Büdinger Parlament beendet aktuelle Sitzung nach nur 30 Minuten

Ursache des Abbruchs war die Tagesordnung, die den Stadtverordneten offenbar in mehreren unterschiedlichen Versionen vorlag.
Dann müssen wir die Parlamentssitzung abbrechen.« Dies stellte der Büdinger Stadtverordnetenvorsteher Dieter Jentzsch (CDU) nach einem mehrheitlichen Beschluss des Hohen Hauses fest. Schauplatz war das Dorfgemeinschaftshaus im Stadtteil Wolf am Freitagabend. Ursache des Abbruchs nach knapp 30 Minuten war die Tagesordnung, die den Stadtverordneten offenbar in mehreren unterschiedlichen Versionen vorlag. Aufgrund einer Software-Panne im sogenannten Ratsinformationssystem konnten die Mandatsträger die Unterlagen vor der Sitzung zeitweise nicht lesen. Eine E-Mail von Grünen-Fraktionsvorsitzendem Joachim Cott, in der er Zweifel anmeldete, beantwortete niemand. Hinzu kam, dass Vertreter der SPD-Fraktion an der Sitzung des Stadtverordnetenvorstands nicht teilnehmen konnten, unter anderem aus beruflichen Gründen. Der Vorstand tagt stets am Vorabend der Parlamentsversammlung und hatte dabei über die Turbulenzen mit dem Softwareprogramm beratschlagt. Das anschließende Protokoll mit der korrekten Tagesordnung ging versehentlich aber nur an die Fraktionsvorsitzenden statt wie sonst an alle Beteiligten.
Rederecht verwehrt
Dieses Zusammentreffen verschiedener Vorkommnisse führte zum Eklat. Im vollbesetzten Saal kam es zu mehrfachen Wortwechseln zwischen SPD-Fraktion und Stadtverordnetenvorsteher Jentzsch. Zu Beginn ging Jentzsch wie immer die Tagesordnung durch und erklärte, welche Punkte die Stadtverordnetenversammlung ohne Aussprache behandelt. Sozialdemokrat Rolf Kleta beantragte aufgrund der besonderen Umstände Aussprache zu sämtlichen Punkten des Abends, was Jentzsch überging. Bei einer der Abstimmungen verwehrte er Boris Winter (SPD) zu reden, da jener sich zu spät gemeldet habe. Dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Manfred Scheid-Varisco warf er vor, nicht in der Sitzung des Stadtverordnetenvorstands gewesen zu sein und sich nun zu beschweren. Das wies jener zurück.
Jentzsch beschloss nun, den Stadtverordnetenvorstand erneut zusammenzurufen. Ziel war, festzustellen, ob die Einladung zur Sitzung formvollendet ergangen sei - das wurde dort bejaht. Auf Antrag von Ulrich Majunke (FWG) stimmte das Parlament anschließend aber ab, ob die Sitzung abgebrochen oder fortgeführt wird. Mehrheitliches Ergebnis war der Abbruch.
»Ich habe das beantragt, weil ich befürchtet habe, dass ansonsten alle Beschlüsse anfechtbar gewesen wären«, erklärt Majunke im Gespräch mit dieser Zeitung.
CDU-Fraktionsvorsitzender Jonathan König kritisiert den Sitzungsabbruch scharf: »Wir wollen etwas für die Bürger erreichen und da geht es nicht, sich an Formalien aufzuhängen.« Die übrigen Fraktionsvorsitzenden sehen das nicht ganz so. Joachim Cott (Grüne) spricht von einem »katastrophalen Durcheinander« und »programmiertem Chaos«. Ärgerlich findet er, dass das Radwege-Konzept nicht behandelt werden konnte. Um Zuschüsse zu beantragen, sei nun eine Frist abgelaufen, was die Möglichkeit auf Förderanträge erschwere. »Wie wäre es, diese Anträge künftig früher zu stellen?«, meint Cott.
Laut SPD-Mann Scheid-Varisco hätten die Fraktionen ihre Sitzungen im Vorfeld nach unterschiedlichen Tagesordnungen abgehalten. Der Sozialdemokrat erklärt, er habe den Eindruck gehabt, dass Parlamentschef Jentzsch »überfordert« gewesen sei. »Wir und auch andere konnten der Sitzung nicht mehr folgen.«
Wolfgang Patzak (FDP) votierte für den Sitzungsabbruch, da ansonsten jeder beschlossene Tagesordnungspunkt angreifbar gewesen sei. Er schätze Jentzsch, aber den SPD-Leuten Kleta und Winter sei das Rederecht verwehrt worden. »Wenn ein Stadtverordneter zu jedem Punkt reden will, dann darf er das«, sagt Patzak.
Künftig wieder per Post?
Christdemokrat König hält die Geschehnisse indes für überzogen. »Es gibt absolut keinen Grund, die Sitzung für rechtlich anfechtbar zu halten. Die Einladung ist ordnungsgemäß erfolgt«, betont er. Vorwürfe gegen den Stadtverordnetenvorsteher weist er zurück, vielmehr beanstandet er das Verhalten gegenüber Jentzsch. König sieht im Verlassen der Sitzung seitens der SPD einen Verstoß gegen die Hessische Gemeindeordnung. Nach Überzeugung von König hat man »gezielt die Show gesucht«.
Gunnar Bähr (Pro Vernunft) kündigte einen Antrag seiner Fraktion an, die Sitzungsunterlagen künftig per Post zu versenden, wenn die EDV nicht mitspielt.