»Ein Rudel wird zum Problem«
Kefenrod (myl). Ob es wirklich ein Wolf war, ist noch nicht sicher, wird jedoch vermutet: Am 19. April wurde ein gerissenes Kalb in Kefenrod auf der Weide gefunden. Die DNA-Analyse wird in knapp zwei Wochen erwartet.
Heiko Kehm betreibt eine Mutterkuhhaltung und Bullenmast in Kefenrod. Insgesamt 300 Tiere gehören zu seinem Hof. Die hochtragende Kuh stand mit anderen auf der Weide »Auf dem Steigels«. Das ist in der Nähe seines Hofes und der Rennstrecke des Motorsportclubs. Die Koppel war mit einem Elektrozaun mit einer Litze eingezäunt.
Dienstagabend, es war gegen 20 Uhr, hatte der Landwirt die Mutterkuh noch begutachtet. Er war sich sicher, dass sie bald kalbt. Alles war in Ordnung. Als er am nächsten Mittag gegen 12 Uhr wieder auf die Weide kam, entdeckte er das neugeborene Kalb tot auf der Weide liegen. »Die ganzen Innereien hatten gefehlt, der Schlund, die Rippen bis zur Wirbelsäule, die linke und rechte Keule waren abgefressen.« Das ursprüngliche Gewicht des Kalbes nach seiner Geburt schätzt er auf 30 und 40 Kilo. Gut die Hälfte war abgefressen. Das Wolfszentrum in Gießen wurde informiert, am Nachmittag wurde eine Probe entnommen.
April: 14 Nachweise, 19 Verdachtsfälle
Die DNA-Probe wird vom Wolfszentrum, das dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie angehört, an das Senckenberg-Zentrum für Wildtiergenetik in Gelnhausen geschickt. Eine Rückmeldung erwartet das Wolfszentrum in knapp zwei Wochen. Bisher ist der Vorfall in Kefenrod als Verdachtsfall auf der Internetseite gelistet.
Bis zum 21. April wurden in Hessen in diesem Monat in 14 Fällen Wölfe vorwiegend durch Fotos nachgewiesen. Bei einem Vorfall in Hessisch Lichtenau belegte ein Video gleich zwei der Tiere. Im April gab es bisher 19 Verdachtsfälle in Hessen, bei denen vorwiegend Schafe und Rehe, aber auch Kälber und Mufflons gerissen wurden.
Von den meisten toten Tieren wurden laut der Liste im Internet DNA-Analysen beauftragt. »Im Falle von Nutztierschäden werden alle Weidetiere außer Geflügel untersucht und beprobt«, schreibt die Pressestelle auf Anfrage.
Landwirt Kehm ist sich sicher, dass es ein Wolf gewesen sein muss. Im vergangenen Winter hatte er in der Nähe seines Stalls Spuren im Schnee entdeckt. Auch vor zwei Wochen waren die Tiere im Stall panisch. »Da war irgendwas faul. Das kann kein Hund, sondern muss etwas richtig Massives gewesen sein.« Zwischen Kefenrod und Hitzkirchen und auch zwischen Wolferborn und Rinderbügen hätten Leute Wölfe gesehen.
Sollten die Rinderhalter ihre Tiere nun zur Sicherheit aufstallen, um sie zu schützen? Das Land Hessen setzt auf Prävention, kündigt an, dass Halterinnen und Halter von Schafen, Ziegen und Damwild künftig landesweit noch stärker beim Herdenschutz und der Prävention von Wolfsrissen unterstützt werden. Seit dem 1. April ist ganz Hessen Wolfspräventionsgebiet. Alle Ziegen-, Schaf- und Gatterwildhalter in Hessen können Geld für Zäune, Zaunelemente, Materialien und Herdenschutzhunde beantragen. Der Schutz von Pferden und Rindern ist jedoch weiterhin auf Ereignisgebiete beschränkt.
Erst Bürokratie, dann der Ausgleich
Reißt ein Wolf ein Tier, kann der Halter beim Regierungspräsidium einen Antrag auf Schadensausgleich stellen. Zu den Voraussetzungen gehört unter anderem, dass die Tiere während des Übergriffs sachgerecht geschützt waren und der Grundschutz erfüllt ist. Was dieser Grundschutz besagt, ist in einer 16-seitigen Richtlinie dokumentiert.
Der Wolf vermehrt sich schnell. Die Reproduktionsrate liegt bei circa 30 Prozent. Jäger und Landwirte fordern, dass der Wolf bejagt werden darf. Im Wolfszentrum wird die starke Vermehrung hingegen positiv gesehen. »Der von der EU in den 90er-Jahren festgelegte Schutzstatus des Wolfes ist bis zum heutigen Tag unverändert«, informiert die Pressestelle.
So lange es ein Einzelfall bleibt, will Landwirt Heiko Kehm das Geschehene abhaken. »Wenn es zur Routine für den Wolf wird, wird es haarig.« Er stellt sich die Frage, ob es wirklich nur ein Wolf war. Ein Tier würde sieben und zehn Kilo innerhalb von zwölf Stunden fressen. Das Kalb, vermutet er, war Menü für zwei. Kehm: »Sobald ein Rudel da ist, wird es zum Problem.«