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DLRG: Schwimmen ist (überlebens-)wichtig

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Vorsitzender Michael Riesbeck gibt einen Einblick in die umfangreiche Ausrüstung der DLRG in Nidda. Dazu gehören unter anderem auch Einsatzfahrzeuge und Rettungsboote. © Anja Carina Stevens

Die Zahl der Nichtschwimmer im Alter von sechs bis zehn Jahren hat sich laut einer Forsa-Umfrage in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Die DLRG steuert dagegen. Wie sie lokal agiert und mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hat, erklärt Michael Riesbeck, Vorsitzender der DLRG Nidda.

Jedes Jahr schließen laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) 80 Schwimmbäder in Deutschland ihre Pforten - viele für immer. Pandemiebedingte Auszeiten und die Folgen der Energiekrise haben das Problem weiter verschärft. Die Folge: Viele Grundschulkinder haben keinen Schwimmunterricht mehr. Die Zahl der Nichtschwimmer im Alter von sechs bis zehn Jahren hat sich laut einer Forsa-Umfrage in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Die DLRG steuert dagegen. Wie sie lokal agiert und mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hat, erklärt Michael Riesbeck, Vorsitzender der DLRG Nidda.

Die DLRG bietet verschiedene Ausbildungen und Schwimmabzeichen an. Was kann man bei Ihnen lernen?

Das Motto der DLRG lautet: Vom Nichtschwimmer zum Schwimmer und vom Schwimmer zum Rettungsschwimmer. Wir bieten Schwimmkurse für Anfänger, Jugendliche und Erwachsene an. Kinder können das Seepferdchen und Jugendliche Abzeichen in Bronze, Silber und Gold erwerben. Des Weiteren kann man bei uns die Ausbildung zum Rettungsschwimmer - in den Abstufungen Bronze, Silber und Gold - absolvieren. Diese beinhaltet auch einen Erste-Hilfe-Kurs. Außerdem besteht die Möglichkeit, Wissen rund um den Katastrophenschutz und die Wasserrettung zu vertiefen. Wir betreiben auch einen Wachdienst an den Küsten der Nord- und Ostsee.

In Nidda gibt es zwar ein Freibad, jedoch kein Hallenbad. Wo finden die Schwimmkurse aktuell statt?

Bis zur Schließung des Hallenbads in Nidda 2016 begleiteten wir dort zweimal pro Woche das Schwimmtraining für 80 bis 90 Kinder und Jugendliche. Nach der Einstellung des Betriebs wichen wir mit 15 Kindern und Jugendlichen in das Usa-Wellenbad nach Bad Nauheim aus, wo wir zeitweise Bahnen nutzen durften. Für den Rest war die Anfahrt zu weit. Zwischenzeitlich übten wir in der Justus-von-Liebig-Therme in Bad Salzhausen, bis auch diese geschlossen wurde. Die verbliebenen Hallenbäder in Gedern und Lich sind komplett ausgelastet.

Nun hoffen wir, dass wir zeitnah in einem anderen Bad unterkommen. Auch warten wir auf die Öffnung des Freibads in Nidda. Allerdings ist der Kursbetrieb dort von der Auslastung und vom Wetter abhängig. Bei Hochbetrieb ist die Aufsicht schwieriger und bei schlechtem Wetter fällt der Kurs aus. Zudem erschweren die kälteren Wassertemperaturen im Freibad ein kontinuierliches Kinderschwimmen, weil Kinder in der Regel kein kaltes Wasser mögen. Letzten Endes üben wir uns bis zur Eröffnung des neuen Hallenbads in Nidda 2027 in Geduld.

Laut einer Forsa-Umfrage von 2022 hat sich die Zahl der Grundschulkinder in Deutschland, die nicht schwimmen können, verdoppelt. Ist die Corona-Pandemie für diese Entwicklung verantwortlich?

Die Zahl der Kurse war schon vor der Pandemie rückläufig, weil ein Schwimmbad nach dem anderen wegen der Kosten dichtmachte. Das betrifft auch die Schulschwimmkurse. Der Lehrplan der Grundschule sieht vor, dass Grundschüler schwimmen lernen. Wegen der Schließung vieler Bäder und der daraus resultierenden längeren Anfahrten in andere Schwimmhallen sinken die Qualität und Quantität der Kurse. Wir haben lange Wartelisten und oft das Problem, dass wir Kurse vorzeitig abbrechen müssen oder gar nicht anbieten können. Immer wieder erhalten wir E-Mails von erbosten Eltern, die keinen Schwimmkurs für ihr Kind bekommen haben. Im Idealfall umfasst ein Kinderschwimmkurs zehn Einheiten. Jedoch möchten wir auch und gerade mit den Kindern länger trainieren, die ein wenig länger zum Schwimmenlernen brauchen.

Während der Corona-Pandemie mussten die Bäder zeitweise schließen, nun sperren sie wegen der Energiekrise teilweise dauerhaft zu. Können Kinder und Jugendliche den versäumten Schwimmunterricht aufholen?

Ja, das können sie. Auch erwachsene Nichtschwimmer sind dazu in der Lage, auch wenn das mitunter etwas schwieriger ist.

