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Büdinger Feuerwehrchef: Die Preisexplosion bereitet mir große Sorgen

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Riccardo Bortolotti ist seit Mitte Mai Stadtbrandinspektor in Büdingen. Im Interview mit dieser Zeitung spricht er über die anstehenden Investitionen im Bereich des Brandschutzes. Unter anderem müssen neue Feuerwehrstützpunkte gebaut und Einsatzfahrzeuge beschafft werden. © Björn Leo

Riccardo Bortolotti, seit Mai Büdinger Stadtbrandinspektor, ordnet anstehende Investitionen im Bereich des Brandschutzes und damit einhergehende Probleme im Interview ein.

Fünf neue Feuerwehrstützpunkte müssen in den nächsten Jahren in Büdingen gebaut werden. Die Investitionen dafür sind genauso alternativlos wie neue Einsatzfahrzeuge, die die Stadt demnächst kaufen muss. Dass die Situation prekär ist, wissen die Verantwortlichen seit Jahren. Da kommt die Kostenexplosion in vielen Bereichen freilich zur Unzeit. Vor diesem Hintergrund hat sich der Kreis-Anzeiger mit Büdingens Stadtbrandinspektor Riccardo Bortolotti zum Interview verabredet.

Herr Bortolotti, Sie sind Chef von knapp 300 Einsatzkräften, die sich auf 15 Freiwillige Feuerwehren verteilen. Wie beurteilen Sie die personelle Situation?

Die Feuerwehren sind gut aufgestellt. Und die Einsatzabteilungen sind echt motiviert, vor allem auf den Stadtteilen. Die Ausbildung läuft prima, auch das Interesse an unserer Arbeit ist ausgeprägt. Seit geraumer Zeit erhält die Feuerwehr einen guten Zulauf. Es gibt einige Quereinsteiger im Alter zwischen 30 und 40, die bereit sind, den Job von der Pike auf zu lernen. Das macht richtig Spaß.

In den Dörfern ist die Tagesalarmbereitschaft ein Problem. Wer in Frankfurt arbeitet, kann nicht mal eben zum Löschen in Rinderbügen ran. Wie schaut es in Büdingen aus?

Aktuell hat die Kernstadtwehr 56 Einsatzkräfte. Das ist auf dem Papier klasse. Aber tagsüber sind es dann häufig nur 13 oder 14, die ausrücken können - zu wenige. Ohne die Unterstützung der Feuerwehren aus den Stadtteilen geht es nicht. Nach 18 Uhr ergibt sich freilich ein anderes Bild.

Wann stoßen Sie an Ihre Grenzen?

Etwa beim Einsatz bei Remondis im Industriegebiet im Juni, als Altpapier in Brand geriet. Da waren 80 Kräfte aus neun Stadtteilen aktiv. Beim Feuer im Dachstuhl eines Einfamilienhauses in der Thiergartenstraße einige Tage später waren es 70 Wehrkräfte. Da spielen uns jedes Mal die hervorragende Zusammenarbeit mit den Stadtteilwehren und die gut ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen in die Karten.

Apropos Stadtteile: Die Feuerwehrhäuser in Büdingen weisen fast alle gravierende Mängel auf. Spätestens seit dem Revisionsbericht des Technischen Prüfdienstes des Landes Hessen aus dem Jahre 2017 schrillen die Alarmglocken. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein?

Die Situation ist ernst. Der Handlungsbedarf ist nach wie vor groß. Weil die Feuerwehrgerätehäuser im Grunde bis auf das Büdinger Brandschutzzentrum veraltet sind und sie nicht mehr den gängigen Standards entsprechen, werden bekanntlich in Diebach am Haag, Düdelsheim, Wolferborn, Eckartshausen und Wolf neue Stützpunkte gebaut. Seit 2017 hat sich aber die Welt verändert. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, der Fachkräftemangel, die angespannte Situation in vielen Branchen und die Preissteigerungen in den meisten Lebensbereichen treffen natürlich auch den Brandschutz. Der ist aber Sache der kommunalen Selbstverwaltung.

Dass der Technische Prüfdienst alle zwei Jahre kommt, ist keine Überraschung. Dementsprechend ist das Gros der Probleme in Büdingen schon lange bekannt. Es ist versäumt worden, sie rechtzeitig zu lösen. Und nun ist der Druck immens. Die jüngste Überprüfung machte deutlich, dass wir die dunkelrote Karte gezeigt bekommen haben. Passiert etwas, haftet der Bürgermeister.

Schildern Sie doch mal Beispiele aus der Praxis.

