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Butzbach: Wie Pettersson zu Milo kam - Ehrenamtliche können im Tierheim den Katzen vorlesen

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Neugierig schaut das Kätzchen auf das Buch »Aristocats«, aus dem ich ihm gerade vorlese, damit es sich an die menschliche Stimme gewöhnt. © Nicole Merz

Im Butzbacher Tierheim können Freiwillige den Katzen vorlesen. Das soll sie beruhigen und an Menschen gewöhnen - so haben sie höhere Chancen auf Vermittlung. Ein Selbstversuch.

Bei Instagram werde ich auf ein Bild des Butzbacher Tierheims aufmerksam. Zu sehen: eine Sprechblase über einer grauen Katze. »Liest du mir bitte was vor?«, steht darin. Seit Mai sucht das Tierheim Freiwillige, die scheuen Katzen etwas vorlesen. Damit sie ruhiger werden, sich an Menschen gewöhnen und Vertrauen zu ihnen aufbauen. So haben sie größere Vermittlungschancen. Das ist doch etwas für mich: Ich mag Katzen. Und Bücher.

Am Telefon sagt mir Claudia Maid, die Leiterin des Tierheims, dass ich meine eigenen Bücher mitbringen soll. Ich werfe ich einen Blick auf mein Bücherregal: Faust, Frankenstein und die gesammelten Werke von Shakespeare, die meisten davon auf Englisch. Puh, irgendwie trostlos. Ob sich die Katzen für Werke des literarischen Kanons begeistern würden? Nein, denke ich - die Klassiker aus meiner Kindheit müssen her.

Tierheim Butzbach: Im Katzenhaus ist ganz schön was los

Im Bücherregal meiner Eltern werde ich fündig: »Wie Findus zu Pettersson kam« von Sven Nordquist, ein Buch zum Disneyfilm »Aristocats« und ein »Was ist was«-Buch über Katzen. Zugegeben, die Auswahl erfolgte nicht zufällig. Mit den Katzen-Büchern im Rucksack und meiner Schwester Klara im Schlepptau geht’s am nächsten Tag zum Tierheim.

Ein Aufkleber in Form einer schwarzen Katze verrät: Hinter dieser Tür geht es ins Katzenhaus. Eine Treppe führt in das Dachgeschoss des Gebäudes am Himmrichsweg. Oben, entlang des Geländers, sind viele bunte Futternäpfe aufgereiht. Gefüllt sind sie mit Trocken- oder Nassfutter, Wasser oder Milch. Über zehn Kratzbäume in allen Größen stehen im Raum verteilt. Zwei alte Sessel mit braunem Blumenmuster und Fransen sowie ein Sofa laden zum Sitzen und Schmusen ein. Überall laufen Katzen herum, die schon zutraulich sind. Kleine, große, dicke und dünne in allen Farbgebungen.

Tierheim Butzbach: Jede Katze hat einen Steckbrief

Rechts und links unter den Dachschrägen sind Gehege abgeteilt und nummeriert. Ein laminierter Steckbrief verrät etwas über die tierischen Bewohner: Name, Geschlecht, Merkmale, Geburtsdatum (das oft geschätzt werden muss) und seit wann die Katze im Tierheim ist. Unter »Sonstiges« können die Mitarbeiter wichtige Infos vermerken wie ängstlich, zutraulich oder kastriert.

Wir erhalten eine kurze Einweisung. Oberstes Gebot: Immer die Tür hinter uns schließen, damit keine Katze ausbüxt. Ansonsten können wir uns frei bewegen. Auszubildende Nova erklärt, welchen Katzen wir vorlesen können. Welche schon zutraulich sind und sich vielleicht von uns streicheln lassen. Oder welche noch scheu sind und das Vorlesen daher eher gebrauchen könnten.

Tierheim Butzbach: Regelmäßiges Vorlesen hilft den Katzen

Tiga ist einer der scheuen Kater. Er kam von einem Bauernhof ins Tierheim, hatte vorher keinen Kontakt zu Menschen. Also gehen wir zuerst zu ihm, auch wenn er versteckt in einer Höhle liegt. Ich lese ihm aus »Aristocats« vor. Die ganze Zeit über bleibt er in seiner Höhle. Claudia Maid erzählt, dass ein- bis zweimal die Woche für etwa eineinhalb Stunden ein Vorleser kommt. Ihn kennt Tiga schon. Wenn er liest, ist der Kater neugierig und kommt heraus.

Ich unterhalte mich mit einer Frau, die mit Kater Arthur spielt. Sie ist mit Freunden gekommen, um die Katzen zu streicheln, mit ihnen zu spielen und, um zu schmusen. »Ich bin zum ersten Mal hier«, sagt sie. »Aber ich habe vor, öfter zu kommen.«

Tierheim Butzbach: Pettersson und Findus bei Nala und Milo

Danach gehen wir zu Arthur. Der hübsche weiß-graue Kater ist seit dem 4. August im Tierheim. Klara liest ihm vor, doch er scheint sich eher für seine Körperpflege zu interessieren. Ausgiebig putzt er sich die Pfote. Erst die Zehen an der Unterseite, dann obendrauf. Klara geht auf ihn zu. Er kommt ihr entgegen, lässt sich streicheln, schnurrt leise. Prrrr.

Als nächstes gehen wir zu Milo und Nala. Die beiden sind da erst seit einem Tag im Tierheim - und noch sehr schüchtern. Ihnen lesen wir aus »Pettersson und Findus« vor. Darin adoptiert ein alter Mann eine Katze, damit er nicht mehr so einsam ist. Ein schöner Gedanke. Hoffentlich passiert den beiden das auch. Die helle Katze mit braunen Flecken bleibt während der Lesestunde die ganze Zeit über zwischen den Katzenklos liegen. Die schwarze Katze versteckt sich auf einem Brett obendrüber zwischen den Kissen. Ihnen muss wohl noch öfter vorgelesen werden.

Info: Ehrenamtliche gesucht

Leiterin Claudia Maid kann pauschal nicht sagen, wie viele Katzen pro Monat im Butzbacher Tierheim dazu kommen: »Das ist ganz unterschiedlich.« Aktuell sind knapp 30 Katzen da, etwa die Hälfte sind Kitten aus sechs bis sieben Würfen. Aber je mehr Katzen dort seien, desto höher sei auch der Stress und das Infektionsrisiko. In das Katzenhaus dürfen daher nur geimpfte Katzen, alle anderen kommen erstmal in Quarantäne. Schon früher haben Freiwillige im Katzenhaus vorgelesen. »Damit haben wir gute Erfolge erzielt«, sagt Maid. Dadurch sollen die Katzen Vertrauen zu Menschen fassen - so haben sie bessere Vermittlungschancen. In Butzbach kommen oft Besucher vorbei, um Katzen zu streicheln oder ihnen vorzulesen. Zurzeit seien viele Kitten da, die Spielpartner brauchten. Das sei im Frühjahr und Sommer immer so und könne auf das Wetter zurückzuführen sein. Schön wäre es, wenn Freiwillige regelmäßig und für längere Zeit zum Lesen und Kuscheln kämen oder auch zum Gassigehen mit den Hunden, sagt Maid. Ehrenamtliche und Interessenten für Tiere können sieben Tage die Woche kommen: montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr, am Wochenende nach Vereinbarung.

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