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Eine ehrliche Haut: Timo Tichai will Hirzenhainer Bürgermeister bleiben

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Timo Tichai schätzt die naturnahe Lage Hirzenhains. »Manchmal sieht man aber den Wald vor lauter Bäumen nicht«, so der Bürgermeister durchaus selbstkritisch. © Björn Leo

Timo Tichai, seit Herbst 2017 Bürgermeister, hat angenehm unaufgeregt wieder Ruhe in die Gemeinde gebracht. Der 39-Jährige sieht das als gute Basis an, sich um eine zweite Amtszeit zu bewerben.

Dort oben auf dem Geigenberg ist Timo Tichai ganz bei sich. Hinter ihm baut sich der Soderwald auf, vor ihm liegt Merkenfritz, das Dorf, das seit dem dritten Lebensjahr seine Heimat ist. Über Begriffe wie Metropolregion muss man auf der Anhöhe herzlich lachen. Wer hier noch den Speckgürtel des Rhein-Main-Gebiets wähnt, der wird am südlichen Rand des Vogelsbergs lange suchen müssen. Timo Tichai weiß das und erinnert daran, was die oberhessische Heimat im oberen Niddertal zu bieten hat: »Unsere Lage inmitten der Natur ist von unschätzbarem Wert. Leider sehen wir manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht«, sagt der Bürgermeister, der weitere sechs Jahre im Hirzenhainer Rathaus regieren möchte. Damit noch mehr Bäume den Wald vor der Haustür attraktiver machen, um im Bild zu bleiben.

Ohne Zauberhut, mit langem Atem

Timo Tichai macht den Menschen nichts vor. Er ist das, was die Oberhessen eine ehrliche Haut nennen. Der Bürgermeister der kleinen Gemeinde hat keinen Zauberhut auf, vor seiner Verwaltung stehen auch nicht jeden Morgen Dutzende Menschen, die nur darauf warten, mitmachen zu dürfen bei der Entwicklung einer Region, in der zweifelsohne Potenzial steckt, es aber häufiger einen langem Atem braucht. »Wir haben eine hervorragende Verwaltung. Aber die Aufgabenvielfalt sorgt dafür, dass Grenzen erreicht werden.« Zwölf Mitarbeiter hat Tichai im Rathaus, vier davon in Vollzeit. »Da muss der Bürgermeister regelmäßig den Sachbearbeiter geben. In Hirzenhain bist du kein Grüßaugust.« Bewusst stellt er sich hinter seine Leute, denn immer wieder wird Kritik am Rathaus laut, auf die der Verwaltungschef empfindlich reagiert.

Die Umstellung der IT, die Digitalisierung und die geforderte Frischzellenkur des Gebäudes sind Aufgaben, die Langmut und Ausdauer erfordern. Gewisse Prozesse, schildert Tichai, laufen ja bereits. »Hundeanmeldungen sind künftig online möglich, andere Serviceleistungen folgen.« Die Rufe nach einem Bürgerbüro hat der Bürgermeister freilich vernommen. »Das ist zu Zeiten meines Amtsvorgängers Freddy Kammer von den politischen Gremien abgelehnt worden. Deshalb habe ich das auch nicht mehr aufgegriffen«, sagt Tichai, der in Hirzenhain von der CDU unterstützt wird, pragmatisch. Gleiches gilt für die Situation im Bauhof. Er wisse um die Personalfluktuation und deren Folgen. »Der Bauhof hat drei Mitarbeiter. Einer ist in Elternzeit, ein zweiter kümmert sich vorwiegend ums Schwimmbad. Da sind Engpässe vorprogrammiert.«

Der Bürgermeister wehrt sich jedoch gegen Behauptungen, die Rahmenbedingungen ließen zu wünschen übrig. Ein Fahrzeugkonzept liege etwa seit 2022 vor. »Es ist von den Gremien derart zerredet worden, dass der Mitarbeiter, der es entworfen hat, daraufhin die Flinte ins Korn geworfen hat.« Abermals zeigt Tichai, dass er sich bedingungslos vor seine Leute stellt. »Da wird die Arbeit bewusst schlecht geredet. Das ist Gift für eine kleine Gemeinde.« Klar, er wisse um die Mechanismen im politischen Geschäft, aber so manche Verzögerungen seien eben hausgemacht. Es ehrt ihn, dass er weder Namen nennt noch mit dem Finger auf Leute zeigt. Trotzig schiebt er noch nach, dass die kaum gemähten Grünflächen im Ortsbild am Ende auch Geschmacksache seien: »Dem einen gefällt’s, dem anderen halt nicht.«

In seine Ägide als Bürgermeister fiel der Breitbandausbau, hinter den sich Timo Tichai geklemmt hat. Kopfschüttelnd spricht er aber die Bürokratie an, die es etwa beim Beantragen von Fördermitteln zu überwinden gilt. »Dass etwa Igelhausen und Streithain erst später als andere Ortschaften vom Glasfaser profitieren, hat mit den Strukturen in deutschen Amtsstuben zu tun. Die Bürokratie ist ein unglaublicher Zeitfresser.« Stolz verweist Tichai auf Gespräche, die er mit einem Investor aus Bruchköbel führte, der eine Industriefläche im Buderuspark gekauft hat. »Der Betrieb arbeitet mit Sprühtrocknung, einem Verfahren, das zum Beispiel zur Herstellung von Milchpulver benötigt wird. Im Buderuspark findet er beste Voraussetzungen.» Im ersten Schritt, so Tichai, entstehen 30 bis 40 Arbeitsplätze. Per Zufall habe er den Geschäftsmann bei einer Sitzung der Jagdgenossen in der Pizzeria kennengerlernt. »Der ist Jagdpächter, wir waren uns gleich sympathisch.« Solche Gelegenheiten ergeben sich nicht oft in Hirzenhain. »Das haben wir aber gut hinbekommen.«

Gedanken zur Landesgartenschau

Eine Erfolgsgeschichte soll auch die Landesgartenschau für Hirzenhain werden. »Unsere Orte haben Potenzial, wir leben in einer Region, in der andere Menschen Urlaub machen«, schwärmt der Bürgermeister und ergänzt nach einem Moment des Nachdenkens: »Für lau.« Die Achse vom Rathaus zum Naturschwimmbad soll entwickelt, der Sportplatz ins Badgelände integriert werden. Dort kann er sich kleine Saunahütten vorstellen, entlang des Ufers des Stauweihers soll die Aufenthaltsqualität gesteigert werden. Am Ende sind es im besten Fall kleinere Projekte wie ein Wasserspielplatz in Merkenfritz, die die Gartenschau in vier Jahren überdauern und mit denen sich die Menschen vor Ort identifizieren können.

Veränderungen seit Herbst 2017

Für Timo Tichai hat sich das Leben seit 2017 gehörig verändert. Er ist Bürgermeister geworden, führt Personal, vertritt die Gemeinde öffentlich, ist heute Blitzableiter und morgen Vermittler. 2018 feierten er und seine Frau Stefanie Hochzeit, 2019 kam Sohn Alexander auf die Welt. Sollte es in seinem Sinn laufen, stehen im Oktober 2023 zwei weitere freudige Ereignisse an: am 8. die Wiederwahl und am 27. sein 40. Geburtstag.

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