Die meisten sind ja hinlänglich bekannt. Häuser sind zu eng, Tore nicht breit genug, Sanitäranlagen und Sicherheit mangelhaft. Jedes Gerätehaus hat seine ganz eigenen Problemzonen. Im Feuerwehrhaus in der Moosbergstraße in Michelau gibt es im Obergeschoss einen Aufenthaltsraum der Jugendfeuerwehr. Dabei handelt es sich um einen gefangenen Raum. Er kann nur durch den angrenzenden Schulungsraum betreten oder verlassen werden. Im Brandschutz sprechen wir von einem brandgefährdeten Raum, der im Falle eines Feuers nur durch andere brandlastige Räume verlassen werden kann. Ein gefangener Raum ist das Ergebnis eines unzureichenden baulichen Brandschutzkonzeptes. Das Risiko, dass jemand im Notfall zu Schaden kommt, ist dort wesentlich höher. Deshalb darf der Raum nur noch als Lager genutzt werden. Dieser Zustand ist schon im Brandschutzbedarfs- und Entwicklungsplan der Stadt Büdingen aus dem Jahr 2019 bemängelt worden.

Richtig gefährlich ist die Situation in Wolf. Dort befindet sich das Gerätehaus im Wasserweg zwischen dem Festplatz und dem Pausenhof der Grundschule in der Nachbarschaft. Aufgrund der Lage haben wir den Alarmplan geändert. In Wolf schrillt jetzt wieder die Sirene, damit die Schulleitung genug Zeit bekommt, um die Kinder im Hof in Sicherheit zu bringen, weil Minuten später die Feuerwehr übers Gelände ausrücken wird. Dieser Zustand sowie fehlende Parkplätze für Einsatzkräfte und bauliche Mängel sind ebenfalls schon lange bekannt und im Brandschutzbedarfs- und Entwicklungsplan der Stadt aufgeführt.

Was bedeutet das?

Das heißt, dass wir handeln müssen in einer Zeit, in der die Preise explodieren und in der die finanzielle Situation der Stadt Büdingen ohnehin schon angespannt ist.

Können Sie das Dilemma bitte einmal mit Zahlen verdeutlichen?

Ein einfaches Beispiel ist die Drehleiter der Kernstadtfeuerwehr. Die hat im Jahre 2016, als die Stadt Büdingen sie gekauft hat, 650 000 Euro gekostet. Für das gleiche Fahrzeug müsste die Stadt jetzt 900 000 Euro hinlegen. Bei diesem Beispiel reden wir im Konjunktiv. Jetzt kommt aber der Indikativ. Die Stadt muss zeitnah zwei Löschfahrzeuge aus den Jahren 2001 beziehungsweise 2002 ersetzen. Ihre Laufzeit beträgt 20 Jahre. Da sind wir drüber. Die kosten zusammen eine Million Euro. Solche Zahlen und der Bedarf fallen aber nicht vom Himmel. Es ist am Ende häufig so, dass man den Brandschutz, obwohl er gesetzlich verankert ist, eben nicht sieht. In einem Feuerwehrauto kann man halt nicht schwimmen gehen.

Wie groß sind Ihre Bedenken angesichts der Kosten?

Die Preisentwicklung bereitet mir große Sorgen. Aber selbst, wenn irgendwann die neuen Stützpunkte gebaut und die Fahrzeuge ausgetauscht sind, wissen wir doch heute schon um die nächsten Herausforderungen. In zehn, zwölf Jahren stehen wir in der Kernstadt vor den gleichen Problemen wie in den Stadtteilen. Das Brandschutzzentrum in der Orleshäuser Straße platzt jetzt schon aus allen Nähten. Allein in seinem Umfeld gibt es ein neues Baugebiet und die HEAE, die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung. Die Stadt hat binnen kürzester Zeit 1000 Einwohnerinnen und Einwohner hinzubekommen. Büdingen wird sich in diesem Bereich und anderswo noch mehr verändern, wird weiter wachsen. Genauso wachsen auch die Anforderungen an den Brandschutz. 2011, im letzten Jahr des Stützpunktes in der Hannerstraße, verzeichnete die Büdinger Feuerwehr 110 Einsätze. 2022 waren es 220.

Zudem sollte auch die Pflege des Bestands nicht aus dem Fokus geraten. Das Brandschutzzentrum in der Orleshäuser Straße ist zwar erst 2012 in Betrieb genommen worden. Dennoch weisen viele Wände zum Teil große Risse auf. Kernbohrungen und der ständige Einsatz von Rüttelmaschinen in der Nachbarschaft machen dem Bau zu schaffen.

Da kommt auf die Stadt viel Arbeit zu. Blicken wir nach vorne: Wann wird in den Stadtteilen gebaut und was kosten die neuen Stützpunkte?

Im September geht es endlich in Wolferborn los. Dort entsteht das neue Haus für die Wehren aus Rinderbügen, Wolferborn und Michelau. Angesetzt war mal ein Investitionsvolumen von etwa 3,5 Millionen Euro. Der zuständige Architekt spricht jetzt von Kosten, die zwischen 4,5 und 5 Millionen Euro liegen. Baubeginn in Diebach am Haag ist voraussichtlich im April 2024. Der weitere Zeitplan ist noch völlig offen. Schwer zu sagen, wann es in Düdelsheim, Wolf und Eckartshausen soweit sein wird. Bezüglich der Kosten lassen sich ebenfalls kaum Prognosen treffen. Das Gebäude in Wolf wird jedenfalls teurer ausfallen als das in Wolferborn, weil es um eine Fahrzeughalle größer ausfällt.

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