1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis

Dietrich Faber in Bad Salzhausen: Mannizismen und Sumpfblüten des Zeitgeistes

Kommentare

bg_N_sat_D_Faber_Positiv_2_
Ohne Gitarre geht es nicht: In seinem neuen Programm »Positiv« stellt Dietrich Faber auch sein musikalisches Talent wieder unter Beweis. © Elfriede Maresch

Beim Saisonstart von »Nidda satirisch« im Kursaal von Bad Salzhausen schlüpft Dietrich Faber auch nach dem Abschluss der Henning Bröhmann-Krimireihe in verschiedene Rollen.

Ein Bühnenhintergrund mit Kleiderständer, Tuch, Stetson und Musikinstrumenten: Auch nach dem Abschluss der Henning Bröhmann-Krimireihe und ihrer musikalisch-szenischen Präsentation schlüpft Dietrich Faber in verschiedene Rollen. Seinem Schatten Manni Kreutzer kann er auch im neuen Programm »Positiv« nicht entfliehen.

Martin Guth vom Kulturmanagement begrüßt Faber zum Auftakt der neuen Saison von »Nidda satirisch« im Kursaal von Bad Salzhausen. Außerdem macht er unter dem Motto »6 plus 1« auf die Abende bis April 2024 neugierig.

Sind Faber und Kreutzer eine heitere, undämonische Variante des Duos Dr. Jekyll und Mr. Hyde, zumindest was die Unzertrennlichkeit und die Fallhöhe des IQ angeht? Manni (»Isch freu mich wie e Honichkuchepony, dass isch wieder bei Eusch bin!«) kommt in alter Frische auf die Bühne.

Er hat sich zwischenzeitlich den »Philosophikern« zugewandt, genauer gesagt dem Größten unter ihnen, nämlich Boris Becker, und auch ins Büchlein vom »Aurel Marcus« geschaut. Das inspiriert ihn zu eigenen Äußerungsformen. Was sind Aphorismen und Sentenzen gegen »Mannizismen«?

Der kleine Mann und die da oben

Faber legt den Stetson beiseite, ist wieder er selbst und kommt ins Gespräch mit dem fiktiven »kleinen Mann von der Straße«. Der legt gleich los: »Auf uns hört ja keiner. Die da obbe mache doch was sie wolle. Aber mr darf ja nix laut sage.« Und schon kommt die Antwort von »denen da oben«: »Wir bleiben lieber unter uns. Wir machen ja einmal Charity pro Jahr, ein Golfturnier mit Stil.«

Wie alle richtig guten Satireszenen ist auch diese hintergründig traurig. Wenn sich die eine Seite der Gesellschaft in Trotz und Verweigerung verrennt - nicht zu verwechseln mit Protest und Zivilcourage - und die andere hinter routinierter Glätte nur Gleichgültigkeit aufbringt, sind genau die Sprengkräfte beschrieben, die der Gesellschaft gefährlich werden können. Ob Faber diese Szene noch weiter ausbaut? Sie hätte es verdient.

Mit Witz attackiert Faber Sumpfblüten des Zeitgeistes. So in der Szene »Frühförderung«, als er überidentifizierte Eltern am Rande des Platzes bei Bambini-Fußballspielen schildert. Warum erst bei Neunjährigen den Karrierestart ansteuern? Talentspäher sollten im Kindergarten unterwegs sein. Beim Fangen lässt sich das Gegenpressing üben, beim Kabbeln das Kopfballspiel. Um Deutschland wieder dauerhaft zur erfolgreichen Fußballnation zu machen, spricht Faber die Nachwuchsförderung in Internaten für Neugeborene mit klar strukturierten Still- und Wickelzeiten an.

Auch Faber wird zum Antihelden

Er singt auch oft im neuen Programm. Sein Lied »So oder so« begleitet Faber nicht nur mit der Gitarre, sondern imitiert eine Posaune gleich dazu. Dann und wann greift Manni zur Gitarre und singt, unter anderem seinen Klassiker »Wenn zwei sich lieben, frisst der Teufel Fliegen…“. Wie entlässt man ein Publikum stilvoll in die Pause? Indem der klassisch ausgebildete Sänger Guido Flamingo von »Tiefen Gedanken« singt.

Faber holt das Publikum mit einer überraschenden Tanzszene zurück, steppt, scheint ein Halstuch verschwinden und wieder auftauchen zu lassen, scheitert bewusst an einer Jonglage - der Kabarettist hat nicht nur mit seiner Krimifigur Henning Bröhmann einen Antihelden geschaffen, dem vieles schief geht. Er kann auch selbst diese Rolle verkörpern. So im tragikomischen Bericht über seine Schreibblockade. Unfehlbares Heilmittel: Tapetenwechsel - Einsamkeit - Insel Usedom. Allerdings haben zwei Millionen Reisende zeitgleich dieselbe Idee. Statt Ruhe und erwachender Kreativität sieht sich der Einsamkeitssucher von einer Nacht in der Hotellobby bedroht. Es kommt zu einem Zwangsabendessen mit einer dauerplappernden Witwe, morgens rückt ganz Deutschland an den Strand - und als der Kabarettist gerade den ersten Satz des neuen Programms schreiben will, findet vor seinem Fenster eine Nivea-Fun-Party statt…

Corona-Erinnerungen und eine mögliche Wiederkehr - da bringt Faber eine »Humor ist, wenn man trotzdem lacht«-Haltung auf und schlüpft satirisch in die Rolle des Karl Lauterbach. Selbst der Tonfall stimmt beim tiefsinnigen Fazit, dass alle in zehn Jahren um zehn Jahre älter geworden sind.

Fabers Rückkehr zum Kabarett bringt zwar neben gelungenen Szenen auch noch Skizzenhaftes, zufällig Erscheinendes und gelegentliche flache Witze. Aber »Positiv« bürgt für einen amüsanten Abend, der die Zuhörer bis zum tumultartigen Applaus hinreißt. VON ELFRIEDE MARESCH

Auch interessant

Kommentare