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Das inklusive Arbeiten intensivieren

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Diplom-Pädagogin Verena Schleich bietet die Zusatzqualifikation »Fachkraft für Inklusion« an. FOTOS VON PROSCH © Hanna von Prosch

Seit zehn Jahren bieten die Beruflichen Schulen am Gradierwerk (BSG) die Zusatzqualifikation »Fachkraft für Inklusion« an. In diesen Tagen haben erneut acht Teilnehmer das Zertifikat erhalten.

Der Wetteraukreis ist eine von neun Modellregionen Inklusion des Landes Hessen. Um das inklusive Arbeiten in sozialpädagogischen Einrichtungen zu intensivieren, hatten die Höhere Berufsfachschule für Sozialassistenz und die Fachschule für Sozialwesen an den BSG mit dem Start der Modellregion 2013 den Wahlunterricht für die Zusatzqualifikation aufgebaut. »Das Interesse der Studierenden war gleich sehr groß. Aktuell schwankt es von Jahrgang zu Jahrgang«, berichtet Diplom-Pädagogin Verena Schleich.

Zusammen mit der damaligen Abteilungsleiterin Sonja Jochmann entwickelte ein Team passende Module. Sie orientierten sich dabei am Arbeitsmarkt, an den politischen Vorgaben, den Bedürfnissen der Betroffenen, die Schleich aus ihrer heilpädagogischen Erfahrung einbrachte, und an bereits erprobten Lehrplänen anderer Regionen.

Zertifikat garantiert Arbeitsplatz

Wer das Zertifikat nach vier Jahren erwirbt, kann sich nach dem anschließenden Praktikumsjahr einen Arbeitsplatz in Kita, Hort, Schule oder Heim aussuchen. »Bei dem Mangel an Erzieherinnen ist eine solche Zusatzqualifikation natürlich begehrt. Leider wirkt sie sich meistens nicht auf die Bezahlung aus«, weiß Schleich.

Wer bereits nach den ersten zwei Jahren die Schule als Sozialassistent oder Sozialassistentin verlässt oder als Quereinsteiger die erforderliche Modulanzahl nicht erreicht, bekommt eine Bescheinigung. Schleich hat durchweg nur positive Erfahrungen gemacht: »Alle ziehen einen praktischen Gewinn aus dem Erlernten. Wir haben festgestellt, dass die jungen Leute sich schneller in einen Menschen mit Handicap einfühlen können und im Umgang sicherer werden.«

Die Vielfalt ist eine Bereicherung

»Die Vielfalt der Menschen ist für uns eine Bereicherung«, heißt es im Schulprogramm. So umfasst auch die Zielgruppe nicht nur Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen, sondern auch mit unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft.

In Kitas und Grundschulen besteht inzwischen ein hoher Bedarf an inklusivem Arbeiten, da jedes Kind einen Rechtsanspruch auf einen normalen Platz hat. Die Module gehen in Theorie und Praxis darauf ein. Die verpflichtenden Praktika absolvieren die Studierenden auch in inklusiven Einrichtungen.

An Fallbeispielen lernen sie unter anderem Krankheitsbilder wie Autismus oder Trisomie 21 einzuschätzen. Sie schreiben Dokumentationen, lernen therapeutische Verfahren und unterstützte Kommunikation, zum Beispiel leichte Sprache, kennen. »Es ist sehr wichtig, zu vermitteln, dass man in Gesprächen den Betroffenen ihre Entscheidung nicht vorwegnehmen darf, sondern nur berät«, betont Schleich.

In der Praxis fahren die Gruppen aus den klassenübergreifenden Jahrgangsstufen dann in spezielle Einrichtungen, kooperieren mit der Friedberger Johann-Peter-Schäfer-Schule oder haben schon Mitwirkende bei einem inklusiven Zirkusprojekt betreut. »Eine Kollegin bringt manchmal ihren nach einem Unfall nur noch dreibeinigen Hund Mascha mit, der gerade zum Schulhund ausgebildet wird. Da erfahren sie Inklusion in doppelter Hinsicht«, erzählt die Lehrerin. Zwar sind die Erzieherinnen in der Überzahl, aber es entscheiden sich auch zunehmend junge Männer für den Beruf und auch für die Zusatzqualifikation, die für Schleich und ihre zwei Kolleginnen sehr notwendig ist: »Mehr Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, Migrationshintergrund und körperlichen Beeinträchtigungen in Kitas und Horten bedeuten erhöhten Arbeitsaufwand. Wir können das nicht auffangen, aber mit dem erworbenen Wissen kann man die Leitungskräfte und Eltern sensibilisieren und an Fachstellen verweisen; um Förderung zu gewährleisten.« Und auch wer später einmal in die Pflege wechseln möchte oder eine weitere Ausbildung anschließt, wird sich immer daran erinnern, dass es in der Schule hieß: »Wir haben hier einen positiven Blick auf den Menschen.«

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Hündin Mascha hat nach einem Unfall nur noch drei Beine. Mit ihr erfahren die angehenden Fachkräfte im Unterricht Inklusion in doppelter Hinsicht. © Hanna von Prosch

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