Die Innenstadt ist im Wandel

Während in Friedberg alle Augen auf die Gestaltung der Kaiserstraße gerichtet sind, hat die IHK Gießen-Friedberg Landtagskandidaten zu einer Podiumsdiskussion über die Zukunft der Innenstadt eingeladen. Der Verkehr war dabei ein großes Thema, aber auch die verkaufsoffenen Sonntage wurden diskutiert.
Wie die »Städte von morgen« in Hessen aussehen könnten, war Thema einer Podiumsdiskussion der IHK Gießen-Friedberg, zu der Vertreter aller Landtagsparteien nach Gießen eingeladen waren, um ihre Standpunkte vorzustellen. An der Diskussion beteiligten sich Tobias Eckert (SPD), René Rock (FDP), Michael Ruhl (CDU), Katrin Schleenbecker (Grüne) und Andreas Lichert (AfD). Axel Gerntke (Die Linke) hatte den Termin laut eigener Aussage aufgrund eines Fehlers seines Büros versäumt. Während für Kenner der Parteien nur wenig Neues vorgetragen wurde, machte die Diskussion doch klar: Je nach zukünftiger Regierung könnten sich die Innenstädte in unterschiedliche Richtungen entwickeln.
Passgenaues Verkehrskonzept
Gewählt wird der Landtag in Hessen am 8. Oktober. Seit zehn Jahren regieren CDU und Grüne. Die Christdemokraten sind in unterschiedlichen Konstellationen sogar schon seit 1999 ununterbrochen in der Regierungsverantwortung.
Zum Thema Verkehr sagte Eckert, dass es auch in der Vergangenheit große Veränderungen gegeben habe. »Bei uns sagt man heute noch: Da ist Verkehr wie auf der Zeil.« Dabei fahre auf der Zeil schon lange kein Auto mehr. Der Oppositionspolitiker erkannte zwar an, dass die Landesregierung Verbesserungen für Radfahrer und den ÖPNV mache, es fehle jedoch an einer sinnvollen Verknüpfung der Verkehrsmittel miteinander.
Ruhl forderte einen differenzierteren Wandel. »Man muss Mobilität am Bedürfnis der Innenstadt ausrichten.« Wenn eine Stadt viele Geschäfte habe, die große Dinge verkaufe, nütze ein Parkplatz am Rand der Stadt nichts: Jede Kommune müsse ein individuelles Verkehrskonzept finden. Umfeld, Kundschaft, Geschäfte, »das muss passgenau sein«.
Keine Diskussion um AfD-Teilnahme
Bei den verkaufsoffenen Sonntagen sieht Rock Handlungsbedarf, denn: »Ich bin seit 25 Jahren im Gewerbeverein, da weiß man, wann man die großen Umsätze macht.« Vor allem, dass sich Händler lange darauf vorbereiten, Werbung machen und dann am Tag vorher der verkaufsoffene Sonntag gerichtlich verboten wird, müsse geändert werden. Die Händler brauchen Rechtssicherheit, dem pflichten auch Ruhl und Eckert bei. Der Christdemokrat sieht aber eine Ausweitung auf mehr als vier Tage im Jahr kritisch.
Auch der Verkehrsversuch in Gießen Thema. Die im benachbarten Heuchelheim wohnende Schleenbecker konnte von eigenen Erfahrungen berichten. »Mit Kind auf dem Fahrrad fahre ich nicht in die Innenstadt.« Das sei zu gefährlich, es gebe dringenden Handlungsbedarf. Rock plädierte hingegen dafür, dass Verkehrsmittel nicht verdrängt werden sollen. »Den Kampf gegen das Auto« hält er für falsch. Sein Vorschlag für Kompromisse sind Fahrradstraßen, auf denen Autos fahren dürfen, Räder jedoch Vorrang haben.
Und wie ist das mit den großen Veränderungen, die das Homeoffice gebracht hat? Woher sollen die Menschen in die Innenstadt in Zukunft kommen? Rock: »Dieser Trend wird weitergehen.« Mehrfach wurde der Blick zu Karstadt nach Kassel geworfen. Die Verbindung von Gastronomie, Handel und Service könnte ein zukunftsträchtiger Anreiz sein, in die Innenstadt zu kommen.
Lichert zum Homeoffice: »Ich glaube, der Geist ist aus der Flasche.« Beim Thema Sicherheit in der Innenstadt spulte er auch das AfD-Credo mit Blick auf Migranten ab und sprach von einer Tabuisierung des Diskurses.
Moderator Carsten Jens, Chef vom Dienst bei HR-Info, bedankte sich bei allen Vertretern der »demokratisch gewählten Parteien« für die faire Diskussion. Anders als noch vor der Bundestagswahl 2017, als die IHK den damaligen AfD-Vertreter Jörg Meuthen zu einer Diskussion eingeladen und SPD-Politiker Matthias Körner daraufhin die Veranstaltung boykottiert hatte, gab es im Vorfeld diesmal keine Diskussion über die Teilnehmer. Obwohl mit dem hessischen Co-Vorsitzenden Andreas Lichert ein Kandidat teilnahm, der in der Vergangenheit immer wieder wegen Kontakten zu rechtsextremen Gruppen wie der Identitären Bewegung und mit antisemitischen Äußerungen auch im Landtag aufgefallen ist. Laut Beschluss des LG Frankfurt darf Lichert zum Beispiel als »stolzes Mitglied der IB« bezeichnet werden.