»Dodt statt Hindenburg«

Ehre, wem Ehre gebührt. Und wem sie nicht mehr gebührt, dem sollte man sie nicht länger gewähren. Der Bad Nauheimer Martin Fink schlägt vor, die Hindenburgstraße in Nieder-Mörlen in Prof.-Dodt-Straße umzubenennen. Der eine ohne Lokalbezug brachte Hitler ins Amt, der andere mit Lokalbezug hat sich alle Ehre um die Sehforschung gemacht.
Die Hindenburgstraße in Darmstadt bekommt einen neuen Namen. Die Stadtpolitik hat entschieden, sieben Straßen und einen Platz umzubenennen, deren Namensträger den Nationalsozialismus unterstützten. Was auf den ehemaligen General und De-Facto-Diktator während des Ersten Weltkrieges zutrifft: Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler, am 1. Februar löste er den Reichstag auf. Paul von Hindenburg hat die NSDAP-Diktatur ermöglicht. Im Bad Nauheimer Stadtteil Nieder-Mörlen erinnert trotzdem eine Straße an ihn.
Martin Fink, Vorsitzender des Fördervereins »Alter Friedhof - Historischer Bürgerpark« und Sprecher der Initiative »Straßenname für Prof. Dodt«, schlägt einen Tausch vor: Die Hindenburgstraße wird zur Prof.-Dodt-Straße.
Fink erinnert in einer Pressemitteilung an die Diskussionen der jüngsten Zeit. Die FDP hatte im November 2020 einen Antrag »Umgang mit Bad Nauheimer Straßennamen« gestellt. Umbenennungen, sagte Fraktionsvorsitzender Benjamin Pizarro, seien der falsche Weg. Stattdessen sollten alle Namen aufgelistet und mit »historisch-kritischen« Kurzbiografien auf dem städtischen Internetportal veröffentlicht werden. Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos) habe gesagt: »Neubenennungen von Straßen, die Namen von umstrittenen Persönlichkeiten tragen, wird es nicht geben.« Gebetsmühlenartig sei das aus allen Parteien zu hören, schreibt Fink und zitiert den Bürgermeister, der gesagt hatte: »99 Prozent der Bürger interessiert das Thema nicht.« Fink: »Damit scheint für ihn die Angelegenheit erledigt.«
Kreß habe zwei Kriterien genannt für die Akzeptanz einer Straßenbenennung: Lokalbezug und Funktion. Betrachte man sich die Internetseite, gehe es wohl eher »um Eilfertigkeit vor Genauigkeit und kritischer Einordnung«, schreibt Fink. Über Paul von Hindenburg (1847 - 1934) heißt es dort, ein Lokalbezug sei »nicht bekannt«, auch über die Benennung der Straße gibt es keine Hinweise, ein Legendenschild ist nicht vorhanden.
Ein Drittel sagt »Ja« zu neuem Namen
Sind Straßennamen wirklich »99 Prozent der Bürger« egal? Fink hat sich in der Hindenburgstraße umgehört. »Der Straßenzug ist mit zwölf Straßennummern überschaubar, bei meist Zwei-Personen-Haushalten in Ein- bis Zweifamilienhäusern.« Elf Bewohner habe er gefragt, ob sie sich eine Umbenennung vorstellen könnten. Das Ergebnis gibt er in Prozent an: »Ja« 27, »Egal« 18 und »Nein« 54 Prozent. »Mit 99 Prozent, die für Straßenbenennungen kein Interesse zeigen, sollte man vorsichtig sein.«
Eine Frau sorge sich, was auf sie zukomme, sie habe ein Geschäft. »Dennoch entschied sie sich ohne langes Überlegen für ›Ja‹«, berichtet Fink. Eine andere Frau, die vor über 50 Jahren hierherzog, habe sich schon damals an dem Straßennamen gestört. Die Umbenennung von Straßen ist für die Bewohner mit Kosten verbunden. In Darmstadt werden diese Kosten von der Stadt übernommen.
Wie es dazu kam, dass Hindenburg in Nieder-Mörlen mit einer Straße geehrt wurde, ist nicht bekannt. Fink hofft, dass es noch Mitbürger gibt, die hierüber Kentnnisse haben. Und er unterstreicht: »Eberhard Dodt (1923-1994) war im Gegensatz zu Hindenburg Nieder-Mörler.« Seine Verdienste stehen außer Frage. Dodt war Mediziner, Pionier der Sehforschung, Direktor am Max-Planck-Institut, erhielt Preise und Ehrungen, war Ehrendoktor der Medizinischen Fakultät Leipzig und Träger des Kaiserlichen Orden vom Heiligen Schatz am Halsband, verliehen durch den japanischen Kaiser.
Ortsverbundenheit als Kriterium
Mit seinem Vorstoß, eine Straße nach Dodt zu benennen, steht Fink nicht alleine. »Herrn Prof. Dodt durfte ich nicht nur als außergewöhnlichen Wissenschaftler kennenlernen, sondern schätzte auch seine menschliche Größe«, sagt Dr. Alfred Kirk, und Dr. Bernhard Lentz rät: »In Bad Nauheim als anerkannter Gesundheits- und Wissenschaftsstadt sollten künftig Straßen- und Platznamen nach ortsverbundenen Persönlichkeiten benannt werden.«