlich den Weg versperrt, nicht mehr verhindern.

»Ich wusste gar nicht, was passiert ist«, beteuert die Angeklagte, auf Nachfrage von Richterin Josefine Duda, dass sie den 54-Jährigen selbst beim Zusammenstoß mit seinem Motorrad noch nicht wahrgenommen hatte. »Ich bin ausgestiegen und ein Stück weggelaufen«, schildert sie ihr Verhalten unter dem Schock des Unfalls. »Ich war komplett verwirrt.«

Dann seien ihr Menschen entgegengekommen und erst danach habe sie das beschädigte Motorrad auf der Beifahrerseite des BMW und den schwer verletzten Fahrer bemerkt. Durch den Aufprall war er in den Straßengraben geschleudert worden.

Vergebliches Bemühen der Ersthelfer

Die Ersthelfer hätten »alles versucht, um das Leben zu retten«, so eine Polizistin, die vor Ort war. Allerdings waren die Verletzungen durch den Aufprall so schwer, dass der Motorradfahrer später in der Uni-Klinik gestorben ist. Dieser Schicksalsschlag bewegt die Angehörigen bis heute. Der Frau des 54-Jährigen und seiner Tochter kommen während der Verhandlung immer wieder die Tränen.

Doch auch die Angeklagte hat den Unfall, seine Folgen und ihre Schuld trotz psychologischer Hilfe noch lange nicht bewältigt. In einem Brief hatte sie schon vor dem Prozess die Angehörigen um Verzeihung gebeten. Und auch jetzt zu Beginn der Verhandlung wendet sie sich noch einmal an sie. »Es fällt mir schwer, Ihnen überhaupt in die Augen zu gucken«, sagt sie unter Schluchzen, bevor sie zu weinen beginnt.

In seinem Plädoyer betont ihr Verteidiger, dass es seiner Mandantin hoch anzurechnen sei, »dass sie sich diesem Verfahren stellt und ihrer Schuld stellt.« Gleichwohl gebe es keine Strafe, die das Leid der Angehörigen wiedergutmachen kann.

Nach einer Beratung mit der Staatsanwältin und dem Verteidiger schlägt Richterin Josefine Duda den Angehörigen vor, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße an diese zu beenden. Die Staatsanwältin betont in ihrem Plädoyer, dass zivilrechtliche Ansprüche davon nicht betroffen seien. Die Alternative wäre mindestens ein weiterer Verhandlungstag, der eine zusätzliche Belastung für alle Beteiligten bedeuten würde.

Tochter dankt für einfühlsame Worte

Diesem Weg, das Verfahren mit einem Urteil ohne weitere Beweisaufnahme zu beenden, stimmen die Angehörigen nach kurzer Beratung zu. »Ich möchte nicht, dass das Verfahren fortgesetzt wird«, erklärt die Tochter des getöteten Motorradfahrers.

Dabei bedankt Sie sich ausdrücklich bei dem Verteidiger, der auch mit einfühlsamen Worten um Verständnis für seine Mandantin gebeten hat. Diese wird wegen der fahrlässigen Tötung des 54-Jährigen mit Strafvorbehalt verwarnt.

Sollte sie nicht eine Geldbuße von 3500 Euro an die Angehörigen zahlen, sei statt der Verwarnung eine Strafe von 90 Tagessätzen zu je 50 Euro, also 4500 Euro, zu zahlen.

»Eine Sekunde Unachtsamkeit, die hat die schlimmsten Folgen hervorgebracht, die man sich vorstellen könnte«, fasst Richterin Duda die Ereignisse dieses September-Nachmittags zusammen.

Info: Vorbildliche Erste Hilfe

Das Auto der heute 30-jährigen Angeklagten habe sich »ein bis zwei Sekunden vor dem späteren Kollisionsgeschehen in den Fahrraum des Motorrads hineinbewegt«, erläuterte ein Sachverständiger. Er rekonstruierte aus den Verformungen der Fahrzeuge und der sechs Meter langen Bremsspur, dass der 54-Jährige mit einer Geschwindigkeit von 56 bis maximal 78 km/h gefahren ist. Erlaubt sind an dieser Stelle 60 km/h. Dabei sei die höhere Geschwindigkeit nur anzunehmen, wenn der Fahrer sein Motorrad optimal abgebremst habe.

Den Aufprall hatten auch Schwimmbadbesucher und Zeugen auf dem benachbarten Tennisplatz gehört. Eine Polizistin, die damals mit zwei Kollegen den Unfall aufgenommen hatte, schilderte, wie diese sich sofort um den 54-Jährigen gekümmert hätten. Einer der Ersthelfer sei früher selbst Rettungswagen gefahren. »Das war eine super Erstversorgung«, lobte sie.

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