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Ein Dorf mit allen Sinnen: Spannender Rundgang durch Diebach am Haag im Zeichen der Gartenschau

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Vor der sanierten Hofreite der Familie Heinz macht die Gruppe Rast. Das historische Ensemble ist ein Diebacher Kleinod und zeigt eindrucksvoll, was mit Mut und Fleiß zu leisten ist. © Anja Carina Stevens

»Dorf mit allen Sinnen« lautete das Motto einer Runde durch Diebach am Haag. Auf 18 Stationen standen Möglichkeiten im Fokus, die die Landesgartenschau in Oberhessen 2027 den Dörfern bietet.

Zwei Fragen standen während des dreistündigen Rundgangs durch Diebach am Haag am vergangenen Freitag im Zentrum: Wo stehen wir und wo wollen wir hin? Vor dem Hintergrund der interkommunalen Landesgartengartenschau 2027 in Oberhessen ging es nun um die Potenziale heimischer Dörfer. Nach dem ersten Ortsrundgang durch Lißberg vor einem Jahr war jetzt ein Büdinger Stadtteil an der Reihe. Dabei »nimmt Diebach am Haag in Sachen Vorbereitung für die Gartenschau für alle 16 Stadtteile Büdingens eine Vorreiterrolle ein«, betonte Büdingens Erste Stadträtin Katja Euler.

Auf den Lorbeeren ausruhen mochte sich an diesem spätsommerlichen Nachmittag aber niemand. »Ein Dorf ist das Wohnzimmer einer Gemeinde. Wenn am Esstisch ein Bein fehlt, dann muss dieses ersetzt werden. Wir müssen wieder dahin kommen, dass wir unsere Dörfer nicht ruinieren, sondern reparieren«, erklärte Gustav Jung, Architekt in der Denkmalpflege und Vorsitzender des Wetterauer Denkmalbeirates. Auch die Büdinger Landschaftsarchitektin Anette Schött wies auf botanische Möglichkeiten hin: »Die Lust am Gärtnern ist für mich das vorrangige Ziel der Landesgartenschau. Bei der Arbeit in der Natur wird man im wahrsten Sinne des Wortes geerdet. Das hilft auch bei Stress im Alltag und Beruf.«

Gustav Jung und Anette Schött begleiteten den Spaziergang über 18 Stationen. Der Fokus lag auf der historischen Bausubstanz sowie auf der Frei- und Grünflächengestaltung. Zu Beginn der Führung erfolgte der Hinweis, dass das Dorf - neben vielen einzelnen Kulturdenkmälern - als Gesamtanlage unter Schutz gestellt wurde. Diese Anerkennung verdient der Ort als gelungenes Ensemble von einzelnen Elementen.

Eines dieser Teile ist das älteste Gebäude Diebachs, ein einstöckiges Fachwerkhaus. Gustav Jung vermutete, dass »sich frühere Landarbeiter kein mehrgeschossiges Haus erlauben konnten«. Der kleine Bau mit dem rotbraunen Fachwerk und weißem Verputz fügt sich unauffällig und doch liebenswürdig ins Ortsbild ein. Ein anderes Beispiel ist ein Kniestockhaus.

Bei diesem schließt das Dach nicht direkt am obersten Deckenbalken ab. Stattdessen findet sich dazwischen ein extra Gefach, das zusätzlichen Raum schafft. Ein weiterer Bestandteil zeugt von alter Zimmermannskunst: ein gewellter Holzbalken über einem Steinsockel. »Die Zimmerleute verwendeten nicht immer gerade Hölzer. Auch krumme Materialien kamen durch eine geschickte Bauweise zum Einsatz«, schilderte der Architekt.

Erzeugnisse anderer Art finden sich in einem liebevoll angelegten Garten. Anette Schött erzählte, dass »früher zu jedem Haus ein Bauerngarten gehörte, um die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern«. Am Rand der Blumen- und Gemüsebeete steht eine hölzerne Liege mit Blick auf die Ronneburg. Ein paar Häuser weiter liegt eine in Eigenleistung sanierte Hofreite aus dem Jahr 1700. Inmitten der alten Gemäuer plätschert Wasser in einem Teich. Neben der grünen Kulisse entsteht so ein kühler Rückzugsort an heißen Tagen. Vor dem Dorfgemeinschaftshaus erstreckt sich eine kleine Fläche mit Staudengewächsen. »Diese haben den Vorteil, dass sie mit vier bis fünf Minuten Pflegezeit pro Quadratmeter im Jahr genügsam sind. Zudem zeugt ihr klimaresilienter Charakter von Robustheit«, führte die Landschafsarchitektin aus.

Neben den zwei fachkundigen Referenten gewährten mehrere Einheimische Einblicke in dörfliche Besonderheiten. Einer von ihnen war Karlheinz Engel, seit 40 Jahren Anheizer des Ofens im Backhaus. Der Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins als Veranstalter des jährlichen Backhausfestes freute sich über den Zuwachs eines Bäckers, »der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat«. Ein anderer Dorfbewohner erläuterte die Auswahl der Materialien und Anwendung der Techniken in einem aufwendigen Sanierungsprozess in Eigenleistung. Er sprach von »Lehm und Kalk als natürlichen Baumaterialien eines Fachwerkhauses bis hin zu Schweineborsten für die Putzarmierung«.

Auch die Familie Heinz sanierte ihre Hofreite in den 80er Jahren. Vom einstmals ramponierten Anblick kann man nichts mehr erahnen. Das Fachwerkhaus und die beiden Scheunen zeugen davon, dass dort nicht nur für die Bewohner, sondern für das ganze Dorf ein Kleinod entstanden ist. In diesem fand sodann auch ein geselliger Abschluss der wandernden Truppe statt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war allen klar: Mit Mut und Fleiß lässt sich vieles erreichen.

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Blumen- und Gemüsebeete gibt es in Diebach am Haag noch. Sie laden zweifelsohne zum Verweilen ein. © Anja Carina Stevens

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