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Der toxische Druck des Narzissten

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Monika Theimer © pv

Nach außen hin hat alles perfekt gewirkt. Und anfangs dachte sie, er sei ihr Seelenverwandter. Doch der Schein trog. Die Wetterauerin spricht über ihre Beziehung mit einem Narzissten. Irgendwann hat sie den Druck nicht mehr ausgehalten, hat sich von ihm getrennt. Kein leichter Schritt, aber ein Schlussstrich nach all den Erniedrigungen.

Das Wort Opfer mag sie nicht. »Es passt nicht zu meiner Persönlichkeit«, sagt die Frau, der wir für diese Geschichte den Nachnamen Schneider geben. Sie möchte anonym bleiben, denn entspannt ist das Verhältnis zu ihrem Ex-Mann immer noch nicht. Es geht um Narzissmus. Schneider war fast zehn Jahre lang mit einem Narzissten zusammen, die beiden haben ein gemeinsames Kind.

Frau Schneider bezeichnet sich selbst als hochsensibel, als eine Person, die gerne gibt, die empathisch ist. Das Gegenteil eines Narzissten und vielleicht aus dessen Sicht der »perfekte« Partner. Denn der Narzisst sei klassischerweise sehr egozentrisch, empfindlich, empathielos und oft auch entwertend, sagt Schneider. Sie hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, gehört der Selbsthilfegruppe »Narzisstischer Missbrauch« an, die sich in Friedberg trifft

»Ich wusste, dass wir eine schwierige Beziehung geführt haben, aber dass es bei meinem Ex-Mann eine narzisstische Persönlichkeitsstörung sein könnte, war mir nicht bewusst«, sagt Schneider.

Wie hat sich der Narzissmus ihres damaligen Mannes gezeigt? Erst gab es kleinere Streitereien, dann Schuldzuweisungen, letztlich steigerte es sich in Wutanfälle. Er habe sie als schlechte Mutter bezeichnet, ihr Schimpfwörter an den Kopf geworfen, ihr gesagt, sie habe doch nie Mutter werden wollen. »Im Prinzip läuft man zu Hause auf rohen Eiern. Man erwartet, dass aus dem Nichts der nächste Wutanfall kommt.« Übrigens zählen Wutanfälle laut Schneider nicht zwangsläufig zu den Auswirkungen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.

Verbal-Attacken kamen in Wellen

Oft habe er sich hinterher entschuldigt und ihr gesagt, sie sei die beste Mutter der Welt. »Irgendwann ist die Glaubwürdigkeit dahin«, sagt Schneider. Und man erkenne ein Muster im Verhalten. Wenn man das erkenne, müsse man sich schnell Hilfe suchen - bei Selbsthilfegruppen, der telefonischen Seelsorge oder in Form von psychologischer Beratung.

Eine Trennung fällt selten leicht, hier kam hinzu, dass sich die Ehefrau selbst hinterfragte. »Wenn einem eine geliebte Person so etwas sagt, überlegt man natürlich.« Doch damit kam sie auch nicht weiter. »Ich konnte so viel daran arbeiten, wie ich wollte, die Anschuldigungen blieben immer dieselben.«

Die Verbal-Attacken seien in Wellen gekommen, zwischendurch habe er sie aufs Podest gehoben. »Die Wellen ließen einen immer wieder hoffen, dass es nur eine Phase war.« Man gehe eben durch dick und dünn. »Dann war halt mal dünn.«

Sie habe von seinem Trauma in der Kindheit gewusst, möchte aber keine Details nennen. Immer habe sie gedacht, sie schaffen es zusammen. Narzissten seien oft als Kind traumatisiert worden, als Erwachsene würden sie dann lernen, sich mit dem Narzissmus zu schützen. »Irgendwann beginnt die Beziehung, sich von einer höchst liebevollen Anfangsphase in eine toxische Beziehung zu verwandeln.«

»Kindererziehung war bei uns ein großes Streitthema«, sagt Schneider. Wenn er mitbekommen habe, dass Freunde sehr empathisch auf ihre Kinder eingegangen seien, habe er hinterher sein Unverständnis ausgedrückt. Für ihn, sagt die Ex-Frau, sei in der Erziehung Autorität wichtig, wie er sie in seiner eigenen Kindheit erlebt habe. Das gemeinsame Kind habe seinen Narzissmus befeuert, sagt Schneider. »Er war nicht mehr der Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit, aber jemand mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung definiert sich durch außen.«

Nun ist ein gewisser Abstand da, der Wetterauerin geht es wieder gut. »Ich bin gegangen, weil ich Angst um mich und mein Kind hatte. Mit sehr viel Unterstützung. Alleine gehen, das wäre nur schwer möglich gewesen.«

Es gibt einen neuen Mann an ihrer Seite. »Viele haben Angst, einem neuen Partner zu vertrauen.« Sie habe mit offenen Karten gespielt, sich absolut verletzlich gezeigt, eine Therapie gemacht und wieder in die Spur gefunden.

»Ich kann für mich, ohne wütend zu sein, nach vorne schauen«, sagt Schneider. Sie möchte andere Betroffene dazu animieren, sich Hilfe zu holen. Von der Öffentlichkeit wünscht sie sich, dass den Betroffenen geglaubt wird. Und man sollte aufpassen, dass man nicht pauschal über Narzissten urteile. »Am Ende reden wir über Menschen, die auch großes Leid erfahren haben.«

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Ein Narzisst steht unter Strom, braucht Bewunderung, Oder sie braucht es. Narzissmus ist kein rein männliches Phänomen. Die Wetterauerin, die mit dieser Zeitung über ihre Beziehung mit einem narzisstischen Mann gesprochen hat, ist von ihm nicht körperlich angegriffen worden, hat aber den psychischen Druck irgendwann nicht mehr ausgehalten. SYMBOL © Imago Sportfotodienst GmbH

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