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Dr. Axel G. Posluschny: »Archäologie ist keine Schatzsuche«

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Bei den Ausgrabungen wie etwa am Südhang des Glaubergs geht es laut Dr. Axel G. Posluschny um die Suche nach geschichtlichen Zusammenhängen. © pv

Dr. Axel G. Posluschny, Leiter des Forschungszentrums der Keltenwelt am Glauberg, erklärt im Gespräch mit dieser Zeitung, warum die weniger glamourösen Funde oft größere geschichtliche Erkenntnisse liefern.

Schon der französische Maler Paul Gauguin beschäftigte sich in seinem Gemälde »Woher kommen wir, wer sind wir, wohin gehen wir?« mit den zentralen Fragen der Menschheitsgeschichte. Zur Beantwortung dieser Fragen liefert die Archäologie, die »Lehre von den Altertümern«, einen wichtigen Beitrag. Dabei steht nicht die Suche nach Schätzen im Vordergrund, sondern nach dem Werdegang der Menschheit. Dr. Axel G. Posluschny, Leiter des Forschungszentrums der Keltenwelt am Glauberg, gibt im Gespräch mit dieser Zeitung Einblicke in vergangene Fundstücke und Ausblicke über künftige Forschungsprojekte.

Wie sind Sie zur Archäologie gekommen?

Schon als Kind faszinierten mich archäologische und geschichtliche Themen. In dieser Zeit dachte ich, der Beruf eines Tierforschers wäre nicht schlecht. Nach dem Wehrdienst überlegte ich, für die Entwicklungshilfe tätig zu werden. Da ich zwei linke Hände habe, schied der handwerkliche Bereich der Entwicklungshilfe aus und ich konzentrierte mich mit einem Studium der Volkswirtschaft auf den administrativen Bereich. Doch das Wirtschaftsstudium bereitete mir keine Freude und ich sattelte auf prähistorische Archäologie um, was mir großen Spaß machte. Ab dem vierten Semester spezialisierte ich mich dann auf die Eisenzeit und landete schließlich in der Keltenwelt am Glauberg.

Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus?

Das ist unterschiedlich. Wir haben mindestens einmal im Jahr eine Ausgrabung. Da fängt der Tag damit an, dass es zum Ort des Geschehens geht und man seine Vorhaben auf die Beine stellt: das Ausbildungsprogramm für die mitwirkenden Studierenden, die Beantwortung der Fragen an unsere Ausgrabungsflächen und das etwaige Anpassen der Grabungsstrategie. Außerhalb der Grabungen geht es um die Auswertung verschiedener eisenzeitlicher Funde. Dabei stehen folgende Fragen im Fokus: Wie datiert man die Funde? Gibt es ähnliche Funde? Was sagen die Funde über das Leben der Menschen aus? In diesem Jahr öffneten wir eine Fläche auf dem Enzheimer Kopf, der dem Glauberg vorgelagert ist. Wir wollten erforschen, ob sich dort Siedlungsspuren von zwei Siedlungsphasen finden, in denen auch der Glauberg besiedelt war. Daneben beschäftigen wir uns mit einer Fundstelle in der Nähe von Limburg. Die Stelle weist darauf hin, dass die Römer Eisen und Bleisilbererze als Ressourcen im Boden außerhalb ihres römischen Gebietes nutzten. Das ging natürlich nur im Miteinander mit den vor Ort existierenden eisenzeitlichen Bevölkerungen. Dabei stehen folgende Fragen im Zentrum: War dieses Miteinander friedlich? War es kriegerisch? Wie gestaltete sich die wirtschaftliche Nutzung? Diese Punkte werden oft mit internationalen Kollegen von Universitäten oder Museen erörtert.

Wie gestaltet sich die Kooperation mit den internationalen Partnern?

Das hängt immer von der Aufgabenstellung ab. Die Kollegen vom Discovery Programm in Dublin erfassten gegen die Begleichung ihrer Reisekosten die Glauberger Statue mit einem 3-D-Laserscan. Das ermöglichte uns eine Dokumentation des Ist-Zustands und eine weltweite Versorgung von Fachgenossen mit Daten. Als Dank überreichten wir eine von Ottmar Hörl angefertigte, auf diesen Scan-Daten basierende Kopie der Glauberger Statue.

Die Keltenwelt am Glauberg verfolgt also unterschiedliche Zwecke?

Die Keltenwelt als archäologisches Landesmuseum in Hessen beinhaltet auch einen archäologischen Park und ein Forschungszentrum. Meine Aufgabe ist es, zu forschen und mit den Ergebnissen Anregungen für mögliche Ausstellungen zu geben sowie wissenschaftlich bei der Planung von Expositionen zu beraten. Da wir als Teil des Landesamtes für Denkmalpflege in Hessen vom Steuerzahler bezahlt werden, tausche ich mich nicht nur mit Kollegen im In- und Ausland aus, publiziere darüber und halte Vorträge, sondern möchte den Menschen auch etwas zurückgeben. Das erfolgt beispielsweise durch einen Tag der offenen Grabung.

Gibt es neben den Steuergeldern auch andere Mittel für die Finanzierung von Ausgrabungen?

Hinzukommen Eintrittsgelder für das Museum und Fördergelder für bestimmte Forschungsprojekte. Bei kleineren Projekten wenden wir uns an unseren eigenen Förderverein, den Heimat- und Geschichtsverein oder die Archäologische Gesellschaft in Hessen, die uns immer sehr tatkräftig unterstützt. Für größere Anliegen planen wir auch EU-Förderanträge, die aufwendiger sind.

Welche Forschungsprojekte der jüngsten Zeit sehen Sie als bedeutend an?