Ute Vogt, die Präsidentin der DLRG, fordert einen flächendeckenden Bäderbedarfsplan von Bund, Ländern und Gemeinden. Wen sehen Sie in der Verantwortung?

Ich bin der Meinung, dass Schwimmbäder nicht schließen dürfen. Das Problem sehe ich aber nicht bei den Gemeinden angesiedelt, sondern auf Kreis- und Landesebene. Die Schwimmbäder in Büdingen, Nidda und Gedern waren Kreisschwimmbäder. Die Therme in Bad Salzhausen wurde vom Land Hessen an die Stadt Nidda übergeben. Diese Bäder sind aus gutem Grund gebaut worden. Es ist auch Landesaufgabe, dass Kinder schwimmen lernen. Insofern sehe ich den Kreis und das Land in der Verantwortung, die Kommunen zu bezuschussen - und zwar nicht nur einmalig, sondern kontinuierlich. Zwar erhalten die Bäder eine finanzielle Umlage für das Schulschwimmen. Jedoch reichen diese und der Eintritt allein nicht aus. Der Stadt Nidda bin ich für ihre Unterstützung der DLRG sehr dankbar.

Die steigenden Energiekosten führen teilweise zu abgesenkten Wassertemperaturen. Können Sie die Kritik daran nachvollziehen?

Ich lernte im alten Niddaer Freibad schwimmen, dessen Wassertemperatur zwischen 18 und 18,5 Grad lag. Davor schwammen die Menschen in der nochmals kälteren Nidda. Wir sind heutzutage verwöhnt. Natürlich muss man sich körperlich betätigen, um nicht zu frieren. Dennoch kann ich die Kritik teilweise nachvollziehen. Gerade für ältere Leute sind unbeheizte oder weniger beheizte Bäder mitunter beschwerlich.

Die DLRG benötigt spezielle Ausrüstungen für unterschiedliche Einsätze. Welche Utensilien nutzen Sie?

Für den Schwimmunterricht brauchen wir vor allem Schwimmbretter, Tauchringe und Spielsachen. Neben dem Sicherheitsaspekt steht vor allem der Spaß im Vordergrund. Bei unseren Küstenaufenthalten stellen die jeweilige Kurorte die Ausrüstung. Teilweise bringen wir auch unser eigenes Equipment mit: entweder jeder aus seinem privaten Sammelsurium oder von der DLRG. Diese hat verschiedene Boote und Fahrzeuge. Zusätzlich bewahren wir in einem Anhänger Kanus auf, mit denen wir einmal im Jahr auf der Lahn von Roth bei Marburg bis in den Rhein bei Lahnstein fahren.

Die Boote und Fahrzeuge bringen Anschaffungs- und Unterhaltungskosten mit sich. Wie bestreitet die DLRG ihre Aufwendungen?

Die DLRG finanziert sich hauptsächlich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Das Land Hessen hat uns zwei Boote zur Verfügung gestellt, weil wir auch im Katastrophenschutz tätig sind. Die Fahrzeuge, die wir für das Ziehen der Boote brauchen, stammen wiederum von uns.

Die DLRG besteht aus Helfern, die neben Zeit auch noch Wissen und Können mitbringen. Welche Fertigkeiten stehen dabei im Vordergrund?

Wie bei der Feuerwehr brauchen unsere Mitglieder eine Ausbildung: in diesem Fall die des Rettungsschwimmers. Daneben gibt es fachspezifische Vertiefungen, beispielsweise eine Funk-, Bootsführer-, Tauch- oder Drohnenpilotausbildung. Zudem bieten wir Erste-Hilfe-Kurse sowie Sanitätskurse an. Letztere sind wichtig, weil wir im Wasser Erste Hilfe leisten, bevor wir jemanden an Land an das medizinische Personal übergeben.

Die DLRG appelliert an Eltern, schwimmende und badende Kinder ständig zu beaufsichtigen. Wie sollten Kinder an Wasser herangeführt werden?

Sie sollten keine Angst, aber Respekt vor dem Wasser haben. Aus diesem Grund halte ich schon die Baby- und Kleinkinderschwimmkurse für sinnvoll, in denen ein erster spielerischer Umgang mit Wasser ermöglicht wird. Das Seepferdchen als erstes Schwimmabzeichen ist der nächste Schritt auf dem Weg zum sicheren Schwimmer. Auch dann müssen Kinder in der Nähe von oder im Wasser beaufsichtigt werden. Das souveräne Schwimmen kommt dann nach und nach mit viel Übung.

Das Motto der DLRG lautet: Schwimmen ist (überlebens-)wichtig. In welchen Situationen kann Wasser gefährlich werden?

Im Freibad und unter Aufsicht ist die Gefahr zumeist überschaubar. Beim Baden in natürlichen Gewässern muss man etwa auf Strömungen achten. Auch in einem See kann ein plötzlicher Kältestrom zum Bewusstseinsverlust führen. Beim Schwimmen fernab vom Ufer kann auch ein sonst harmloser Krampf problematisch werden. VON ANJA CARINA STEVENS

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