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Carsten Parré ist mit Leib und Seele Historiker

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Mit den schlammigen Wanderschuhen geht Carsten Parré natürlich nicht an seinen Arbeitsplatz im Büdinger Stadtarchiv. Die tauscht er in der Mittagspause gegen seine Sneaker - denn da geht’s für den Historiker ab in die Natur. © Andrea Weber

Seine Augen und Ohren sind immer offen für Themen rund um die Historie in der Wetterau. Carsten Parré arbeitet seit vier Jahren bei der Stadt Büdingen als Stadtarchivar und Historiker. Und das mit Leib und Seele.

Der 47-jährige Carsten Parré ist seit 2019 für die Stadt Büdingen im Stadtarchiv und als Historiker angestellt. Wer hinter einer solchen Arbeit Staub und Langeweile vermutet, liegt mehr als falsch. Und nicht nur der Job ist total spannend und facettenreich, der Mann dahinter mindestens ebenso.

Carsten Parré wohnt in Bad Salzhausen und liebt seine Arbeit in Büdingen, ist voller Eifer - und: kann andere Menschen damit anstecken. Wenn er erzählt, ist Geschichte spannend und macht Spaß.

Eine oft bemühte Floskel »hier atmet Geschichte«, passt an dieser Stelle vortrefflich. Denn wenn Parré anfängt zu erzählen, strömt ihm die Begeisterung für Historie aus jeder Pore seines Körpers.

Das macht es dem Zuhörer leicht, sich Begebenheiten längst vergangener Zeiten vorzustellen und hineinzutauchen. Plötzlich wird angestaubte Vergangenheit zu bunter Gegenwart.

Frühes Interesse an Geschichte

Carsten Parré war früh von allgemeinen Geschichtswissenschaften »infiziert«. In der fünften und sechsten Klasse der Realschule wurde seine Liebe dazu entfacht, wie er heute erzählt: »Was ich damals noch nicht wusste, weil ich die Schule eher nicht mochte - ich war ein ziemlicher Einzelgänger - war, dass ich später an dieses extrem starke Interesse für Historie anknüpfen würde.

Meine Lehrerin hat den geschichtlichen Unterricht einfach supertoll gemacht. Trotzdem war ich froh, als die Realschule rum war.« Carsten Parré entscheidet sich, eine Lehre als technischer Zeichner zu machen und anschließend auch in diesem Beruf zu arbeiten. »Mir fiel damals einfach nichts besseres ein.«

Aber dann, mit Anfang 30, reift in ihm das unbändige Verlangen zu studieren, so dass er mit 33 Jahren am Frankfurter Abendgymnasium sein Abitur mit Bestnote ablegt. Dann kann es endlich losgehen: das ersehnte Studium der Geschichte, der klassischen und provinzialrömischen Archäologie.

»Das waren wirklich harte Jahre«, erzählt der Historiker. »Das Lernen fiel mir nicht schwer, nur durch meine späte Entscheidung zu studieren, bekam ich keinerlei Unterstützung, außer 50 Euro monatlich von meinen Eltern.

Aber ich hatte diesen Traum Historiker zu werden. So schlug ich mich mit Jobs durch und hatte schließlich meinen Magister mit der Abschlussarbeit über das antike Rom in der Tasche.«

Dankbar für Job als Stadtarchivar

All das erzählt Carsten Parré überhaupt nicht mit besonderem Stolz, obwohl er allen Grund dazu hätte, sein Erreichtes heute zu feiern. Aber dazu ist er einfach zu bescheiden.

Nun ist es auf dem hiesigen Arbeitsmarkt nicht unbedingt selbstverständlich, nach spätem Studium und Entschluss, als Historiker arbeiten zu wollen, sofort oder überhaupt einen adäquaten Beruf ergreifen zu können.

Da blitzen sie wieder auf, die Augen des 47-jährigen: »Welches Glück habe ich gehabt, dass im Jahr 2019 die Stadt Büdingen sagte: Den Kerl stellen wir ein, der wird unser Stadtarchivar und Historiker - und das mit meiner »gebrochenen Vita.« Er lacht.

»Ich hoffe, einiges meiner Dankbarkeit zurückgeben zu können. Schließlich begreife ich meine Arbeit nicht als »Nine to five«-Job. Meine Augen und Ohren sind immer offen für Themen rund um die Historie in der Wetterau.«

Man sollte sich die Arbeit eines Stadtarchivars aber nicht als »Schriften- und Zeitungssortierer« vorstellen. Vielmehr geht es darum städtischer Ansprechpartner für alle lokalhistorischen Fragen und Forschungen zu sein. Auch möchte Parré unbedingt als Historiker wahrgenommen werden.

Gerade arbeitet er an einem Beitrag für die bald erscheinende Aulendiebacher Festschrift, an einer Dokumentation der historischen Bücheser Grabsteindenkmäler und an einem »fiktiven Tagebuch eines Büdinger Bürgers« (siehe Infokasten).

Drei Ziele mit einer Zeitmaschine

»Ich liebe und lebe das was ich tue. Meine Arbeit macht mir einfach Spaß«, der 47-jährige strahlt. »Wenn ich am Abend nach Hause komme, vorher noch meinen besten Freund Jürgen besucht habe, anschließend mein Lieblingsgericht Chinapfanne genießen kann und Asterix lese … dann war das ein echt guter Tag.«

Und was ist mit einer Zeitmaschine? Carsten Parré lacht laut. »Nehmen wir an, ich darf mir drei Reiseziele nebst Zeiten aussuchen. Dann möchte ich ins Jahr 402 vor Christi zur Akropolis nach Griechenland, ins Jahr 45 nach Christi ins Forum Romanum nach Italien und ins Jahr 1500 hier nach Büdingen, den damaligen Bauboom an der Festungsanlage beobachten.« Der Mann ist eben durch und durch Historiker.

Info: Revolutionstagebuch eines Büdingers

Spannend: Carsten Parré wird zum Anlass des 175-jährigen Jubiläums der deutschen Revolution 1848/49 einen schriftlichen Beitrag liefern. Eine Veranstaltung Anfang Mai im Historischen Museum Frankfurt feiert die Premiere des »Extrablatt im Geist der Freiheit«.

In dieser »Zeitung« geht es nicht um wissenschaftliche Abhandlungen. Es werden vielmehr freie, kreative Beiträge der Mitglieder der KulturRegionFrankfurtRheinMain zu lesen sein, das das »Extrablatt« auch ins Leben gerufen hat.

Insgesamt 36 Seiten spannende Text- und Bildbeiträge zur Revolution 1848. Und Carsten Parré ist als Vertreter der Stadt Büdingen, die Mitglied in der KulturRegion ist, mit einem faszinierenden Auszug eines Tagebuches dabei, das er selbst erdacht hat, das also fiktiv ist. Es heißt: »Revolutionstagebuch eines bettlägerigen Büdinger Bürgers März/April 1848«.

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