In der Wetterau sind eigentlich alle Funde interessant und signifikant. Als eine der fruchtbarsten Regionen Hessens siedeln Menschen hier schon seit 7500 Jahren. Wenn man hier irgendwo einen Spaten in die Erde steckt, dann ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass danach auch Archäologie daran klebt - und zwar aus wirklich allen Zeitstufen. Insofern traue ich mich nicht, einen einzelnen Fund hervorzuheben - bis auf den Glauberg an sich. Dieser ist eine der wichtigsten Fundstellen für die frühkeltische Epoche.

Haben Sie einen Lieblingsfund?

Nein, vor allen nicht nur die ganz spektakulären Sachen. Die Originale bei uns im Museum finde ich natürlich auch sehr spannend. Aber da mich die Fragen reizen, wie die Menschen damals gelebt haben, wie sie mit ihren Ressourcen umgegangen sind und wie sie Probleme wie Missernten oder sich ändernde klimatische Bedingungen meisterten, liegen mir in erster Linie Alltagsdinge am Herzen. Da ist eine Keramikscherbe manchmal genauso aufregend wie ein goldener Halsring.

Wie erklären Sie sich die reichen Grabfunde, die aus Eisen, Bronze oder Gold bestehen?

Dazu gibt es momentan unterschiedliche Theorien. Möglicherweise bedienten sich die Menschen verschiedener Rohstoffe, mit denen sie ein weit verzweigtes Handelsnetz aufbauten. Neben Eisenerz kommt auch Salz in Betracht. Des Weiteren hatten die Kelten aufgrund der Randlage zur Wetterau nicht nur Zugriff auf Rohstoffe und fruchtbare Böden, sondern auf unterschiedliche Naturräume wie das waldreiche Vogelsbergvorland. Schließlich lässt ein Kalenderbauwerk am Hang des Glaubergs darauf schließen, dass sich die Bevölkerung in der Eisenzeit auch mit astronomischen Gegebenheiten auseinandersetzte. Nach dem alten Spruch »Wissen ist Macht« könnte dieses Wissen somit zu Reichtum und Einfluss geführt haben. Unabhängig von der Frage nach dem Zustandekommen des Reichtums beschäftigen wir uns momentan mit der Bedeutung von Basalt, den wir immer wieder als Überreste einer Steinmauer finden. Dieser Rohstoff ist nicht nur heute wichtig für den Haus- und Straßenbau, sondern diente in der Eisenzeit dem Bau von Befestigungsmauern sowie als Mahlstein für Getreidemühlen. Somit wäre Basalt neben einem wichtigen Handelsgut auch ein bedeutendes Alltagsgut, das das Überleben der Menschen sicherte, deren Ernährungsgrundlage im Wesentlichen aus Getreide und Hülsenfrüchten bestand.

Mit welchen Methoden finden Archäologen solche Überreste?

Vor der geeigneten Methode kommt die Frage, wo wir im Boden überhaupt Fundstellen haben. Die klassische Handhabung ist die Luftbildarchäologie, bei der man - vereinfacht gesagt - die Landschaft aus der Luft fotografiert. Auf kleinräumigen Arealen bedienen sich Archäologen gerne geophysikalischer Methoden, mit denen man - flapsig ausgedrückt - ein Röntgenbild des Bodens macht. Die Archäologie als Wissenschaft ist dabei an der Nahtstelle zwischen Naturwissenschaften und Geschichtswissenschaften und sehr interdisziplinär geprägt. Wir Archäologen versuchen mithilfe aller Werkzeuge, derer wir habhaft werden können, Geschichten und Geschichte zu schreiben.

Was sagen Sie zu Privatpersonen, die mit einem Metalldetektor auf Spurensuche gehen?

Das hängt davon ab, ob die Person eine Genehmigung hat oder nicht. Es gibt Hobbyarchäologen, die sich dafür interessieren, wie es in ihrer Umgebung in der Vergangenheit ausgesehen hat. Diese Leute werden auch geschult, keine Bodenstrukturen zu zerstören. Daneben gibt es aber Raubgräber, die ihre Funde aus Gewinn- oder Geltungssucht mit rein privaten Kreisen teilen. Diese Enthüllungen bleiben dem Rest der Menschheit verwehrt. Wenn man bei den Leuten ein Verantwortungsgefühl für ihre eigene Umgebung und die Hinterlassenschaften ihrer eigenen Vorfahren schafft, dann haben wir auch eine Chance, dass der ein oder andere nachfragt, wenn jemand mit einem Detektor herumläuft. Archäologie ist ja nicht die Suche nach irgendwelchen Schätzen, sondern die Suche nach geschichtlichen Zusammenhängen.

Dr. Axel G. Posluschny (58) studierte erst in Bonn, später in Marburg Vor- und Frühgeschichte mit einer Spezialisierung auf die Kelten. Anschließend war er vier Jahre lang als wissenschaftliche Hilfskraft der Römisch-Germanischen-Kommission in Frankfurt tätig. In dieser Zeit arbeitete er in der Redaktion einer archäologischen Fachzeitschrift und verfasste seine Dissertation zum Thema »Die hallstattzeitliche Besiedlung im Maindreieck«. Es folgten Lehraufträge unter anderem in Marburg und die Betreuung eines Teilprojekts eines Forschungsprojekts zum Thema »Frühkeltische Fürstensitze«. Danach leitete er ein EU-Projekt zum Thema »Fernerkundungsmethoden« und hatte eine Fachstelle an der Universität in Bamberg inne. Seit 2016 ist er Leiter des Forschungszentrums der Keltenwelt am Glauberg. Posluschny hat einen erwachsenen Sohn. VON ANJA CARINA STEVENS

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