»Sie glaubt halt an das Gute«
Butzbach/Friedberg (doe). »Sie glaubt halt an das Gute«, sagte die Mutter der Frau, die von ihrem Ex-Mann vergewaltigt worden sein soll. Vor dem Schöffengericht Friedberg ging es am zweiten Verhandlungstag gegen einen der Vergewaltigung seiner Ehefrau angeklagten 29-jährigen Marokkaner um eine turbulente Ehe.
Detailliert schilderten die 49-Jährige, ihre 76-jährige Schwiegermutter und die beste Freundin der - als Nebenklägerin auftretenden - Ehefrau Richter Dr. Markus Bange ihr eigenes Miterleben bzw. Nachempfinden der Beziehung. Deren Auf und Ab soll am 30. Juni 2021 in einer Vergewaltigung der 31-jährigen Ehefrau auf einem Feldweg in Butzbach gegipfelt haben. Diesen Vorwurf bestritt der Angeklagte vehement und sprach wiederholt von »Lügen«.
Mit der ersten Schwangerschaft begannen die Probleme. Sie habe zu viel Geld gewollt, ein neues Auto, ein eigenes Haus. Das habe er trotz seines Gehalts nicht leisten können, sagt er. Sie berichtet von seinem ständigen Alkohol- und Haschischkonsum und seiner Spielsucht - u. a. verzockte er ihre 7000 Euro umfassende Aussteuerversicherung und plünderte einen vierstelligen Betrag von den Sparkonten der beiden älteren Kinder. Regelmäßig kam es zu Aggressionsschüben mit gewalttätigen Übergriffen. Die richteten sich zwar gegen die Ehefrau, ängstigten die älteren der insgesamt vier Kinder des Paares im Alter zwischen zwei und sechs Jahren aber zunehmend.
Von der Beziehung ihrer Tochter und der inzwischen erfolgten Heirat erfuhr die Mutter der Nebenklägerin erst nach Beginn der Schwangerschaft. Sie sei von Anfang an nicht begeistert gewesen, wegen der kulturellen Unterschiede, aber auch wegen des Verlaufs der Ehe, sagte die 49-Jährige vor Gericht. Schon solange das junge Paar in einem Nachbarort im Landkreis Gießen wohnte, habe es ständig Streit gegeben. Wiederholt sei die Tochter in ihr Elternhaus geflüchtet und habe dort übernachtet. Einmal habe sie eine Verletzung am Auge ihrer Tochter gesehen.
Nach einer Trennung 2019 sei die Tochter allein mit den Kindern in ihr Elternhaus gezogen. »Ich war sehr geschockt, als ich plötzlich seine Stimme wieder im Haus hörte«, schilderte die Mutter ihre Empfindungen nach der Versöhnung des Paares. Und: »Mir hat irgendwann das Verständnis gefehlt, warum sie sich nicht endgültig trennt. Ich habe sie nicht dazu erzogen, sich so behandeln zu lassen.« Sowohl sie als auch ihre Schwiegermutter gaben an, immer wieder in die Wohnung des Paares hochgegangen zu sein, um den laut schreienden Angeklagten zu beruhigen.
Übereinstimmend schilderten Mutter und Großmutter auch den Ablauf zweier Einbrüche im Herbst 2021. Zu dem Zeitpunkt lief bereits das polizeiliche Ermittlungsverfahren gegen den 29-Jährigen, Eltern und Großmutter der Ehefrau hatten ein Hausverbot gegen ihn verhängt und es gab ein offizielles Kontaktverbot.
Zutritt zum Haus verschafft
Über Mülltonnen, die Regenrinne an der Grenze zum Nachbarhaus und ein Dachfenster verschaffte sich der Angeklagte Zugang zur Dachwohnung des Paares, nicht wissend, dass seine Frau mit den Kindern inzwischen in den ersten Stock des Hauses umgezogen war. Eine in Nachbars Garten aufgehängte Wildkamera fotografierte ihn, und die Großmutter sah ihn beim Verlassen des Gebäudes.
An fast gleichlautende Schilderungen der Frau über das Verhalten ihres Mannes erinnerten sich zudem ihre gleichaltrige Freundin aus Kindertagen sowie die Mitarbeiterin einer Beratungsstelle für Opfer häuslicher Gewalt.
Bereits zu Beginn des Verhandlungstages hatte Verteidigerin Claudia Dickenberger in Zweifel gezogen, dass die von ihrem Mandanten bestrittene Vergewaltigung im Kofferraum des Wagens der Familie, wie von der Anklage vorgetragen, technisch möglich sei. Sie beantragte die Einholung eines Gutachtens, außerdem die Auswertung des Handys des Angeklagten, um dessen Aussagen zu untermauern, dass seine Ehefrau wiederholt die Unwahrheit gesagt bzw. manche Nachrichten an sich selbst geschrieben habe.
Die Nebenklage beantragte daraufhin u. a., die Echtheit eines Fotos rechtsmedizinisch überprüfen zu lassen, das die bei der mutmaßlichen Vergewaltigung entstandene Verletzung am Schienbein des Opfers zeigen soll. Angesichts der Beweisanträge verschob das Gericht den dritten Verhandlungstag um zwei Wochen.