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Chef der Tourismus-Region Wetterau: »Es fehlt an Straußwirtschaften«

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Die Kaffeeterrasse vor dem Bad Salzhausener Kurhaus-Hotel ist einer der wenigen verlässlich geöffneten Erquickungsorte an den Wetterauer Radwegen. © Klaus Nissen

Wie steht es mit den Radwegen in der Wetterau? Das beleuchtet der Kreis-Anzeiger in einer Sommer-Serie. Die heutige Folge befasst sich mit der Infrastruktur für Radler - der Gastronomie. Da gibt es Licht und Schatten.

Ach, gäbe es doch mehr Orbesse! Kleine Paradiese wie das von Monika und Manfred Lehnert direkt am Nidda-Radweg zwischen dem »Üblen Ried von Wallernhausen« und dem früheren Hornitex-Areal. Eine große Wiese, auf der man unter Bäumen wahlweise im Schatten oder in der Sonne rasten kann. Durstige bekommen Radler, Limo, Wein, Bier oder frisch gebrühten Kaffee. Den Hunger der Kundschaft bekämpft das Gastronomen-Paar für kleines Geld mit leckerem Kuchen oder gegrillten Würsten. Man kann, erhitzt vom Radeln, spontan hereinschneien und später erholt dem Tourenziel entgegenstrampeln.

Doch alles hat seinen Pferdefuß. Weil sie von einer Straußwirtschaft in den Sommermonaten allein nicht leben können, öffnen die Lehners ihr Niddaer Paradies nur sonntags zwischen 11 und 19 Uhr. Bei Regenwetter bleibt der Orbes geschlossen. Auch die große Hitze am 9. Juli veranlasste die Gastronomen, ihr Lokal nicht zu öffnen.

Biergarten allein nicht rentabel

»Es fehlt an Straußwirtschaften entlang der Radwege«, stellt Volker Spies fest. Er ist seit Kurzem Chef der Tourismus-Region Wetterau. Und hat leider nicht die Macht und die Mittel, diesem Mangel abzuhelfen. »Ich bin mir sicher«, sagt Spies, »dass die Kaffee- und Biergärten gut genutzt würden.« Doch ihre Zahl habe während der Corona-Jahre abgenommen. Das Personal sei in andere Branchen abgewandert und komme auch nicht zurück. Egal, wie hoch die Nachfrage der Radtouristen nach einem Imbiss und Getränken ist.

Zum Glück kommen die Radler trotzdem in die Wetterau. Spies bemerkt aktuell eine hohe Nachfrage nach Radkarten in den Tourist-Infos von Bad Salzhausen, Glauberg und Butzbach.

André Hülsbömer vom Auenlandhof in Dauernheim bestätigt das: »An Sonn- und Feiertagen leben wir zur Hälfte von den Radtouristen.« Seine »Biergärtnerei« hält er zwischen Mai und September dann stets zwischen 12 und 19 Uhr geöffnet. Für den 16. Juli hatten Hülsbömer und seine Frau Melanie sogar die Rhythm’n’Blues-Band »New Ville« für ein Open-Air-Konzert engagiert.

Doch unterm Strich verdiene er mit dem Biergarten allein kein Geld, bedauert Hülsbömer. Schon ein bedeckter Himmel halte viele Radtouristen von der Tour ab. Und wenn es richtig heiß wird, ebbe der Strom auf dem Fernradweg 4 ebenfalls ab. Kein Gastronom könne allein vom Biergarten leben. Im Auenlandhof übernachten Radlergruppen. Gerade habe er eine Truppe aus dem Taunus in den Zimmern, berichtet Hülsbömer. Die bleiben drei Nächte in Dauernheim und erkunden sternförmig auf ihren Rädern die Gegend. Es sei ein Segen, dass jetzt alle elektrisch radeln können. Sonst hätte es in den hügeligen Regionen überhaupt keinen Radtourismus geben können.

So sieht es auch Dieter May im nur wenige Kilometer entfernten Schloss Ysenburg in Staden. Die Familie bewirtschaftet den alten Adelshof seit 1852, seit 1949 bewirtet sie Gäste, berichtet Dieter May, der den »Papierkram« des Schlosshotels erledigt. Sein Bruder Klaus und seine Nichte Elisa führen das Haus, zu dem auch eine Kaffeeterrasse direkt an der Nidda im idyllischen Ortskern des Florstädter Stadtteils gehört.

Generationswechsel scheitert oft

Radfahrer kehren da gerne ein. Die Terrasse ist von Mittwoch bis Sonntag geöffnet - es gibt auch warme Gerichte. Das Haus liegt direkt am Kreuzungspunkt des Nidda- und des Limes-Radwegs.

»Noch vor zehn Jahren gab es hier keine Radtouristen«, sagt Dieter May. »Das hat sich geändert.« Der Fahrradtourismus sei wirtschaftlich durchaus relevant - so wichtig wie die nahe Autobahn-Abfahrt, die ebenfalls Gäste ins Hotel der Familie May bringt. Schade sei nur, dass jenseits der Gastronomie so wenige andere Betriebe in der Region vom Fahrradtourismus profitierten. Und die Gastronomie mache sich rar: »Es sind nur noch fünf Hotels zwischen uns und dem Hoherodskopf.«

Der Mangel ist auch Folge des oft scheiternden Generationswechsels in ländlichen Gasthöfen und Hotels, meint Oliver Kasties. Wenn sie eher klein sind, übernehmen die Kinder der Gastwirte den Betrieb nicht, konstatiert der Hauptgeschäftsführer des hessischen Hotel- und Gastronomieverbandes Dehoga. Oft scheitere dann auch die Suche nach einem Pächter oder Käufer für die Gastwirtschaft. So bleibt zum Beispiel der Alte Bahnhof in Glauberg in diesem Jahr geschlossen, bedauert die Radfahrlehrerin Elfriede Pfannkuche aus Hirzenhain. Dabei liege er ideal am Vulkanradweg - »am liebsten würde man da direkt auf die Terrasse fahren«. VON KLAUS NISSEN

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