Ein Männlein raubt im Walde…
Ein 36 Jahre alter Lette soll bereits im Mai 2019 zwei Landsmänner in den Wald zwischen Lißberg und Usenborn gelockt und sie dort mit einer Waffe bedroht und um 24 000 Euro erleichtert haben, die für den Kauf eines Autos bestimmt waren, das es gar nicht gab. Nun wird dem Mann, der lange Zeit flüchtig war, in Gießen der Prozess gemacht.
Ein besonders schwerer Fall von räuberischer Erpressung, deren Strafmaß in den Paragraphen 249 und 250 StGB vorgegeben wird, hat sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft bereits im Mai 2019 auf Ortenberger Terrain zugetragen. Das Ganze kann aber erst jetzt vor dem Gießener Landgericht juristisch aufgearbeitet werden, weil der mutmaßliche Haupttäter lange Zeit flüchtig war.
Nach intensiver Fahndung durch die Polizei mit internationalem Haftbefehl wurde der 36-jährige gebürtige Lette, in Riga geboren, erst viel später festgenommen und inhaftiert. Offenbar sind auch noch andere Verfahren gegen ihn anhängig. Derzeit sitzt er in der Justizvollzugsanstalt Gießen ein.
Ein Hänfling als Häftling
Wer nun erwartet hatte, einen »besonders schweren Jungen« auf der Anklagebank vorzufinden, der war zumindest unter rein optischen Gesichtspunkten aufs völlig falsche Gleis geraten, denn der Angeklagte, mit Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt, entpuppte sich als Leichtgewicht: von kleiner Statur, mager und hager, Haarwuchs arg dezimiert, fast eingefallene Wangen. Ein Hänfling als Häftling.
Was für ein Widerspruch zu dem, was er auf dem Kerbholz haben soll und von Staatsanwalt Tom Bayer in der Anklageschrift aufgelistet worden war. Fest stehe, so die Anklage, dass der Beschuldigte Anfang Mai 2019 zwei lettische Bürger in räuberischer Absicht in ein Waldstück zwischen den Ortenberger Dörfern Lißberg und Usenborn gelockt habe. Und zwar unter dem Vorwand, ihnen dort ein Auto zu präsentieren, welches die beiden kaufen wollten. Die Kaufsumme von 24 000 Euro hatte das Duo demnach mitgebracht.
Unter Einsatz einer Waffe (Revolver) und arger verbaler Bedrohung sei den Opfern dann das Bargeld geraubt worden sowie diverse EDV-Gerätschaften wie Smartphone, Spielkonsole und Laptop. Wie Bayer ausführte, hätten die beiden Beraubten um ihr Leben fürchten müssen, weil eine konkrete Drohung lautete, sie würden erschossen und dann in Gruben abgelegt, die bereits im Wald ausgehoben worden seien.
Zu viele Unbekannte
Wer konkret diese Vorgehensweise an den Tag legte, wurde zur Eröffnung der Beweisaufnahme nicht erörtert. Wobei dieser Fall von einer definitiven Klärung ohnehin noch deutlich entfernt zu sein scheint.
Denn zu viele Unbekannte bestimmen die Szenerie. In der Anklageschrift des Staatsanwalts war diesmal von insgesamt drei Tätern die Rede. Aber nur einer ist präsent. Nämlich der 36-Jährige, der sich nun vor der 2. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Jost Holtzmann verantworten muss.
Zwei weitere maskierte Männer, so die Anklage, seien erst im Ortenberger Wald in das Auto zugestiegen. Wer diese Komplizen sind, ist den Strafverfolgungsbehörden allem Anschein nach unbekannt. In einer ersten Pressemitteilung zur Tat war gar nur von einem Mittäter die Rede gewesen.
Bei so viel Ungewissheit erscheint es zweifelhaft, ob der bisher einzig Greifbare die volle Last des Strafmaßes abbekommt, das bis zu 15 Jahren Haft reichen könnte.
Rechtsanwalt Dr. Carsten Friedel Keil (Menden/Sauerland) ließ jedenfalls durchblicken, dass sein Mandant bei der Fortsetzung der Hauptverhandlung am 19. Dezember durchaus bereit sei, Einlassungen zur Sache zu machen.