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Die ehrenamtlichen Notfallseelsorger im Wetteraukreis brauchen Verstärkung für die wichtige Arbeit

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WETTERAUKREIS - (hks). Es ist kein leichter Job. Und es ist kein Ehrenamt wie jedes andere: die Notfallseelsorge in der Wetterau. Die Frauen und Männer, die hier aus Überzeugung freiwillig Dienst tun, arbeiten häufig am Limit. Die Notfallseelsorge braucht daher dringend mehr Menschen, die sich dort engagieren.

Die blaugelbe Dienstjacke liegt immer griffbereit im Kofferraum ihres Autos. Und der "Pieper" ist zu jeder Zeit eingeschaltet. Denn wenn sie zum Einsatz gerufen wird, muss es schnell gehen. Gabi Tinkl (Foto) ist Notfallseelsorgerin. Sie begleitet zum Beispiel Polizisten, die eine Todesnachricht überbringen müssen. Und wenn die Polizei wieder weg ist, ist sie immer noch da. Sie und ihre Kollegen werden auch bei schweren Unfällen oder Naturkatastrophen gerufen. Oft sind die Notfallseelsorger dann nicht nur für die Betroffenen Gesprächspartner, sondern auch für die Einsatzkräfte, die manches schlimme Bild verarbeiten müssen.

Doch wie kommt man dazu und was braucht man, um sich das zuzutrauen? "Erfahrung, gute Kollegen und viel Geduld", würde Tinkl zusammenfassen. Erfahrung brachte sie schon mit: Die 60-Jährige ist Diplom-Pädagogin in der Kita Arche Noah der Bad Vilbeler Christuskirchengemeinde. Und da sie dort im Integrationsbereich arbeitet, kennt sie die Konfrontation mit Schmerz. "Die Trauer der Eltern ist immer da." In dieser Arbeit hat sie auch gelernt, Hilfe "langsam und leise" anzubieten. Wie Kinder den Tod verarbeiten, hat sie beschäftigt, sie hat Fortbildungen dazu belegt und einiges in ihrer Kita angestoßen.

Gabi Tinkl ist der Typ Mensch, bei dem man denkt "die wuppt das jetzt", wenn sie zur Tür hereinkommt. Doch sie kann auch still sein und einfach nur zuhören. Das ist das Wichtigste, was sie in ihrer Ausbildung zur Notfallseelsorgerin gelernt hat: Man muss warten können. Nichts tun wird zu einer großen Kunst, wenn man dabei ist, wie für Menschen eine Welt zusammenbricht. Notfallseelsorger drängen sich nicht auf. Sie entfalten keinen Aktionismus. Doch sie sind zur Stelle, wenn Menschen soweit sind, dass sie reden wollen. Manchmal hilft auch ein kleiner Satz aus der Schockstarre: "So ein Scheiß, und das an Fasching." hat Tinkl einmal gesagt, als ein junger Mann nach einer Party verunglückt war.

Woher weiß man, was der richtige Satz in so einer Situation ist? "Bauchgefühl", meint Tinkl. Sie sagt lieber zu wenig als zu viel. Das Wichtigste für sie ist jedoch, dass niemand in dieser Arbeit alleine ist. Mindestens ein Jahr gehen neue Notfallseelsorger mit erfahrenen Kollegen mit. Auch später sind sie häufig zu zweit. Niemand muss tun, was er oder sie sich nicht zutraut. "Ich hab' auch schon mal einen Einsatz abgelehnt, weil mir die Situation persönlich zu nahe ging."

Toll findet Tinkl, dass es dann für die Kollegen keine Frage ist, spontan einzuspringen. Diese Solidarität ist ein Netz, das alle Mitarbeitenden in der Notfallseelsorge trägt. "Man ergänzt sich, man achtet einander und man nimmt den anderen wahr." In regelmäßigen Supervisionstreffen wird das Erlebte gemeinsam reflektiert. Ihr persönlich hilft auch ihr Glaube. Sie fände es schwierig, diese Arbeit zu tun, ohne diesen Rückhalt. Notfallseelsorger missionieren jedoch nicht und sie sind für alle Menschen da, völlig unabhängig von deren Religion. Wenn die Angehörigen es möchten, spricht sie auch ein Gebet. "Es ist ein gutes Gefühl, wenn es gelingt, einen Anker zu setzen, dass es irgendwie weitergeht." Einmal wurde sie in ein Krankenhaus gerufen, um einen Segen zu sprechen, bevor der Verstorbene aus dem Raum getragen wurde. Dass sie nur dafür eine ganze Stunde im Auto unterwegs war, findet sie völlig in Ordnung. Es geht doch darum, den Angehörigen einen guten Abschied zu ermöglichen, das ist ihr wichtig.

Darin liegt vielleicht auch die Antwort auf die Frage nach der Motivation der 15 ehrenamtlichen Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger in der Wetterau: Sie tun diese Arbeit, weil sie wichtig ist. Allerdings bräuchten sie dringend Verstärkung. Was muss man dafür mitbringen außer der Fähigkeit, zuzuhören? Ein eigenes Auto ist wichtig, denn die Einsätze erfolgen im gesamten Wetteraukreis. Und man sollte die Zeit haben, zwei Bereitschaftsdienste zu je 24 Stunden im Monat zu übernehmen. Diese Tage sind flexibel, der Dienstplan wird jeden Monat neu zusammengestellt.

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Für alle, die sich im Gespräch mit Notfallseelsorgern informieren möchten, ob diese Aufgabe etwas für sie wäre, gibt es einen Informationsabend am 19. September um 20 Uhr in der Pfarrscheune im Echzeller Ortsteil Gettenau (Hauptstraße 72).

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