Büdinger Verein »Eine Stadt spielt Theater« feiert umjubelte Premiere

Mit Leidenschaft präsentierten die sechs Schauspieler des Vereins »Eine Stadt spielt Theater« das neue Stück »Willkommen« auf der Freilichtbühne des Büdinger Kulturzentrums Oberhof.
Unter der Regie von Sylvia Oster und ihrer Assistentin Renate Britten, der neuen Vereinsvorsitzenden, haben sich die Darsteller das Stück seit Januar erarbeitet und gingen voll und ganz in ihren Rollen auf. Nach pandemiebedingter Pause und Theater vor Publikum auf weit auseinander stehenden Stühlen vor zwei Jahren steht dieses Jahr wieder die Tribüne. Ein kleines kulinarisches Angebot rundet den vergnüglichen Theaterabend ab.
Es war kein ganz leichter Inhalt, sondern die Autoren Lutz Hübner und Sarah Nemitz greifen darin ein aktuelles und brisantes Thema auf: die Unterbringung eines Flüchtlings oder einer Flüchtlingsfamilie in einer Wohngemeinschaft aus berufstätigen Bürgern und einer Studentin. Aber: Es gelingt allen Beteiligten, dieses Sujet bravourös, mit fabelhafter Darstellungskraft und auch den darin enthaltenen Witz und Humor prima rüber zu bringen, sodass das Publikum auch mit Szenenapplaus nicht sparte.
Am Esstisch in der WG
Die fünf Bewohner - Benny, ein Professor (Alexander Dettling), Jonas, ein Bankfachmann in der Probezeit (Johannes Roos), die Fotografin Sophie (Sabrina Link), Doro, die älteste Mitbewohnerin (Angelica Klotz), und die Studentin Anna (Eleonora Pförtner) - hocken am Tisch beim Abendessen. Es ist der Abend in der Woche, wenn einer für alle kocht, alle fünf zusammen essen und wesentliche Angelegenheiten gemeinsam besprochen werden. Die Küche ist der Spielort. Auf dem Tisch steht ständig etwas zu knabbern und etwas zu trinken. Das Quintett isst, trinkt, diskutiert und bringt das WG-Leben authentisch rüber. Das Wesentliche an diesem Abend: Benny eröffnet den Mitbewohnern, dass er eine Dozentur in New York bekommen hat und für ein Jahr in den USA sein wird. Sein dann leer stehendes Zimmer möchte der Professor, der ehrenamtlich in einer Essensausgabe für Flüchtlinge arbeitet, an einen Flüchtling oder eine Flüchtlingsfamilie vermieten.
Das birgt jede Menge Diskussionsstoff. Alle schlucken erstmal, aber Sophie ist sofort Feuer und Flamme und will eine Doku daraus machen: »Wir bekommen eine Chance für neuen Austausch, das ist sicher nicht einfach, aber immer eine Bereicherung.« Jonas beharrt darauf, dass er unbedingt Ruhe braucht, um sich auf seine neue Arbeit konzentrieren zu können: »Wenn da eine Familie kommt, wird das nicht eng? Kinder müssen doch auch spielen, das wird laut. Ich habe nix gegen Kinder, aber vielleicht so ein älteres gediegenes Ehepaar, wie wäre das?« Doro ist nach einigem Hin und Her strikt dagegen, einen arabischen Mann in die WG aufzunehmen und »ledert ab«, was das Zeug hält, schließlich will sie »auch mal nur im Bademantel in der Wohnung rumlaufen«. Anna verhält sich still und rückt nach langem Zögern mit der Sprache heraus: Sie hat einen neuen Freund und ist schwanger. »Könnte er nicht in das Zimmer einziehen?« Als sie hören, wie er heißt - Achmed -, stutzen die anderen und brechen dann in schallendes Gelächter aus.
Der zweite Akt setzt genau da an. Schließlich bringt Anna ihren neuen Freund mit, Achmed (Marc-Oliver Maier, mit schwarz gefärbten Haaren und Bart), »ein Mann aus dem Pott«, der eine Fahrradwerkstatt leitet und dessen türkischer Vater noch »mit dem Pickel unter Tage in der Grube geschuftet hat«. Die WG-ler sind völlig verblüfft von seinen fast schon spießig deutsch zu nennenden Ansichten, andererseits von seiner Offenheit und Aufgeschlossenheit. Jonas findet ihn schließlich »voll in Ordnung« und nach einer WG-internen Diskussion ohne Anna und Achmed wird für alle Beteiligten eine gute Lösung gefunden.
Humorvoll und mit Verve
Das Publikum zeigte sich begeistert von der Aufführung und der Darstellungskunst der Schauspieler und davon, wie dieses nicht gerade einfache Thema behandelt wurde und es jede Menge Raum für witzige Situationen gab. Der Regisseurin und dem Ensemble ist es gelungen, den aktuellen und durchaus zeitkritischen Stoff humorvoll und mit Verve auf die Bühne zu bringen.
