Zweifache Vergewaltigung nicht nachweisbar: 31-Jähriger freigesprochen

Freispruch, aber mit dem Nachsatz »In dubio pro reo« (»Im Zweifel für den Angeklagten«) lautete das Urteil, das am Montag gesprochen wurde.
Ein 31-Jähriger hatte sich wegen zweifacher Vergewaltigung und Körperverletzung seiner damaligen Lebensgefährtin vor der zweiten großen Strafkammer des Landgerichts Gießen verantworten müssen.
Doch am Ende des vierten Verhandlungstags blieb von den Anschuldigungen nicht viel Belastbares übrig, sodass Staatsanwältin Jessica Schröder auf Freispruch plädieren musste, dem sich die Verteidigerin des Mannes, Rechtsanwältin Daniela Saftiuc, gerne anschloss. Sie hatte in ihrem Plädoyer noch bemängelt, dass man der Geschädigten »hatte glauben wollen« und andere Möglichkeiten nicht weiter verfolgt worden seien. »Hätte man das gemacht, so wäre einiges an Leid erspart worden«, gab sie zu Bedenken.
Die Anklage hatte dem 31-jährigen Rumänen drei Taten vorgeworfen: Im Sommer 2020 soll er seine damalige Freundin vergewaltigt haben und ein zweites Mal am 14. Dezember 2020. Im Anschluss an die zweite Tat soll er sie mehrmals an den Haaren gezogen und den Kopf in die Toilette gedrückt haben. Dies passte zu dem Bild des Mannes, der schon mehrfach aktenkundig geworden ist. In Rumänien wurde er bereits zweimal wegen Diebstahls und einmal wegen versuchter Vergewaltigung rechtskräftig verurteilt. Auch in Gießen stand er 2022 wegen schwerer Körperverletzung an eben jener Ex-Freundin vor Gericht. Er wurde rechtskräftig verurteilt und nach Rumänien abgeschoben.
Aussage der Frau weicht zu sehr ab
Die drei jetzt verhandelten Vorwürfe wurden erst im Anschluss an die Verurteilung verhandlungsreif, sodass der 31-Jährige per internationalen Haftbefehl gesucht und schließlich im Mai 2023 nach Deutschland überführt wurde. Seitdem saß er in Untersuchungshaft. Doch bei näherer und eingehender Befragung erwiesen sich die Angaben der Frau, die auch als Nebenklägerin auftrat, als wenig glaubhaft. Nicht nur, dass sie sich nicht mehr an die dritte Tat erinnern konnte und dass sie enorme Erinnerungslücken aufwies, auch bei elementaren Dingen wich sie extrem von ihren Aussagen bei der Polizei ab. Der psychologische Gutachter Erik Kielisch, der ein Glaubhaftigkeitsgutachten der Frau erstellt hatte, bescheinigte ihr, dass die Schilderungen der Taten keine »erlebnisbasierte Aussagequalität« besitzen. Heißt: Die Taten hätten so nicht passiert sein können.
Die Frau begab sich seit 2021 immer wieder in psychiatrische Behandlung, teilweise ambulant, teilweise stationär. Auslöser war wohl ein Raubüberfall 2019 in einer Spielothek, in der sie damals arbeitete. In dessen Anschluss wurden eine posttraumatische Belastungsstörung und später eine Borderline-Störung diagnostiziert.
Allerdings stellte der Gutachter fest, dass diese Erkrankungen sie nicht daran hinderten, wahrheitsgemäße Aussagen zu tätigen. Dies habe sie bewiesen, als sie den Messerangriff des Angeklagten im Januar 2021 in Gießen erneut vor Gericht schilderte, für den er verurteilt wurde. Hier habe die Kernaussage gestimmt, was aber bei den anderen Taten nicht der Fall gewesen sei.
Aus welchen Motiven sie die weiteren Anschuldigungen erhob, konnte nur gemutmaßt werden. Das Gericht nahm diese Erkenntnisse als Grundlage für den Freispruch für den Angeklagten, ließ es jedoch nicht unerwähnt, dass es durchaus sexuellen Übergriffe gegeben haben könnte und die Nebenklägerin wahrscheinlich schlimme Dinge erlebt habe. »Ob sich der Angeklagte etwas anderes vorzuwerfen hat, das war nicht Stand des Verfahrens. Deswegen: In dubio pro reo - Im Zweifel für den Angeklagten«, so der Vorsitzende Richter Jost Holtzmann in seiner mündlichen Urteilsverkündung.
Aufgrund seiner vorherigen Verurteilung hat der 31-Jährige am gleichen Tag Deutschland wieder in Richtung Rumänien verlassen müssen.